WIRTSCHAFT+MARKT 3/2017
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BERLIN | 25<br />
Fotos: Max Threlfall (oben), kapilendo AG (unten)<br />
Vorstand der solarisBank AG:<br />
Marko Wenthin.<br />
eine Million Euro von<br />
Anlegern einwarb. 60<br />
Tage hatte kapilendo für<br />
das Vorhaben des Profi-<br />
Clubs angesetzt – nach<br />
knapp zehn Minuten war es<br />
vollständig finanziert. Doch die<br />
Geldakquise der „Alten Dame“ des deutschen<br />
Fußballs sieht kapilendo eher als<br />
ein Vorzeige-Projekt. Eigentlich versteht<br />
sich das 2015 gegründete Unternehmen<br />
als ein Online-Kreditmarktplatz, der kleinen<br />
und mittelständischen Unternehmen<br />
eine unbürokratische Finanzierung durch<br />
Privatleute ermöglicht.<br />
„Die Stadt“, lobt Grätz das kreative Umfeld<br />
für die junge Finanzszene an der<br />
Spree, „gilt verstärkt als europäisches<br />
Drehkreuz und bietet ungehinderten Zugang<br />
zu Kunden in der EU, zu internationalen<br />
Technologietalenten und Geldgebern<br />
aus der ganzen Welt.“ Berlin werde nach<br />
dem Ausstieg der Briten aus der EU daher<br />
für die europäische Fintech-Bewegung<br />
noch weiter an Bedeutung gewinnen.<br />
Fintechs attackieren die Banken<br />
Angesichts der rasanten Digitalisierung<br />
der Finanzwelt reifen derzeit die Blütenträume<br />
der jungen Start-ups in Berlin noch<br />
ein wenig schneller als im Rest der Republik.<br />
Schließlich greifen sie den klassischen<br />
Finanzsektor, also Banken, Börsen<br />
und Versicherungen, gleich auf mehreren<br />
Ebenen an. Sie erobern mit verbesserten<br />
und kostengünstigeren Lösungen für<br />
den Zahlungsverkehr, für die Vermögensverwaltung,<br />
die Kreditvergabe sowie im<br />
Versicherungsgewerbe die angestammten<br />
Märkte der Banken, Sparkassen und<br />
Versicherer.<br />
Das Verhältnis zwischen alter und neuer<br />
Finanzwelt schwankt denn auch zwischen<br />
allerlei Formen der Kooperation und scharfem<br />
Wettbewerb. Einerseits machen die<br />
jungen Finanz-Start-ups den klassischen<br />
Kreditinstituten Kunden abspenstig, anderseits<br />
unterstützen sie als Dienstleister<br />
die Digitalisierung des<br />
Bankengewerbes.<br />
Als eine Brutstätte<br />
immer neuer digitaler<br />
Ideen prägt in<br />
Berlins Mitte der Inkubator<br />
FinLeap das<br />
Gründungsgeschehen<br />
der Branche. Seit<br />
ihrer Gründung 2014 stand<br />
die FinLeap GmbH gleich reihenweise<br />
jungen Start-ups als Geburtshelfer<br />
zur Seite. Das erhitzt auch die Fantasie<br />
der Investoren: Im Sommer 2016 warb<br />
das Unternehmen rund 21 Millionen Euro<br />
an Investorengeldern ein, dabei beteiligte<br />
sich mit der Hannover Rück auch ein<br />
klassischer Rückversicherer an der Finanzierung.<br />
FinLeap stand auch bei der Gründung der<br />
solarisBank AG Pate, dem ersten Fintech,<br />
das eine Vollbanklizenz erhielt. Die solaris-<br />
Bank AG definiert sich aber weniger als<br />
traditionelle Bank, sondern als Tech Company<br />
mit Banklizenz und will sich als Finanzpartner<br />
von Fintechs, Marktplätzen<br />
und E-Commerce-Shops am Markt etablieren.<br />
Für Marko Wenthin, einst in Diensten der<br />
Deutschen Bank und nun Vorstand und<br />
Co-Gründer der solarisBank AG, hat sich<br />
nie die Frage gestellt, ob Berlin der richtige<br />
Standort für junge Finanzunternehmen<br />
sei: „Berlin ist die unangefochtene Techund<br />
Digitalhauptstadt Deutschlands, wenn<br />
nicht sogar Europas“, schwärmt Wenthin.<br />
„Und noch mehr als gute Banker brauchen<br />
wir gute Entwickler, um erfolgreich<br />
zu sein. Die findet man in Berlin.“ Auch<br />
Ramin Niroumand, Mitgründer<br />
und Geschäftsführer der<br />
FinLeap GmbH glaubt,<br />
dass die Stadt viele internationale<br />
Talente<br />
anzieht, die zur Umsetzung<br />
komplexer<br />
CEO und Mitbegründer<br />
der kapilendo AG:<br />
Christopher Grätz.<br />
Fintech-Modelle benötigt werden.<br />
Wenthin nennt weitere Berliner Pluspunkte:<br />
„Investoren und Kapital, gute Accelerator-<br />
und Company-Building-Programme<br />
sowie ein regelmäßiger Austausch<br />
und Meetups zwischen Fintech-Experten.“<br />
In der Tat deckt die Berliner Gründerszene<br />
mittlerweile alle Dienstleistungen<br />
rund ums Geld ab: Das Portal Weltsparen<br />
etwa bietet seinen Kunden die Möglichkeit,<br />
Geld in Ländern wie Italien oder<br />
Portugal zu günstigeren Zinsen online anzulegen.<br />
Smava hat mit dem Kredit2Go<br />
den ersten vollautomatischen Sofortkredit<br />
in Deutschland im Portfolio, orderbird<br />
ist ein Anbieter für iPad-Kassensysteme in<br />
der Gastronomie, Grover offeriert Privatund<br />
Firmenkunden ein völlig neuartiges<br />
Finanzierungsmodell für Technikprodukte<br />
als Alternative zum klassischen Leasing<br />
und der Versicherungsvermittler friendsurance<br />
schließt Kunden zu einer Versicherungsgemeinschaft<br />
zusammen, die kleinere<br />
Schäden mit dem Geld der Gruppe<br />
begleicht.<br />
Konkurrenz hat das Nachsehen<br />
Angesichts des Tempos, mit dem gegenwärtig<br />
neue Finanzmodelle in der Hauptstadt<br />
aus dem Boden sprießen, bleibt<br />
Hauptkonkurrent Frankfurt im Kampf um<br />
die neue Generation von Finanzdienstleistern<br />
erst einmal das Nachsehen. Zwar hat<br />
der hessische Wirtschaftsminister Tarek<br />
Al-Wazir jüngst postuliert, Frankfurt müsse<br />
das deutsche Zentrum der wachsenden<br />
Fintech-Branche werden. Doch der Blick<br />
in die Statistik belegt, dass Berlin gegenwärtig<br />
enteilt ist. Frankfurt laboriert hingegen<br />
„vor allem an einem Imageproblem“,<br />
wie die „Frankfurter Rundschau“ ernüchtert<br />
feststellte. Kapilendo-Gründer<br />
Christopher Grätz allerdings<br />
hält die Standortfrage für<br />
die jungen Finanz-Gründer<br />
für zweitrangig.<br />
„Viel wichtiger ist,<br />
dass sie es überhaupt<br />
in Deutschland<br />
tun und wir unsere Positionierung<br />
als führendes<br />
Land in den Bereichen<br />
Finanzen und Technologien<br />
ausbauen.“ W+M<br />
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