Der Burgbote 2011 (Jahrgang 91)
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Eine Chorschule bestand 1943 nicht – sie<br />
war 1933 geschlossen worden. Erst Wilhelm<br />
Pitz rief sie nach dem Krieg wieder ins<br />
Leben. Die Leitung übernahm Oswald Gilles,<br />
der seit 1958 Dirigent des KMGV war.<br />
Vielleicht ist in diesem Zusammenhang ein<br />
Vergleich der heutigen Situation mit der<br />
ersten Chorschule unter Prof. Richard<br />
Trunk interessant: Nach Werbung in der<br />
Tagespresse hatten sich rund 300 Interessenten<br />
angemeldet, von denen nach einem<br />
langen Ausleseverfahren 40 Aspiranten in<br />
die Chorschule aufgenommen wurden.<br />
Nach einem Jahr bestanden 24 die Aufnahmeprüfung<br />
und wurden endgültig in den<br />
Verein aufgenommen. Aus Archivunterlagen<br />
geht hervor, dass bei den hohen Ansprüchen<br />
des Prüfungsgremiums die Auslese hart war,<br />
zumal neben der musikalischen Qualifikation<br />
auch die gesellschaftliche Eignung mit<br />
den gegebenen Richtlinien des Vereins in<br />
Einklang stehen musste. Hierzu möchte ich<br />
meine Erfahrung anführen, dass es auch in<br />
meiner Anfangszeit lange dauerte, bis vor<br />
allem die älteren Sänger des Chores sich von<br />
der »Vollwertigkeit und Gleichberechtigung«<br />
eines neu aufgenommenen Sängers überzeugen<br />
ließen. Ich erinnere mich noch sehr<br />
genau an die kühlen und abwertenden Blicke<br />
einzelner Sänger der vorderen Reihen als Prof.<br />
Papst mich in einer Stellprobe im Funkhaus<br />
nach vorne holte, obwohl ich kurz nach<br />
Kriegsende noch keinen eignen Frack besaß<br />
und es gewagt hatte, im Gehrock meines<br />
Vaters (sonst korrekt gekleidet) auf dem<br />
Podium zu erscheinen. Dem Chorleiter ging<br />
es mehr um die inzwischen brauchbare<br />
Stimme und ein junges Gesicht da vorne.<br />
Wie lief die Aufnahmeprüfung ab?<br />
Die Aufnahmeprüfung für mich als Einzelbewerber<br />
führte Prof. Papst im Beisein der<br />
zuständigen Herren vor dem zur Probe versammelten<br />
Chor (ca. 240 Sänger) in der damals<br />
als Probenraum dienenden Mensa der<br />
Universität durch. Mein Lampenfieber und<br />
die Angst durchzufallen, waren groß. Mein<br />
Vater hatte mich aber entsprechend vorbereitet<br />
und es ging alles gut: Töne nachsingen,<br />
Intervalle erkennen, usw. Schließlich<br />
sagte der Professor: »Musikalisch sind Sie<br />
ja. Im Orchester spielen Sie Cello. Aber Ihre<br />
Stimme habe ich noch nicht gehört.« Mir<br />
rutschte das Herz in die Hose und ich gab<br />
in der Folge mein Bestes. <strong>Der</strong> Professor urteilte<br />
schließlich: »Das war ja ein bisschen<br />
dünn, aber das Singen im Chor werden wir<br />
Ihnen schon beibringen.« Und das scheint<br />
je geklappt zu haben, wie die 68 Jahre meiner<br />
Mitgliedschaft im Verein zeigen.<br />
Warst Du von Anfang an im 2. Tenor?<br />
Ich wurde bei meinem Eintritt sofort dem 2.<br />
Tenor zugeteilt und sang neben meinem<br />
Vater. Dazu gesellte sich später noch mein<br />
älterer Bruder.<br />
Wurde auch damals schon Donnerstagabend<br />
geprobt? Wie liefen damals die Proben ab?<br />
Waren auch seinerzeit die Dirigenten so streng?<br />
<strong>Der</strong> Donnerstagabend ist seit eh und je der<br />
Hauptprobentermin des KMGV. Regelmäßiges<br />
Einsingen allerdings gab es nur vor<br />
Konzerten, nicht vor der Probe. Erst in den<br />
letzten Jahren wurde es ständige Übung,<br />
nicht ohne den zähen Widerstand Einzelner.<br />
Inzwischen ist das Einsingen in allen<br />
anspruchsvollen Chören eine Selbstverständlichkeit.<br />
Sonderproben fanden auch<br />
damals statt, da die Zeit zum Einstudieren<br />
wegen der vielen Verpflichtungen des Vereins<br />
sehr eingeschränkt war. Oft fand die<br />
Generalprobe erst am Konzerttag statt, vor<br />
allem, wenn Orchester und Solisten mitwirkten.<br />
<strong>Der</strong> Probenablauf hat sich in den letzten 70<br />
Jahren bis auf das Einsingen nicht geändert.<br />
Es dauert aber sehr lange, bis alle Sänger<br />
diese meiner Meinung nach unverzichtbare<br />
Vorbereitung jeder Probe akzeptierten. »Dat