Der Burgbote 2011 (Jahrgang 91)
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»Zillche« vun Kölle...<br />
Von seiner ersten Spielzeit im Ballett berichtet Ralf Strotmann<br />
... hieß es wieder in Februar und März in der<br />
Oper. Das Saallicht verdunkelt sich. Herr<br />
Steiner steht vor dem Orchester. Er hebt den<br />
Dirigentenstab und die Ouvertüre beginnt.<br />
28 Vorstellungen lang begann so unser Divertissementchen<br />
»Die kölsche Witwe«.<br />
Aber nicht nur vor und auf der Bühne gab es<br />
was zu erleben, sondern auch dahinter. Die<br />
Vorstellung hinter der Bühne beginnt für<br />
jeden einzelnen Darsteller am Bühneneingang.<br />
Stets wird man begrüßt von einem<br />
freundlichen Pförtner und schon geht es<br />
Richtung Garderobe. Mal trifft man auf dem<br />
Weg schon jemanden, mal geht man alleine.<br />
<strong>Der</strong> eine geht schnellen Schrittes, weil er<br />
reichlich spät wieder aus dem Büro kommt,<br />
der andere macht einen Umweg über die<br />
Kantine. Wie auch immer, jeder landet letztendlich<br />
da wo er hingehört an seinem Platz.<br />
<strong>Der</strong> Abend beginnt<br />
Jacke ausziehen, seine Chorbrüder begrüßen,<br />
die in unmittelbarer Nähe sitzen und<br />
natürlich auch die hilfsbereiten Menschen<br />
die einen beim An- und Ausziehen helfen.<br />
Dann geht es ab in die Maske. So ein Mist,<br />
schon wieder alle Plätze besetzt ... wieder zurück.<br />
Erst mal ’ne Kleinigkeit essen. Schließlich<br />
bin ich nur kurz zu Hause gewesen, um<br />
die Tasche abzustellen und die Waschmaschine<br />
anzustellen. Smalltalk mit dem Einen<br />
oder Anderen, das Brötchen wird dabei auch<br />
verputzt. <strong>Der</strong> zweite Versuch, in die Maske<br />
zu kommen. Glück gehabt (oder auch nicht,<br />
denn die Maskenbildnerin ist heute mal extrem<br />
langsam. Morgen muss ich mir einen<br />
anderen Platz suchen...) Oh der Inspizient<br />
ruft schon ein: »Erstes Zeitzeichen«. Noch<br />
eine halbe Stunde bis zur heutigen Vorstellung<br />
»Die Kölsche Witwe«.<br />
Noch bleibt Zeit<br />
Macht nichts. Ich hab’ ja noch Zeit. Also<br />
entspannt bleiben. Ich habe einen Sitzplatz<br />
in der Maske. Die Ruhe vor dem Sturm.<br />
Einfach mal die Augen schließen und genießen<br />
– Genießen, oh, das geht heute nicht.<br />
Bei dem einen Chorbruder rechts neben mir<br />
gab es heute wohl was mit Knoblauch.<br />
Leider hat er davon zu viel gegessen (die<br />
arme Maskenbildnerin) und auf dem anderen<br />
Sitzplatz wird sich über irgendeine<br />
komische Krankheit unterhalten ... ich muss<br />
hier raus! Mist, geht nicht. Nun gut, lasse<br />
ich das Ganze über mich ergehen. Nur noch<br />
die Perücke auf den Kopf setzen und dann<br />
nur noch fest ... Aua ... feststecken. Ja, ich<br />
weiß, das war heute eine Ausnahme, und ich<br />
bin erlöst. Zurück wieder zur Garderobe.<br />
Erst mal auf den Schock einen Sekt trinken.<br />
Jetzt die Strumpfhose anziehen ... gibt es da<br />
eine Technik für? – Ja, mittlerweile hab ich<br />
das auch gelernt. (Trotzdem gut, dass ich<br />
keine Frau bin.) »Das Orchester bitte im Orchestergraben<br />
Platz nehmen. Das Orchester<br />
bitte im Orchestergraben Platz nehmen.<br />
Herr Steiner bitte. Herr Steiner bitte.«<br />
Scheint ja gleich los zu gehen. So mach’ ich<br />
mich mal auf zu meinem Kostüm. Schön,<br />
dass mir dabei geholfen wird. Ohne Hilfe<br />
hätte ich die ganzen Haken und Ösen auf<br />
dem Rücken eh nicht schließen können.<br />
»Die Ouvertüre läuft. Die Ouvertüre läuft.«<br />
Ah, da ist ja auch der Letzte, der gefehlt hat.<br />
Jetzt aber mal schnell! In der Zwischenzeit<br />
trudeln fleißig Gäste bei uns ein. Ein paar<br />
Sänger, die im Zuschauerraum für neue<br />
Mitglieder geworben haben, sind vorbeigekommen.<br />
»Die kölsche Witwe«<br />
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