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Germany Yearbook - 1876 - Prussia_ocr

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Z u m B e rg -, H ü tte n - u n d S alin enw esen in P r e u s s e n .1)<br />

1 . Lage der Bergwerks-Industrie im Allgemeinen.<br />

Hatte die rasch aufsteigende Bewegung der jüngsten Zeit ihren Culminationspunkt<br />

in der ersten Hälfte des Jahres 1873 erreicht, so setzte sich der von da ab<br />

beginnende Rückgang in Industrie, Handel und Verkehr durch das ganze Jahr 1874<br />

fort, zog immer weitere Kreise in Mitleidenschaft und warf seine Schatten bereits tief<br />

in das laufende Jahr hinein, so dass sich kaum mit einiger Sicherheit beurtheilen lässt,<br />

ob die gegenwärtig vereinzelt auftretenden Zeichen einer Besserung auf eine baldige<br />

Beendigung der Krisis hoffen lassen.<br />

Auch in Beziehung auf die Montanindustrie kann das Jahr 1874, namentlich<br />

im Vergleich zu den Vorjahren, als ein befriedigendes nicht bezeichnet werden, wenn<br />

man die Gesammtergebnisse ins Auge fasst und davon absieht, dass einzelne Zweige<br />

des Bergbaues und der Hüttenindustrie unter günstigen Bedingungen fortarbeiten<br />

konnten und einstweilen noch nicht den auf der übrigen Geschäftswelt lastenden Druck<br />

empfanden. Wie anderwärts, so war es auch in Preussen hauptsächlich die Eisenindustrie<br />

und bei dieser wieder namentlich der Hochofen-Betrieb und der Eisenerz-Bergbau,<br />

welchen es trotz Ausdauer und energischer Anstrengungen nicht gelingen wollte, die<br />

nachtheiligen Einwirkungen der allgemeinen Geschäftsstockung von sich fern zu halten.<br />

Und hier trat gerade der Rückschlag um so empfindlicher ein, je aussergewöhnlicher<br />

der Aufschwung und die Erfolge der Eisenindustrie in den vorhergegangenen Jahren<br />

gewesen waren.<br />

Den Ursachen dieser Krisis nachzuforscben, liegt ausserhalb der Aufgabe dieser<br />

Abhandlung. Gewiss ist, dass diesmal wohl mehr, als bei früheren ähnlichen Krisen,<br />

die verschiedensten Vorgänge im politischen, socialen und wirthschaftlichen Leben des<br />

deutschen Volkes und anderer Culturstaaten zusammengetroffen sind, um die Industrie<br />

in ihrem glänzenden Aufschwünge zu hemmen. Allein es dürfte schwierig sein, zu<br />

entscheiden, in welchem Maasse und in welcher besonderen Weise jede einzelne Ursache<br />

zu der Störung des gewerblichen Lebens mitgewirkt hat, und auf welcher Seite<br />

der Schwerpunkt liegt, zumal neben den allgemein eingreifenden Ereignissen nicht<br />

selten auch locale und mehr zufällige Nebenumstände einen merklichen Einfluss auf die<br />

Lage ausgeübt haben.<br />

Dass der Rückgang in vielen Zweigen der heimischen Industrie zunächst und<br />

vorzugsweise durch ein Zusammenwirken von Vorgängen herbeigeführt worden ist,<br />

für welche die Producenten nicht verantwortlich gemacht werden können, unterliegt<br />

keinem Zweifel.<br />

Andererseits ist aber eben so wenig zu verkennen, dass ein Theil der Schuld<br />

an der gegenwärtigen Krisis auf die Industrie selbst zurückfällt, und die bei letzterer<br />

interessirten Kreise durch ihr Verhalten wesentlich zur Verschärfung des beklagensw<br />

erten Zustandes beigetragen haben. Es zeigen sich eben die unausbleiblichen Folgen<br />

der Ueberstürzung, zu welcher die günstigen Conjuncturen der vorhergehenden Jahre<br />

verleitet hatten. Das Begehren, mit Hülfe der Industrie in möglichst kurzer Zeit<br />

Reichthümer zu erwerben, hatte sich der verschiedensten Kreise der Bevölkerung bemächtigt.<br />

Kurzsichtigkeit und Unredlichkeit gingen Hand in Hand, um maasslose<br />

Speculationen und das berüchtigt gewordene Gründerthum zu fördern. In Prospecten<br />

und Statuten wurden dem leichtgläubigen und gewinnsüchtigen Publicum die grossartigsten<br />

industriellen und bergbaulichen Unternehmungen vorgeführt, ohne dass vielfach<br />

nur die Grundlagen für ein bescheidenes Werk vorhanden waren. Mit ausserordentlichen<br />

Summen wurden geringwerthige Bergwerke und Anlagen erworben und<br />

Neuanlagen in grossartigem Maassstabe geschaffen, ohne dass eine nachhaltige Ausnutzung<br />

derselben gesichert war. Es blieben dann auch die gehofften Erfolge aus,<br />

und die Verluste steigerten sich in demselben Maasse, wie die Herstellungskosten<br />

stiegen, die Productenwerthe sanken und der Absatz ins Stocken gerieth. Auch die<br />

älteren Werke hatten unter der Ueberproduction und der vermehrten Concurrenz,<br />

namentlich in Beziehung auf die Arbeiter, erheblich zu leiden, und zudem ging selbst<br />

den soliden Industriellen mitnnter der Sinn für Sparsamkeit und bedächtige Veranstaltungen<br />

im Geschäfte verloren.<br />

Unter solchen Umständen vermochte die Industrie den ihr von aussen entgegentretenden<br />

Schwierigkeiten und Hindernissen nicht lange zu widerstehen, wenn gleich<br />

für eine gewisse Zeit noch ältere Aufträge zu erledigen und manche grosse Firmen<br />

noch in der Lage waren, mit geringem Gewinn oder selbst mit Opfern ihren Betrieb<br />

'} Auszug aus der nach amtlichen Quellen bearbeiteten um! im 23. Rande der Zeitschrift für Berg-, Hüttenund<br />

Salinen wesen im preussischen Staate mitgetheilten Abhandlung: „Die Bergwerks-Industrie und Bergverwaltong<br />

Prenesena im Jahre 1874*.<br />

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