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Landkreis Marburg Biedenkopf - ganz persönlich

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Wir mauerten einen Grill, wir pflanzten Gemüse, das sich<br />

nie jemand traute zu essen wegen der Katzen in der Nachbarschaft,<br />

wir installierten eine Diskokugel und verlegten<br />

Kabel, wir beleuchteten und befriedeten die Natur, wir stellten<br />

eine Tischtennisplatte auf und spielten Rundlauf mit<br />

Freunden und Fremden.<br />

Wir gossen den Boden mit unserem Schweiß, wochenlang<br />

buckelten wir unter den Augen der flanierenden Touristen,<br />

bis wir das bis heute bitte mit nötigem Respekt und Abstand<br />

zu besichtigende Kleingartenidyll mitten in <strong>Marburg</strong>s Altstadt<br />

fertiggestellt hatten.<br />

Die <strong>Marburg</strong>er Luft, kesselerhitzt und stumpf, brennt mir<br />

noch immer in den Lungen. Oder ist es der Rauch der <strong>Marburg</strong>er<br />

Kneipen? Oder der Kontrast zu der frischesten aller<br />

Lüfte während meiner Wanderung Richtung <strong>Biedenkopf</strong>?<br />

Oder der geraubte Atem beim Blick vom Spiegelslustturm?<br />

Oder die Aufregung vor einem Auftritt auf einer der unzähligen<br />

Bühnen im Kreis, vom Freibad bis zur Fabrikhalle, vom<br />

schwimmenden Floß auf der Lahn bis zum Kino?<br />

Mein Weg führt mich nur noch selten in den Kreis, aber<br />

wenn, dann freue ich mich über den lyrischen Input. Wenn<br />

mich eine Regionalbahn durch die Landschaft flüstert und<br />

die Grenzen zwischen überall und nirgendwo verschwimmen.<br />

Oder wenn ich mich beim regionalen Bier als guter<br />

Mensch fühlen darf und noch besseres erwarten kann.<br />

Dann spüre ich, dass eine Heimat immer mehr ist als der<br />

Ort, wo man wohnt. Berlin ist meine Heimat, keine Frage.<br />

Aber das ist sie nur, weil ich weiß, dass wenige Zugumstiege<br />

später eine Art Gegenberlin wartet, wo all das, was in Berlin<br />

ist, auch ist, nur in anderer Form, zwischen den Zeilen,<br />

verteilt auf einen <strong>ganz</strong>en Kreis, in den Menschen und in der<br />

Natur, in den Kellern und auf den Dächern. Im Nebel und<br />

im Tretboot, auf dem Schloss und im KFZ.<br />

Lars Ruppel hat immer einer besonderen Blick auf <strong>Marburg</strong><br />

und die Region.<br />

Neben dem Haus, zwischen dem grässlichen Neubauversuch<br />

des Nachbarn und unserem, war ein Brombeer-Urwald, der<br />

jegliches Betreten Kraft seiner Stacheln und Insekten unmöglich<br />

machte. Er war so dicht, dass das andere Haus nicht<br />

zu sehen war und erstreckte sich auf einer Fläche, groß wie<br />

unser eigenes Haus. Ich weiß nicht mehr wieso, wann und<br />

womit, aber irgendwann rodeten wir das <strong>ganz</strong>e Gestrüpp<br />

und legten die darunter liegende Brachfläche frei. Ein wildes<br />

Gemisch aus Glasscherben, Tonziegelstücken, Altmetall und<br />

Krümeln von Muttererde.<br />

Tatsächlich besteht mein heutiger Freundeskreis in der neuen<br />

Stadt hauptsächlich aus Leuten aus meiner alten Heimat.<br />

Man hält zusammen, man hat was gemeinsam erlebt, man<br />

vermisst etwas gemeinsam. Dann tut es weniger weh.<br />

„Berlin ist meine Heimat, keine Frage. Aber das ist sie<br />

nur, weil ich weiß, dass wenige Zugumstiege später<br />

eine Art Gegenberlin wartet, wo all das, was in Berlin<br />

ist, auch ist, nur in anderer Form, zwischen den Zeilen,<br />

in den Menschen und in der Natur, in den Kellern und<br />

auf den Dächern. Im Nebel und im Tretboot, auf dem<br />

Schloss und im KFZ.“

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