Berliner Zeitung 19.10.2018
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 244 · F reitag, 19. Oktober 2018 13 *<br />
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Berlin<br />
Familie 1605<br />
Namen an Klingelschildern könnten gegen den Datenschutz verstoßen. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften reden das Problem klein<br />
VonMikeWilms<br />
An fast allen <strong>Berliner</strong> Mietshäusern<br />
hängen Klingelbretter<br />
mit den Namen der<br />
Bewohner. Dabei könnte<br />
das gegen die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung<br />
(DSGVO) verstoßen. Als erster Eigentümerverband<br />
rät Haus &Grund seinen<br />
bundesweit 900 000 Mitgliedern,<br />
alle Namensschilder zu entfernen.<br />
Nurauf dieseWeise könnten die<br />
Eigentümer sicher sein, keine Bußgelder<br />
zu riskieren, wenn etwa ein<br />
Mieter auf Grundlage der neuen Verordnung<br />
klagen würde. Das sagte<br />
Verbandschef Kai Warnecke am<br />
Donnerstag in Berlin.<br />
Dasneue,ja, Problem der Klingelschilder<br />
beschäftigt inzwischen<br />
zahlreiche Interessenvertreter, Vermieter<br />
und Behörden der Stadt. Anlass<br />
der Debatte ist ein Präzedenzfall<br />
aus Österreich: In Wien werden die<br />
Namen von220 000 Mieternauf den<br />
Klingelschildern getilgt. Ein Bewohner<br />
hatte sich über mangelnden Datenschutz<br />
beschwert–und dabei auf<br />
die DSGVO verwiesen. Die öffentliche<br />
Hausverwaltung Wiener Wohnen<br />
erhielt von der Datenschutzabteilung<br />
der Stadtverwaltung die Einschätzung,<br />
dass die dortübliche Verbindung<br />
Name/Wohnungsnummer<br />
auf den Schilderngegen den EU-Datenschutz<br />
verstoßen könnte. Vorbeugend<br />
sollten deshalb nur Nummernauf<br />
den Schildernstehen.<br />
Nur Nummernstatt Namen: Das Klingelbrett eines Hochhauses in der Prendener Straße in Lichtenberg ist bereits anonymisiert.<br />
Auch in Berlin wurde der Wiener<br />
Vorgang aufmerksam beobachtet.<br />
Allein die sechs hiesigen landeseigenen<br />
Wohnungsbaugesellschaften<br />
müssten Klingelschilder von mehr<br />
als 300 000 Wohnungen umrüsten.<br />
Bei der Gewobag hieß es am Donnerstag<br />
zunächst, dass sich der Verband<br />
Berlin-Brandenburgischer<br />
Wohnungsunternehmen (BBU) mit<br />
der Frage befasse und eine gemeinsame<br />
Stellungnahme aller landeseigenen<br />
Vermieter vorbereite. BBU-<br />
Vorstand Maren Kern erklärte daraufhin,<br />
dass Mieter freie Hand hätten,<br />
über die Nutzung ihres Namens<br />
zu entscheiden. „Wenn jemand seinen<br />
Namen nicht an der Tür sehen<br />
will, kann er ihn entfernen lassen.“<br />
Sie verwies aber auch auf „die unpraktikablen<br />
Folgen für Besuche,<br />
nachbarschaftliches Zusammenleben,<br />
Erreichbarkeit für Rettungsdienste<br />
oder die Zustellung der<br />
Post“. Dies seien nur einige der<br />
Schwierigkeiten, die ein Verzicht auf<br />
ein Namensschild mit sich bringe.<br />
Die privaten Wohnungsgesellschaften<br />
Vonovia und Deutsche<br />
Wohnen, größterVermieter in Berlin,<br />
haben nach eigener Auskunft vorerst<br />
ebenfalls keine Pläne, Klingelschilder<br />
pauschal abzumontieren.<br />
IMAGO/JOCHEN TACK<br />
Es ist nämlich durchaus umstritten,<br />
ob die Wiener Wohnen und die<br />
städtischen Datenschützer die<br />
DSGVO richtig ausgelegt und angewandt<br />
haben. Kai Warnecke, Präsident<br />
der Haus &Grund, sagt: Ja, die<br />
rechtliche Einschätzung aus Österreich<br />
sei nicht von der Hand zu weisen.<br />
Schon fordert erdie Bundesregierung<br />
auf, für eine endgültige Klärung<br />
zu sorgen –und „dieses Datenschutz-Chaos<br />
zu beenden“.<br />
Warnecke fürchtet, dass die Vermieter<br />
in Deutschland bald die Türschilder<br />
aller bundesweit 20 Millionen<br />
Wohnungen umrüsten müssen. Dies<br />
könne 200 Millionen Euro kosten –<br />
Zuwiderhandlung könnten zu Bußgeldern<br />
in Millionenhöhe führen.<br />
Deshalb hofft Warnecke, dass sich<br />
eine politische Lösung finden lasse,<br />
sodass „Namen an Klingelschildern<br />
und Briefkästen weiterhin genannt<br />
werden dürfen“.<br />
Die <strong>Berliner</strong> Beteiligten wollen<br />
sich gar nicht darauf einlassen. Die<br />
DSGVO sei auf Mieterbeschwerden<br />
über Klingelschilder nicht anwendbar,<br />
sondern gelte nur für automatisierte<br />
Datenerfassung, sagte die <strong>Berliner</strong><br />
Datenschutzbeauftragte Jana<br />
Schönefeld. Ihr Standpunkt wird<br />
beim Wohnungsverband BBU geteilt.<br />
Schönefeld rät Hauseigentümern,<br />
ihren Mieternbei Neuvermietung<br />
eine Wahlmöglichkeit zu bieten.<br />
Im Streitfall könne man sich an<br />
ihreBehörde wenden. Aber pauschal<br />
alle Schilder vonAlt-Mieternzuentfernen,<br />
sei jedenfalls „wirtschaftlicher<br />
Wahnsinn“.<br />
Vor einer überspitzten Debatte<br />
warnt der Netz-Politiker und Bundestagsabgeordnete<br />
Konstantin von<br />
Notz (Grüne). Er wirft dem Eigentümerverband<br />
Haus &Grund vor, „die<br />
Menschen mit Absurditäten zu verunsichern<br />
und substanzlos gegen<br />
die neue EU-Datenschutzgrundverordnung<br />
zu wettern“.<br />
Viel Rummel um die Bucht<br />
am Ostkreuz<br />
Demonstration gegen ein Aquarium und Luxuswohnungen<br />
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Ausgerechnet am giftigsten Gewässer<br />
der Stadt soll ein Aquarium<br />
entstehen. Am Lichtenberger<br />
Ufer des Rummelsburger Sees plant<br />
der israelische Biologe und Milliardär<br />
Benjamin Kahn für 40 Millionen<br />
einen Wasserpark, auch ein Hotel<br />
und Luxuswohnungen sollen gebaut<br />
werden. Schon länger sind die Pläne<br />
bekannt. Doch jetzt, wo der „Bebauungsplan<br />
Ostkreuz“ in der BVVLichtenberg<br />
festgesetzt werden soll, regt<br />
sich erneut Protest.<br />
Über 1600 Menschen haben auf<br />
Facebook ihr Kommen zu einer Demonstration<br />
gegen die Baupläne angekündigt,<br />
ihreForderung:„Stadtnatur,Schulplätze,<br />
Kultur,Soziales statt<br />
noch mehr Beton und Touristen an<br />
der Rummelsburger Bucht!“<br />
Tatsächlich soll mit dem Aquarium<br />
„Coral World“ ein neuer Touristenmagnet<br />
in Lichtenberg entstehen.<br />
Der chronisch klamme Bezirk<br />
dürfte es außerdem begrüßen, dass<br />
der Investor zugesagt hat, auch einen<br />
öffentlichen Wasserpark zu<br />
bauen und zu unterhalten.<br />
Bedroht wäre mit dem Prestige-<br />
Projekt auf einem Grundstück, welches<br />
noch vomschwarz-roten Senat<br />
für nur 20 Millionen Euro veräußert<br />
wurde, allerdings ein letztes Stück<br />
Freiheit am Rummelsburger See.<br />
Heute dümpeln dort selbst gebaute<br />
Hausflosse auf demWasser,im<br />
Biergarten „Rummels Bucht“ an der<br />
Kynaststraße geht es lässig zu. Es gibt<br />
einen Anglerverein, einen Kanuverleih,<br />
im Sommer campierten viele<br />
Obdachlose hier am Ufer des stark<br />
mit Schwermetallen aus der Industrie<br />
belasteten Gewässers.<br />
Doch nicht nur die nahe gelegenen<br />
Clubs fürchten die Aufwertung<br />
des Gebiets nahe des Ostkreuzes<br />
durch Luxuswohnungen, längst<br />
nicht alle Kritik kommt aus der linksalternativen<br />
Ecke.<br />
Denn der „Bebauungsplan Ostkreuz“<br />
sieht zwar Wohnungen, aber<br />
keine neue Schule vor. Dabei boomt<br />
Rummelsburg vor allem bei Familien<br />
mit Kindern. Über 3000 Schulplätzefehlen<br />
schon jetzt.<br />
Als vor einem Jahr der Vertrag<br />
zum Wasserpark unterzeichnet<br />
wurde, sagte Bezirksstadträtin Birgit<br />
Monteiro: „Schon seit 25 Jahren wird<br />
der zugehörige Bebauungsplan bearbeitet.<br />
Viele Köche waren und sind<br />
mit am Werk, und ihre Interessen<br />
mussten miteinander vereint werden:<br />
Grundstückseigentümer, Anwohner,Investoren<br />
und die bezirklichen<br />
Akteure.“ Parallel dazu habe<br />
sich über die Jahre das Wohngebiet<br />
am Rummelsburger Ufer stetig vergrößert<br />
und damit auch neue Bedarfe<br />
geschaffen, die berücksichtigt<br />
werden mussten. Die Bucht sei ein<br />
Erfolg und Aushängeschild für ganz<br />
Lichtenberg geworden. Die Fertigstellung<br />
des Wasserparks werdedem<br />
die Krone aufsetzen. Klingt, als<br />
bräuchte es mehr als eine Demonstration,<br />
um dieses Vorhaben noch zu<br />
verhindern.<br />
Ostkreuz<br />
geplanter Wasserpark<br />
mit Aquarium<br />
STRALAU<br />
Puschkinallee<br />
Puschkinallee<br />
ALT-<br />
TREPTOW<br />
Rummelsburger<br />
See<br />
Alt-Stralau<br />
Alt-Stralau<br />
Spree<br />
Rummelsburg<br />
Hauptstr.<br />
Hauptstr.<br />
RUMMELS-<br />
BURG<br />
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