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WIRTSCHAFT+MARKT 3/2017

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CHINA | 35<br />

Foto: W+M/Ralf Succo<br />

Shi Mingde: In den letzten Jahren hat das<br />

Wachstum der Investitionen chinesischer<br />

Betriebe in Fusionen und Übernahmen in<br />

Deutschland relativ rasch zugenommen,<br />

doch verglichen mit anderen Staaten in<br />

Amerika und Europa ist das Ausmaß der<br />

chinesischen Investitionen in Deutschland<br />

nach wie vor recht bescheiden und macht<br />

einen Anteil von weniger als ein Prozent<br />

am Gesamtvolumen der Auslandsinvestitionen<br />

in Deutschland aus. Wenn chinesische<br />

Firmen nach Deutschland kommen<br />

und hier in Fusionen und Übernahmen investieren,<br />

geschieht dies mit Blick auf die<br />

langfristige Entwicklung und folgt den Verhaltensmustern<br />

der Marktwirtschaft. Daraus<br />

ergeben sich nicht nur Vorteile für die<br />

globale Diversifizierung der chinesischen<br />

Unternehmen, sondern auch für die deutschen<br />

Unternehmen im Hinblick auf dringend<br />

benötigte Kapitalspritzen und Vertriebswege,<br />

so dass man von wechselseitigen<br />

Vorteilen und einer Win-Win-Situation<br />

sprechen kann.<br />

W+M: In Deutschland hat sich die gestiegene<br />

Innovationskraft und Leistungsfähigkeit<br />

chinesischer Unternehmen noch nicht<br />

überall herumgesprochen. Daher werden<br />

chinesische Investments bei uns mitunter<br />

noch von Argwohn begleitet. Wie erklären<br />

Sie sich das?<br />

Chinas Botschafter Shi Mingde (r.) empfing W+M-Chefredakteur Karsten Hintzmann in seinen<br />

Berliner Amtsräumen.<br />

Shi Mingde: China wurde in der Vergangenheit<br />

stets als die „Werkbank der Welt“<br />

bezeichnet, die Fähigkeiten zu Innovation<br />

und Forschung kamen dagegen zu kurz.<br />

Diese Situation verändert sich gerade rapide,<br />

Chinas Fähigkeit zu selbstbestimmter<br />

Innovation steigt stetig an. In einem weltweiten<br />

Ranking zur Innovationsfähigkeit<br />

der einzelnen Länder belegt China inzwischen<br />

bereits den 18. Platz. In Bereichen<br />

wie der Luft- und Raumfahrt, dem Internet<br />

und der Datentechnik hat es sogar weltweit<br />

eine Führungsrolle übernommen.<br />

Manche Menschen befürchten, dass von<br />

chinesischen Unternehmen übernommene<br />

Betriebe geschlossen werden und<br />

dass die Technik entführt wird. In Wirklichkeit<br />

verhält es sich jedoch genau umgekehrt,<br />

da die chinesischen Unternehmen<br />

mit ihren Investitionen in Deutschland zusätzliche<br />

Arbeitsplätze schaffen, Firmen<br />

den Zugang zum chinesischen Markt eröffnen<br />

und neue Entwicklungschancen<br />

mitbringen.<br />

W+M: Da sich unser Magazin auf Ostdeutschland<br />

fokussiert, interessiert uns<br />

natürlich, welche Branchen und Regionen<br />

in den neuen Bundesländern besonders<br />

interessant für chinesische Firmen sind?<br />

Shi Mingde: In den mehr als zwei Jahrzehnten<br />

seit der Wiedervereinigung der<br />

beiden Teile Deutschlands haben die<br />

neuen Bundesländer im Ausbau der Infrastruktur<br />

und in der industriellen Aufrüstung<br />

riesige Fortschritte gemacht, so<br />

dass ihre Attraktivität für ausländische<br />

Investitionen stetig gestiegen ist. Die<br />

neuen Bundesländer verfügen über beträchtliche<br />

Vorzüge. Zum Beispiel haben<br />

sie auf der Grundlage der konkreten Gegebenheiten<br />

eine ganze Reihe von politischen<br />

Maßnahmen zur Begünstigung ausländischen<br />

Kapitals verfügt und gebieten<br />

über ein vergleichsweise großes Entwicklungspotenzial,<br />

eine günstige Verkehrslage,<br />

niedrige Boden- und Mietpreise, ein<br />

gesundes industrielles Fundament sowie<br />

im Vergleich zum Westen relativ niedrige<br />

Personalkosten. Besonders im Blickpunkt<br />

chinesischer Investoren stehen im<br />

Augenblick Sparten wie die Fahrzeugindustrie,<br />

die chemische Industrie, Medizin<br />

und Pharmakologie, Maschinen und<br />

Ausrüstungen, saubere Energien und Biotechnologie.<br />

Chinesische Investoren interessieren<br />

sich zunehmend für den Osten<br />

Deutschlands, ihre Kenntnisse werden immer<br />

umfangreicher, und es eröffnen sich<br />

immer neue Geschäftsfelder.<br />

W+M: Gibt es Kooperationen zwischen<br />

chinesischen und ostdeutschen Unternehmen<br />

aus jüngster Vergangenheit, die<br />

an dieser Stelle als positive Leuchttürme<br />

herausgehoben werden sollten?<br />

Shi Mingde: Nach Statistiken der chinesischen<br />

Seite gibt es inzwischen bereits<br />

rund 100 chinesische Firmen, die in den<br />

sechs neuen Bundesländern investiert haben,<br />

davon die Hälfte in Berlin, die andere<br />

Hälfte in den übrigen fünf Bundesländern.<br />

Insgesamt belaufen sich diese Investitionen<br />

auf etwa 1,1 Milliarden Euro. In den<br />

letzten Jahren hat sich bei chinesischen<br />

Unternehmen der Trend zu Investitionen<br />

im Osten deutlich verstärkt. So hat zum<br />

Beispiel Chinas größter Anbieter für aseptische<br />

Verpackungsmaterialien, die Firma<br />

Greatview Packaging, die erste Fabrik im<br />

Ausland just in der Stadt Halle in Sachsen-Anhalt<br />

errichtet. Zudem wurde, als<br />

in Frankfurt an der Oder 2013 das dortige<br />

größte Komponentenwerk der Photovoltaik-Firma<br />

Conergy in Insolvenz ging, dieses<br />

Werk erfolgreich von der Chint-Gruppe<br />

übernommen. Der Stadtrat beschloss<br />

in aller Form, die Straße, an welcher die<br />

Fabrik liegt, in Chint-Allee umzubenennen.<br />

Das chinesisch-schweizerische Gemein-<br />

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