WIRTSCHAFT+MARKT 3/2017
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36 | W+M TITEL<br />
schaftsunternehmen Molinari Rail kaufte<br />
die über eine 120-jährige Geschichte<br />
verfügende FTD Fahrzeugtechnik Bahnen<br />
Dessau GmbH auf. Mit diesem Projekt<br />
wurde eine neue Form der Zusammenarbeit<br />
zwischen China, der Schweiz und<br />
Deutschland geschaffen, um gemeinsam<br />
die internationalen Märkte zu erschließen.<br />
W+M: Die ostdeutsche Wirtschaft ist<br />
stark mittelständisch geprägt. Dennoch<br />
drängen auch viele dieser kleinen Unternehmen<br />
mit ihren innovativen Produkten<br />
auf ausländische Märkte. Was raten Sie<br />
mittelständischen Unternehmern zwischen<br />
Rostock und Erfurt, die auf dem<br />
chinesischen Markt Fuß fassen möchten?<br />
ZUR PERSON<br />
Shi Mingde wurde im Dezember 1954<br />
in Shanghai geboren. Bereits im Alter<br />
von neun Jahren begann er, Deutsch zu<br />
lernen. Zwischen 1972 und 1975 absolvierte<br />
er ein Germanistik-Studium in der<br />
DDR. Seit 1976 steht Shi Mingde im<br />
diplomatischen Dienst seines Landes.<br />
Erste Karrierestation war die chinesische<br />
Botschaft in der DDR (1976-1981).<br />
Die Wende erlebte er hautnah mit – als<br />
2. Sekretär der chinesischen Botschaft<br />
in Ost-Berlin (1986-1990). Es folgten<br />
Stationen an den Botschaften in Bonn<br />
und Berlin. Von 2010 bis 2012 war er<br />
chinesischer Botschafter in Wien. Seit<br />
August 2012 vertritt er sein Land als<br />
Botschafter in Berlin. Shi Mingde ist<br />
verheiratet und Vater eines Kindes.<br />
Shi Mingde: Wenn mittelständische und<br />
kleine Unternehmen den chinesischen<br />
Markt erschließen wollen, ist meines Erachtens<br />
der Chinahandel nur ein Aspekt.<br />
Noch wichtiger ist es, China und die Bedürfnisse<br />
der chinesischen Entwicklung<br />
zu verstehen, um im chinesischen Markt<br />
Fuß zu fassen, also vor Ort in den Bau von<br />
Fabriken zu investieren und dort Präsenz<br />
zu zeigen. Sie müssen an Ort und Stelle<br />
die Bedürfnisse der chinesischen Verbraucher<br />
kennenlernen und Produkte entwickeln,<br />
die auf die besonderen Konsumgewohnheiten<br />
des chinesischen Marktes<br />
abgestimmt sind. Deutsche Unternehmen<br />
genießen in China einen hervorragenden<br />
Ruf, und alle lokalen Regierungen heißen<br />
Investitionen von deutscher Seite noch<br />
viel eher willkommen als aus jedem anderen<br />
Land. Die chinesischen und die deutschen<br />
Regierungen wie auch Handelskammern<br />
haben bereits zahlreiche Foren<br />
geschaffen und schlagen vor, dass sie mit<br />
investitionswilligen chinesischen Firmen<br />
noch engere Formen der Kooperation aufbauen.<br />
Auch die chinesische Botschaft in<br />
Deutschland ist willens, den Osten noch<br />
stärker bei der Förderung der Zusammenarbeit<br />
mit China zu unterstützen.<br />
Die chinesische Botschaft in Berlin.<br />
W+M: Sie haben in der DDR studiert und<br />
seither in verschiedenen Funktionen insgesamt<br />
25 Jahre in Deutschland gearbeitet.<br />
Sie gelten als exzellenter Kenner unseres<br />
Landes. Gibt es Orte und Lebensgewohnheiten<br />
speziell in Ostdeutschland,<br />
die Sie besonders schätzen?<br />
Shi Mingde: Ich habe sowohl in Ost- als<br />
auch in Westdeutschland gearbeitet und<br />
gelebt und bin mit eigenen Augen in Berlin<br />
Zeuge der Wiedervereinigung der beiden<br />
Teile Deutschlands geworden. Das<br />
war für mich eine sehr wertvolle und bereichernde<br />
Erfahrung. Ich habe sehr viele<br />
Orte im Osten Deutschlands besucht<br />
und die Möglichkeit gehabt, mir ein Bild<br />
von den einzigartigen lokalen Sitten und<br />
Gebräuchen sowie der traditionellen Kultur<br />
zu machen. Besonders lebhaft sind mir<br />
der Karneval in Berlin, die Museen in Dresden,<br />
die Musik und das Theater in Leipzig,<br />
das Schloss Sanssouci in Potsdam sowie<br />
die schönen Landschaften in Harz und Erzgebirge<br />
in Erinnerung geblieben. Ein Eisbein<br />
in Berlin, eine Bratwurst in Thüringen<br />
und ein Radeberger Bier gehören zu den<br />
von mir bevorzugten kulinarischen Spezialitäten<br />
des Ostens. Mit dem diesjährigen<br />
45. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer<br />
Beziehungen zwischen China und<br />
Deutschland verbindet sich die Hoffnung,<br />
dass unsere beiden Länder den Austausch<br />
auf kulturellem Gebiet unablässig verstärken<br />
und damit die traditionelle Freundschaft<br />
zwischen unseren zwei Ländern<br />
weiter festigen.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
Foto: W+M/Ralf Succo<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 3/<strong>2017</strong>