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Germany Yearbook - 1876 - Prussia_ocr

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2 0 8<br />

E. Die besonderen G erichte fü r G ew erbtreibende.<br />

Vorbemerkung.<br />

Um jene S treitig k eite n zu schlichten und — wenn m öglich — gütlich uuzugleichen,<br />

welche ans den eigen tü m lich en Lebensverhältnissen des Gewerbfleisses<br />

entspringen, bestehen heute in Prenssen zw ei A rten von besonderen Gerichten für<br />

Gewerbtreibende neben einander, näm lich:<br />

1. die „ k ö n ig lic h e n G e w e rb e g e rich te “ im R heinlande, welche in der<br />

französischen Gesetzgebung w urzeln und in § 1081) vbdn m it § 127 der deutschen Gewerbeordnung<br />

(w ie schon in § 137 der allgem einen Gewerbeordnung vom 17. Januar<br />

1845) eine B estätigung ih re r Z uständigkeit für die S tre itig k e ite n erführen, welche<br />

zw ischen selbständigen Gewerbtreibenden und deren Gehülfen oder Lehrlingen über<br />

den A n tritt, die Fortsetzung oder Aufhebung des A rb eits- oder Lehrverhältnisses, über<br />

die gegenseitigen Leistungen während der Dauer desselben oder über die Ertheilmg<br />

oder den In h a lt der Abgangszeugnisse (§ 113 und 124 der Gewerbeordnung) entstehen.<br />

Ih r W irku n g skreis is t jedoch keineswegs auf dieses G ebiet beschränkt, sondern erstreckt<br />

sich w eit über dasselbe hinaus;<br />

2 . die „g e w e rb lic h e n S c h ie d s g e ric h te “ , welche auf dem Boden der<br />

deutschen Gewerbeordnung (§§ 108 und 127 in Verbindung m it § 126) erwuchsen1)<br />

nnd durch ö rtlich e Satzung in das Leben gerufen, m it der ausschliesslichen Zuständigk<br />

e it für S treitig k eite n zw ischen selbständigen Gewerbtreibenden nnd den von diesen<br />

im Gewerbebetriebe beschäftigten Personen ausgerüstet wurden.<br />

D urch die angezogene gesetzliche Bestim m ung wurde die E rrich tu n g der gew<br />

erblichen Schiedsgerichte keineswegs allgem ein geboten, sondern nur freigeetellt,<br />

und die Entscheidung der genannten S treitig k eite n zunächst den „besonderen Behörden“<br />

überlassen, denen sie schon durch die frühere Gesetzgebung der Einzristaatea<br />

übertragen w ar. W o aber dieselben n ich t in s Leben gerufen w aren, da berief die<br />

Gewerbeordnung zunächst die Gemeindebehörden zu R ich tern über diese kleineren gew<br />

erblichen S treitig keiten , die som it auf jeden F a ll dem allgem einen R ich te r entzöget<br />

und von den Regeln des gewöhnlichen Verfahrens b e fre it waren. Das Endziel,<br />

welches die deutsche Gewerbe-Gesetzgebung w ohl vor Augen hatte, — die Verweumg<br />

jener S treitig keite n vor ein G erich t der Fach- und Standesgenossen — w ar aber dun*<br />

diese Bestimmungen noch n ich t erreicht; denn sie schuf diese In stitu tio n nicht allgemein,<br />

sondern bestätigte sie nur und erkannte sie da im neuen Rechte an. wo die<br />

Entw ickelung, die für ganz Deutschland noch im Flusse war, schon ihren AbscUo»<br />

gefunden hatte.<br />

Das Vorgehen unserer Gesetzgebung w ar in diesem Punkte ein ausserordentlich<br />

besonnenes; sie unternahm es n ich t, von oben her gleichm ässig für a lle Theile de#<br />

R eichs jene G erichte einzusetzen, die die Bevölkerung sich e rlich m manchen Gegeadea<br />

m it Freude begrüssen, in anderen aber a ls eine E in rich tu n g , deren NothWendigkeit<br />

n ich t einzusehen, nur m it M isstrauen auf ehmen würde. Sie schuf n ich t die Schiedsgerichte<br />

selbst, w ohl aber gab sie die M ög lich keit, sie da in s Leben zu rufen, wo<br />

das Bedürfniss nach ihnen fühlbar wurde, und sie so auszustatten, w ie es die öitUcta<br />

V erh ältn isse erforderten.<br />

D ie näheren Bestimmungen zu treffen, überliess die Gewerbeordnung den Ortsbehörden,<br />

also den Factoren, welche zu einem Gem eindebeschluss Zusammenwirken die<br />

aber in diesem F a lle denselben n ich t fassen durften, ohne zuvor »die b e te ilig te s Gewerbtreibenden“<br />

angehört zu haben, und die ausserdem die B estätigung des Beschlusses<br />

durch die höheren Verw altungsbehörden einholen mussten. (Gew.-Ordn. § 142). Ist<br />

dann in einer Gemeinde ein gew erbliches Schiedsgericht au f diese W eise ins Leb«<br />

gerufen worden, dann übt es diese rich te rlich en Befugnisse an S telle der sonst dz-<br />

') § 108 der deutschen Gewerbeordnung lautet:<br />

Streitigkeiten der selbständigen Gewerbtreibenden mit ihren Gesellen, Gehülfen oder Lehrlingen, S i net<br />

auf den Antritt, dis Fortsetsong oder Aufhebung des Arbeite- oder Lebrrerhiltniues, auf die gegenseitig ■ Labasgen<br />

»ährend der Däner desselben oder auf die Ertheilnng oder den Inbalt der in den §§ 11) and 1)4 mwOatm<br />

Zeugnisse belieben, sind, soweit für diese Angelegenheiten besondere Behörden bestehen, bei d ie s« gar ■MdS'<br />

•lung in bringen.<br />

Insoweit solche besondere Behörden nicht bestehet), erfolgt die Entscheidung durch die G m tM M M t<br />

(•(tim dis Entscheidung der Gemeindebehörde steht den Betheiügten eine Berufung auf den b d s n i<br />

hin neu reliu Tagen prficlosiviscber Frist offen; die Torlfiufige Vollstreckung wird aber hierdurch nicht M iphfea<br />

Durch Ortsstatut (§ 14)) können an Stelle der gegenwirtig hierfür bestimmten Behörden Bchieria| »nrtw<br />

■uit der Entscheidung betraut werden. Dieselben sind durch die Gemeindebehörde onter gleichmütiger b w t n ;<br />

von Arbeitgebern and Arbeitnehmern su bilden.<br />

Di« Bestimmungen dieses § finden nach § 1)6 der deutschen Gewerbeordnung nicht A s s ts d n i mi dt<br />

-~ i Lehrlinge der Apotheken nnd Kaufleute, iogleicben auf die Werkmeister in Fabriken, wähl ater aarh<br />

u Geaetaes auf die Fabrikarbeiter.<br />

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