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Der Burgbote 2011 (Jahrgang 91)

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Illusionen schneidern<br />

Bis zu 80 Stunden Arbeit stecken in einem<br />

Herrenanzug, daher wird bei Sakkos und<br />

historischen Gehröcken gern auf Leihgaben<br />

des Opernfundus zurückgegriffen. Damenkostüme<br />

sind schneller zu nähen. 10 Stunden<br />

brauchen die Näherinnen für ein Kleid<br />

– und ein ganz feines Gespür für Proportionen:<br />

Denn »wir schneidern ja Kleider für<br />

Männer – mit einem ganz anderen Körperbau<br />

und vor allem ohne Brüste«, weist<br />

Ulrike Zimmermann-Mattar auf die Zillchetypische<br />

Besonderheit der Kostüme hin.<br />

Die Zeiten selbst gebastelter Oberweiten-<br />

Attrappen wünscht sich die Kostümbildnerin<br />

indes nicht zurück: »Das sah schon<br />

schrecklich unnatürlich aus!«<br />

Viel Zeit benötigt auch das Heraussuchen von<br />

Hemden, Krawatten, Hüten, Taschen, Schals<br />

und Handschuhen – all jenen Accessoires, die<br />

aus Kleid oder Anzug erst ein Kostüm machen.<br />

Doch was ein perfektes Bühnenoutfit<br />

noch benötigt, kann man mit Nadel und<br />

Faden nicht hinzufügen: »Erst der Darsteller<br />

macht das Kostüm komplett. Er muss es nicht<br />

nur anziehen, sondern mit Leben füllen«, weiß<br />

Ulrike Zimmermann-Mattar.<br />

Die Kostüme der zurückliegenden Inszenierungen<br />

lagern im Keller eines nüchternen,<br />

zweigeschossigen Funktionsbaus in<br />

der Stolberger Straße, den die Kölner<br />

Bühnen für Orchesterproben nutzen. Hier<br />

türmen sich auf 100 qm unzählige Kleidungsstücke:<br />

Biedermeierkleider, schwarzgelb<br />

gesteifte Tüll-Tutus, Bomberjacken,<br />

Paillettenkleider und Lederhosen hängen<br />

dicht gedrängt an meterlangen Kleiderstangen<br />

in zwei Reihen übereinander. In Regalen<br />

entlang der Wand des fensterlosen<br />

Raums warten Tirolerhüte, Bauhelme,<br />

Papierblumen und Plastikfrüchte darauf,<br />

neuen Kostümen den letzten Pfiff zu geben.<br />

Hier werden alle Kostüme aufbewahrt, die<br />

die 28 Vorstellungen einer Spielzeit überstehen.<br />

»Bis 1996 gab es meistens pro<br />

Akteur nur ein Kostüm – entweder ein Kleid<br />

oder einen Anzug«, erklärt Ulrike Zimmermann-Mattar.<br />

Seitdem sorgt Judith Peter<br />

mit ihren Kostümen für mehr Abwechslung<br />

auf der Bühne.<br />

Kostüme suchen ein Zuhause<br />

Mitte des kommenden Jahres wird im Zuge<br />

der Opernsanierung auch das Haus in der<br />

Stolberger Straße umgebaut. Bis dahin<br />

muss die Cäcilia Wolkenburg ihr Kostümlager<br />

räumen und ein Ausweichquartier finden:<br />

»Am besten ebenerdig«, sagt Präsident<br />

Gerd Schwieren, der um die Schwierigkeiten<br />

beim Kostüm-Transport weiß. <strong>Der</strong>zeit<br />

müssen alle Kostüme mit einem provisorischen<br />

Seilzug aus dem Lager im Keller in<br />

die Schneiderei im Obergeschoss gehievt<br />

werden. Nach der Anprobe erschwert das<br />

Nadelöhr »Treppenauge« den Abtransport<br />

der prall mit Kostümen gefüllten Garderobenständer<br />

ins Opernhaus erneut.<br />

Eine »Dschungel-Modenschau« im aktuellen<br />

Divertissementchen »Kölner Jungfrau,<br />

dringend gesucht« bietet den Kostümdesignerinnen<br />

die Möglichkeit, aus dem<br />

Vollen zu schöpfen! Weit ausladende Reifröcke<br />

voller Seerosen, Schlingpflanzen und<br />

Blumen werden von den Herren des Balletts<br />

in der Kulisse der Flora präsentiert. »Alte<br />

Badekappen schmücken nun ein Sommerblumen-Kleid«,<br />

beschreibt Ulrike Zimmermann-Mattar<br />

die Entstehung der Haute-<br />

Couture-Kostüme: »Für ein anders haben<br />

wir einen Tag lang grüne Blüten aus Krepppapier<br />

gebastelt. Dabei haben sogar Judiths<br />

Kinder geholfen.« Von ihr sind auch die<br />

aufwendigen Hut-Kreationen der Zillche-<br />

Models. Und wie auf jedem Pariser Laufsteg<br />

bildet auch in der Cäcilia-Version ein<br />

Brautkleid den Höhepunkt der Modenschau:<br />

Auf den bedeutungsschwangeren<br />

Schleier haben die Kostümbildnerinnen<br />

allerdings verzichtet.<br />

BW<br />

KMGV Divertissementchen<br />

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