Berliner Zeitung 19.10.2018
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10 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 244 · F reitag, 19. Oktober 2018<br />
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Berlin<br />
HANS CHRISTIAN SCHINK<br />
WERNER HUTHMACHER<br />
Bequem im Beton (Preis 1)<br />
Schwungvoll wie in Schweden (Preis 2)<br />
Reihenhäuser werden nicht die Wohnungsfrage lösen,<br />
dazu verbrauchen sie zu viel Platz und sind zu teuer.<br />
Immerhin, beim Projekt „Elf Freunde“ wirddie Hauptfläche<br />
an den gemeinsamen Vorgarten hinter einem<br />
hohen Zaun vergeben. Klaresoziale Grenzziehung. Die<br />
Architektur ist straff und modisch graubraun gehalten,<br />
großartig sind die offenen Grundrisse. Umdie Sitznischen<br />
in den Treppenläufen kann man die Bewohner<br />
nur beneiden. Vicki-Baum-Straße 28-40, Rummelsburg.<br />
Architekten: AFF architekten GmbH<br />
So offen auf den ersten Blick die „Botschaft für Kinder“<br />
erscheint, so viel Intimität und Sicherheit vermittelt sie<br />
doch auch.Viel Licht, Luft, Sonne,Raum zum Debattieren,<br />
aber auch für Rückzug. Ein tolles Haus, unsentimental,<br />
großstädtisch, das ständig seine Fassaden ändern<br />
kann. Das bisher mit dem Total-Turm und der<br />
50 Hertz-Verwaltung architektonisch Interessanteste,<br />
was in der näheren Umgebung des Hauptbahnhofs<br />
entstand. Lehrter Straße 66, 10557 Berlin. Architekten:<br />
Ludloff Ludloff Architekten BDA.<br />
Terrassen und Treppen (Preis 3)<br />
JASMIN SCHULLER<br />
Das Grundstück galt als unbebaubar,<br />
entstanden ist ein Musterbeispiel<br />
für das, was in solchen<br />
Situationen mit Kreativität<br />
und Durchhaltevermögen doch<br />
möglich ist. Wohnungen der unterschiedlichsten<br />
Größen und<br />
Zuschnitte, ein offenes Treppenhaus<br />
und Loggiengang als Treffpunkt<br />
der Bewohner, Dachterrassen<br />
und breite Balkone. Gebaut<br />
mit Materialien, die zum<br />
Teil dem Industriebereich entnommen<br />
sind. Eckertstraße 1,<br />
10249 Berlin. Architekten:<br />
orange architekten<br />
BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />
Hingucker in der Heidestraße (Publikumspreis)<br />
In der künftigen Europa-City<br />
sind bisher nur das Total-Hochhaus<br />
und das Gebäude des Energiekonzerns<br />
50 Hertz (Foto) interessant.<br />
Die österreichischen<br />
Architekten wagen etwas. Ein<br />
Sockelbau mit sechs Geschossen,<br />
darauf sieben Geschosse<br />
Turm. Die Mitarbeiter haben bis<br />
ins Detail bei der Gestaltung mitentworfen,<br />
es gibt Rückzug und<br />
Freiluftaustritte mit grandiosem<br />
Blick über die Stadt –und auf die<br />
spektakuläre Außenkonstruktion.<br />
Heidestr. 2,Mitte. Architekten:<br />
Love ArchitectureGraz<br />
Wohnungsbau und die<br />
Zukunft des Arbeitens<br />
in der digital organisierten<br />
Welt sind die<br />
Bau-Themen unserer Zeit schlechthin.<br />
Wie sie bewältigt werden, das<br />
entscheidet nicht nur über das<br />
Wohlbefinden der Bevölkerung, sondern<br />
auch über die Wege der Politik:<br />
Bei den jüngsten Wahlen in Bayern<br />
etwa waren diese Fragen mit der<br />
Umwelt- und der Bildungsfrage für<br />
die Entscheidung der meisten Bürger<br />
weit wichtiger als selbst die von<br />
rechten und inzwischen auch linken<br />
Populisten hochgejazzte Einwanderungs-<br />
und Flüchtlingsfrage.<br />
Auch in den Beiträgen zum Wettbewerb<br />
vom Bund Deutscher Architekten<br />
für den BDA Preis Berlin 2018,<br />
der jetzt entschieden ist, dominierten<br />
Wohn- und Arbeitsbauten. Am<br />
Donnerstagabend wurden die aus<br />
93 eingereichten Arbeiten herausgefilterten<br />
drei Preise, fünf Auszeichnungen<br />
und der Publikumspreis in<br />
der Peter-Behrens-Halle imWedding<br />
übergeben.<br />
Elmar Jehn, Mitglied der Chefredaktion<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>, überreichte<br />
den Publikumspreis. Ausgeschrieben<br />
wird der BDA-Preis von<br />
der <strong>Berliner</strong> Sektion des Bundes<br />
Deutscher Architekten. In den BDA<br />
dürfen Architekten und Architektinnen<br />
nur auf Fürsprache vonKollegen<br />
und –wenigstens in der Theorie –<br />
nur aufgrund ihrer künstlerischen<br />
Leistungen aufgenommen werden,<br />
also nicht etwa wegen des Bauvolumens.<br />
Alle drei Jahre wird der Preis<br />
vergeben.<br />
Das Spektrum der in diesem Jahr<br />
ausgezeichneten Arbeiten beginnt<br />
beim Sozialbau für die SOS-Kinderdörfer,der<br />
mit seiner schlanken und<br />
Vorbild für den<br />
Wohnungsbau<br />
Der Bund der Architekten zeichnet die besten<br />
Entwürfe des Jahres 2018 aus.<br />
Die <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> überreicht den Leserpreis<br />
VonNikolaus Bernau<br />
beweglichen Fassade ganz und gar<br />
nicht dörflich erscheint, und dem<br />
vomPublikum ausgezeichneten Bürogebäude<br />
für den Energiekonzern<br />
Hertz 50, der nicht nur durch seine<br />
dramatische Außenkonstruktion,<br />
sondernauch mit der vonden Mitarbeitern<br />
mitgeplanten Bürolandschaft<br />
überzeugte.<br />
Erwartbar waren Auszeichnungen<br />
für die viel debattierten Projekte<br />
Radikalumbau der Staatsoper Unter<br />
den Linden und Rettung der St. Agnes-Kirche<br />
in Kreuzberg, die vonder<br />
Katholischen Kirche zum Abriss vorgesehen<br />
war und nun international<br />
als Kunstgalerie reüssiert.<br />
Es gibt aber auch ganz bürgerliche<br />
Reihenhäuser unter den Preisträgern,<br />
ein Mietshaus, das ästhetisch<br />
sichtbar den Anschluss an die<br />
Siedlungstradition Berlins aus den<br />
1920er-Jahren versucht, und einen<br />
sensationellen Geschosswohnungsbau<br />
in Friedrichshain.<br />
Vorallem angesichts dieses Projektes<br />
fragt man sich, warum der<br />
vom Senat und den Wohnungsbaugesellschaften<br />
derzeit mit Vehemenz<br />
vorangetriebene Massenwohnungsbau<br />
oft so wenig inspiriert wirkt, gerade<br />
in städtebaulicher, architektonischer<br />
oder konstruktiver Hinsicht.<br />
Wie im Schulneubau wird viel zu<br />
sehr den etablierten Modellen vertraut.<br />
Aber Berlin kann mehr, auch im<br />
preiswerten Bauen, das zeigt dieser<br />
Wettbewerb genauso wie die jährliche<br />
Leistungsschau der Architektenkammer.<br />
Politik, Verwaltung, Investoren<br />
und die Bürger müssten nur<br />
den Mut haben, sich der vorhandenen<br />
Entwurfskompetenz der Architekten<br />
und Architektinnen auch zu<br />
bedienen.<br />
ANDREW ALBERTS ANDREW ALBERTS MARCUS EBENER CHRISTOPH RIKOTTA MICHAEL REISCH<br />
Weitere Auszeichnungen<br />
Spektakulär: Der Umbau von<br />
St. Agnes zur Kunstgalerie ist<br />
mustergültig.Die Katholische<br />
Kirche wollte dieses Raumwunder<br />
abreißen lassen. Wie<br />
gut, dass es Kunstfreunde<br />
gibt. Alexandrinenstr.118,<br />
10969 Berlin. Architekten:<br />
Hans Düttmann 1968, Brandlhuber+<br />
Emde, Burlon/riegler<br />
riewe architekten.<br />
Witzig: Das immer neue Zusammenfügen<br />
vonDetails wie<br />
Bädern, Küchen, Räumen und<br />
Treppenhäusernfür dieses<br />
Wohnhaus macht Spaß. Eine<br />
ganz andere Methode als in<br />
der nahen Schillerpark-Siedlung,aber<br />
vergleichbar wohnlich.<br />
Schwyzer Str.1,13349<br />
Berlin. Architekten: Bruno Fioretti<br />
Marquez Architekten<br />
Teuer: Die hohen Kosten der<br />
Staatsoper sind skandalös –<br />
erstaunlich ist, dass die Jury<br />
sie nicht mal erwähnt. Und ob<br />
ihr Radikalumbau denkmalgerecht<br />
ist, ist umstritten. Kaum<br />
aber,das seine großartige, in<br />
Rokokoromantik schwelgende<br />
Festarchitektur entstand. Unter<br />
den Linden 7, Mitte. Architekten:<br />
HG Merz Architekten.<br />
Dicht: Hier geht’szuwie in der<br />
Kaiserzeit: fünf Etagen im Hinterhof,<br />
vier Wohnungen pro<br />
Absatz. Terrassen gliederndie<br />
Rückfassade, die Grundrissvielfalt<br />
hat zwar nichts mit der<br />
<strong>Berliner</strong> Mietshaustradition zu<br />
tun, macht aber Freude. Niederbarnimstr.9,12274<br />
Berlin.<br />
Architekten: Trutz von<br />
Stuckrad Penner Architekten<br />
Großartig: Man sieht dem<br />
„Integrativen Bauprojekt“ die<br />
niederländische Schulung an.<br />
Wohnen und Arbeiten werden<br />
zusammengeführt, ohne in<br />
alte Zeiten zu verfallen. Architektur<br />
des neuen Berlin. Lindenstr.90/91,<br />
10969 Berlin.<br />
Architekten: ARGE ifau,<br />
Heide &von Beckerath