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INT´RESSANTERWEIS<br />
GÜRTEL MIT TRADITION<br />
Wilfried Weiss ließ fast vergessene Handwerkstechniken<br />
wieder aufleben. Er fertigt mit Zinnstift und Federkiel<br />
einzigartige Produkte und haucht alten Stücken neues<br />
Leben ein.<br />
Text: Lisa Thurner | Fotos: Christina Holaus<br />
Einer ganz besonderen Schatzkammer<br />
gleicht der Raum, in den uns<br />
Wilfried Weiss bei unserem Besuch<br />
führt. Der Geruch von Leder, originelle<br />
Motive, das Glitzern der kleinen<br />
Zinnstifte und Glassteine sowie das<br />
Funkeln der Schnallen sorgen für eine<br />
ganz spezielle Atmosphäre. Helle Spots<br />
beleuchten einzigartige Schätze. Wilfried<br />
zeigt uns seine Sammlung von<br />
altertümlichen Ranzen, Gürteln und Taschen.<br />
Zu jedem einzelnen Stück weiß<br />
er eine Geschichte zu erzählen. Seine<br />
Begeisterung und Leidenschaft für diese<br />
geschichtsträchtigen Wegbegleiter und<br />
für das Traditionshandwerk ist merklich<br />
spürbar. Er lässt uns zuschauen, wie er<br />
mit dieser alten, fast vergessenen Handwerkstechnik,<br />
der Zinnstifttechnik, einen<br />
Lederstreifen bearbeitet, erklärt uns<br />
jeden einzelnen Schritt, wie so ein Zinnranzen<br />
entsteht und gibt uns Einblick in<br />
diese alte Tradition.<br />
später mit liebevollen Ornamenten,<br />
Sprüchen, Zunftzeichen usw. je nach<br />
Geldbeutel des Trägers aufgepeppt. Bei<br />
der Musterung wurden kleine Lederflächen<br />
freigelassen, die mit färbigem<br />
Leder unterlegt waren. Dabei wurden<br />
oft sehr knallige Farben verwendet.<br />
Auch symbolträchtige Figuren wie der<br />
Doppeladler oder der Löwe waren häufige<br />
Motive. Betuchte Leute ließen sich<br />
oftmals Buchstaben, sogar das ganze<br />
Alphabet, Wörter und Sprüche auf ihre<br />
Gürtel machen. Die Ranzenträger wollten<br />
zeigen, dass sie des Lesens kundig<br />
waren. Vielfach waren die Sprüche jedoch<br />
von sagenhaften Rechtschreibfehlern<br />
übersät, weil die Hersteller leider<br />
nicht lesen konnten. Frauen entdeckten<br />
dieses besondere Accessoire ebenso für<br />
sich. Die Schmuckgürtel, auch Messerriemen<br />
oder Brautgürtel genannt,<br />
wurden ebenfalls mit Zinnnägeln verziert.<br />
Die Frau trug sie um die Taille<br />
und an der Hüfte herab. „Anfangs befanden<br />
sich an diesen Gürteln Messer,<br />
Wetzstein und eine Gabel. Auch der<br />
Schlüssel zur Vorratskammer war dort<br />
zu finden. Später löste das Klappmesser<br />
diese Gegenstände ab“, weiß der<br />
Ranzenmacher. Um 1800 entwickelte<br />
sich der Lederschlauch. Im geschlauchten<br />
Zinnranzen konnte der Mann Geld<br />
und Dokumente aufbewahren. Außerdem<br />
wurden Querstege befestigt, um<br />
den Lederstreifen durchzustecken. Ein<br />
jähes Ende erwartete den Zinnranzen<br />
zur Zeit der napoleonischen Kriege.<br />
Damals wurde das Silber des armen<br />
Mannes, das Zinn, dazu verwendet,<br />
um eingeschmolzen und im Krieg als<br />
Munition genutzt zu werden. Mit dem<br />
Krieg verschwanden die Zinnranzenmacher<br />
und mit ihnen die Zinnstifttechnik.<br />
Die Nachfolge trat der Federkielranzen<br />
an, der sehr bekannt ist.<br />
„Früher wurde der Zinnstiftranzen hergestellt,<br />
um den Unterleib des Mannes<br />
vor einem Bajonettstich, einem Messerstich<br />
oder auch vor einer Bleikugel<br />
zu schützen. Bis zu 20 cm breit und<br />
vollflächig mit mehreren zehntausend,<br />
winzig kleinen Zinnnägeln besetzt waren<br />
diese Gürtel“, erzählt er. Um 1730<br />
veränderten sich die Funktion und<br />
schließlich auch die Aufmachung dieser<br />
Kleidungsstücke. Die Gürtel wurden<br />
zu einem wesentlichen Bestandteil des<br />
Festtagsgewands. Die Ranzen wurden<br />
anfangs mit einfachen Verzierungen,<br />
Eine Auswahl an Zinnranzen von Wilfried Weiss. Jedes Stück ist ein Unikat.<br />
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G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 41. JAHRGANG | HEFT 03 | SEPTEMBER <strong>2016</strong>