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MÅNNSBILD<br />
Die lustigen Silberspitzler in einer Aufnahme aus dem Jahr 1968. V. l. n. r.: Gustl Retschitzegger,<br />
Leni Raggl, Sepp Rangger, Franz Tilg, Franz Raggl, Franzele Raggl.<br />
paar Groschen verdienen, indem sie den<br />
an der Alm vorbeiziehenden Gästen Kostproben<br />
davon gaben. Vielleicht war das<br />
die erste wichtige Motivation, damit weiterzumachen.<br />
„Beim Franz Posch war’s<br />
ja ähnlich“, meint Gustl. Ja richtig, auch<br />
er hatte sich als kleiner Bub mit der Steirischen<br />
ein wenig Taschengeld verdient.<br />
Nach einer kurzen Zwischenstation als<br />
Hüterbub in Berwang landete Gustl als<br />
Zwölfjähriger in Götzis in Vorarlberg, der<br />
Heimat seiner Mutter. Und dort sollte sich<br />
endgültig seine spätere Leidenschaft entfachen:<br />
Der Sohn des Kapellmeisters, ein<br />
Arbeitskollege, brachte ihm in drei Monaten<br />
das Wichtigste auf dem Tenorhorn bei.<br />
Ausdrücklich darauf hingewiesen, nur das<br />
zu blasen, was ihm sein Lehrer sagte, missachtete<br />
Gustl allerdings diese Anweisung<br />
und machte es gerade so, wie es ihm vorkam.<br />
Das sollte sich als typischer Zug von<br />
Gustl erweisen. Und vielleicht ist es genau<br />
das, was seine Musik ausmacht: sie ist individuell,<br />
kommt aus seinem Allerinnersten,<br />
transportiert äußerste Spielfreude und<br />
natürlich ein unbändiges Temperament.<br />
Wurzeln schlagen in Tirol<br />
Wie ist Gustl dann aber wieder nach Tirol<br />
gekommen? „Ich wollte einfach wieder<br />
hierher zurück. Nach ein paar kleineren<br />
Gelegenheitsjobs habe ich den perfekten<br />
Beruf für mich gefunden.“ Bis zu seiner<br />
Pensionierung war der redselige Gustl<br />
in Landeck und Umgebung Briefträger<br />
aus Leidenschaft. Und er beginnt auch<br />
gleich damit, mir ein paar Anekdoten<br />
aus seinem „Postlerleben“ zu erzählen.<br />
Irgendwann muss ich ihn aber stoppen<br />
und versuche, wieder auf unser Thema zu<br />
kommen. Wie ging’s weiter mit der Musik?<br />
1963 war’s, da formierten sich „Die<br />
lustigen Silberspitzler“, eine Tanzkapelle<br />
bestehend aus Klarinette bzw. Saxophon,<br />
Trompete, Euphonium bzw. Posaune, Gitarre,<br />
Ziachorgel und Schlagzeug. „Wir<br />
kamen sehr viel herum: In allen österreichischen<br />
Bundesländern, Südtirol, in der<br />
Schweiz, ja auch in Frankreich, Ungarn<br />
und an der Nordsee haben wir mit unseren<br />
verschiedenen Gruppierungen musiziert.<br />
Wir bekamen sogar das Angebot, für drei<br />
Monate nach Amerika zu gehen. Das war<br />
uns leider aus beruflichen Gründen nicht<br />
möglich. Aber wir waren auch hierzulande<br />
ziemlich eingespannt. Manchmal<br />
hätten wir am Tag an drei verschiedenen<br />
Orten spielen können!“ Ich bin verwundert.<br />
War die Konkurrenz zu anderen<br />
Musikgruppen nicht sehr groß? Ich denke<br />
etwa an die Fidelen Inntaler, die ja damals<br />
ebenfalls weitum bekannt und sehr populär<br />
waren. „Nein, überhaupt nicht. So viele<br />
Gruppen gab’s nicht, man kam sich eigentlich<br />
nicht in die Quere“, meint Gustl.<br />
Und die Truppe verstand es, Stimmung<br />
zu machen, manchmal auch unfreiwillig.<br />
So erzählt Gustl von einer tanzenden<br />
Dame, der er offenbar beim Musizieren<br />
in der Schweiz mit seiner Posaune zu nah<br />
gekommen war, sodass sich ihre Perücke<br />
in der Wasserklappe verfing und die Attrappe<br />
plötzlich sein Instrument zierte.<br />
Die Misere erkennend manövrierte Gustl<br />
während des Musizierens die Haarpracht<br />
wieder an ihren angestammten Platz. Eine<br />
Wetten-dass-reife Leistung! Aber auch<br />
untereinander wusste man sich zu unterhalten:<br />
So soll einmal Manfred Wörnle,<br />
der in den 80er-Jahren mit der Steirischen<br />
mitspielte, in Mals etwas zu viel Wein<br />
erwischt haben. Am Tisch eingeschlafen<br />
trugen ihn die Kollegen ins Bett, wo der<br />
Manfred die Augen plötzlich auftat und<br />
schmunzelnd meinte: „Ietz håbm mi die<br />
bledn Tiroler ins Zimmer auffatrågn!“<br />
Stimmung kam aber wohl auch durch das<br />
Repertoire auf: neben echter Volksmusik<br />
gaben die Tanzmusikanten auch Schlager<br />
und Oberkrainer-Musik zum Besten,<br />
eben das, was man damals hören wollte,<br />
so genau nahm man es früher generell<br />
nicht mit der Abgrenzung. „Musig soll<br />
guat und schian sein, dånn isch eigentlich<br />
koa Musig schlecht“, meint Gustl.<br />
Der Liedermacher<br />
Ich stimme ihm zu, und er erzählt mir, dass<br />
er selbst auch viele Oberkrainer-Stückln<br />
samt Text geschrieben hat. „Ach Rosi,<br />
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G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 41. JAHRGANG | HEFT 03 | SEPTEMBER <strong>2016</strong>