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Berliner Zeitung 19.10.2018

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ZEIT FÜR WEIN<br />

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NUMMER 244 •19. OKTOBER 2018 SEITE 15<br />

OHNE VIEL PFLANZENSCHUTZ KÖNNTE IN DEUTSCHLAND KEIN WEIN PRODUZIERT WERDEN –ZÜCHTER UND WINZER SUCHEN NACH ALTERNATIVEN<br />

Sietrotzen Klimawandel und Mehltau: pilzwiderstandsfähige Rebsorten<br />

Geht es dem Riesling bald wie dem<br />

Diesel? Einst in Deutschland gemocht<br />

und verehrt, gepflegt und<br />

geliebt –und nun in Ungnade gefallen.<br />

Und das alles nur wegen der Umwelt,<br />

wegen des Klimawandels. Freilich, ein<br />

wenig hinkt der Vergleich, weil die mit<br />

Diesel und Benzin gefütterten Verbrennungsmotoren<br />

eher Ursache und die<br />

Riesling trinkenden Weinfreunde eher<br />

Opfer des Klimawandels sind. Aber beide<br />

trifft es hart.<br />

„Der Klimawandel wird uns zum<br />

Sortenwandel zwingen – das ist keine<br />

Frage“, sagt Professor Reinhard Töpfer,<br />

Leiter des Instituts für Rebenzüchtung<br />

im Geilweilerhof in Sieberdingen, das<br />

zum Julius Kühn Institut, dem Bundesforschungsinstitut<br />

für Kulturpflanzen,<br />

gehört. „Vor 33 Jahren hatten wir im<br />

Schnitt 25 Gramm Säure pro Liter Riesling,<br />

heute sind wir bei 11,2 Gramm<br />

weniger.“ Und wenn man weiß, dass<br />

die knackige Säure zum Riesling gehört<br />

wie die Hopfennote zum Bier,dann kann<br />

man erahnen, was das bedeutet. Schuld<br />

daran ist der Sonnenschein, das immer<br />

wärmere Wetter. Die ersten Winzer reagieren<br />

bereits darauf, mit zum Teil drastischen<br />

Maßnahmen: „Wir haben nun<br />

zwei Hektar unserer Riesling-Weinberge<br />

auf dem Kaiserstuhl gerodet –eswar<br />

einfach nicht mehr die gewünschte Qualität<br />

zu erzielen“, erklärt Rolf Steiner,der<br />

Leiter des Staatlichen Weinbauinstituts<br />

Freiburg und gleichzeitig auch Chef des<br />

renommierten Staatsweinguts Freiburg.<br />

Auf den frei werdenden Flächen wird nun<br />

unter anderem Chardonnay und Grauburgunder<br />

angepflanzt, Sorten, die die<br />

Sonne eher vertragen – und vielleicht<br />

auch Muscaris. Das ist eine Rebe, die<br />

kaum jemand kennt. „Und deren Wein<br />

deshalb auch kaum jemand im Regal<br />

kaufen würde“, sagt Paulin Köpfer, Betriebsleiter<br />

im bio-dynamischen Weingut<br />

Zähringer in Heitersheim. Auf seinen<br />

Weinbergen stehen gut zehn Prozent<br />

Sorten, die üblicherweise nicht mal ein<br />

geübter Weintrinker kennt, geschweige<br />

denn schon mal gekostet hat. Meist<br />

verschwinden diese Trauben, die Solaris,<br />

Souvignier Gris, Johanniter oder Monarch,<br />

Cabernet Cordis oder Prior heißen<br />

in Cuveés, in Weinen mit Fantasienamen<br />

oder werden zu Sekt verarbeitet.<br />

Aber diesen unbekannten Sorten<br />

könnte die Zukunft gehören. Nicht nur,<br />

aber auch wegen des Klimawandels.<br />

Der Riesling wird nicht verschwinden,<br />

das hofft auch Professor Töpfer, der<br />

meint, man müsse ihn künftig eben eher<br />

in kälteren, nördlicher gelegenen Lagen<br />

anbauen. Aber er wird Konkurrenz bekommen.<br />

„Der Sortenspiegel wird sich<br />

nachhaltig verändern.“<br />

Die Folgen der Reblaus<br />

Um zu verstehen, warum das so ist,<br />

lohnt sich ein Blick zurück: In der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die<br />

Reblaus aus den USA nach Europa eingeschleppt.<br />

Das hatte für den Weinbau<br />

verheerende Folgen. Die europäischen<br />

Reben konnten dem Schädling nicht trotzen.<br />

„In Deutschland wurden damals gut<br />

zwei Drittel der Reben zerstört“, sagt Volker<br />

Freytag, der mit seiner Rebschule in<br />

Neustadt an der Weinstraße sozusagen<br />

noch heute davon lebt. Denn seit der<br />

Reblauskatastrophe von damals wachsen<br />

so gut wie alle deutschen Weine<br />

an Rebstöcken, deren unterer Teil aus<br />

amerikanischer Wildrebe besteht. Diese<br />

ist gegen die Reblaus resistent. Diese<br />

Rebe wird dann –inRebschulen –mit<br />

Rolf Steiner, Chef des Staatlichen Weinbauinstituts inFreiburg, züchtet Jahr für Jahr neue<br />

Reben, die pilzwiderstandsfähiger sind. Eine mühsame Aufgabe.<br />

ERNST BÜSCHER/DWI<br />

der Weinrebe veredelt, die man haben<br />

möchte, also zum Beispiel mit Riesling,<br />

Spätburgunder oder Chardonnay. Das<br />

ist das Geschäft von Volker Freytag. Er<br />

verkauft jedes Jahr rund zwei Millionen<br />

solcher vedelter Setzlinge an Winzer.<br />

Allerdings wurden im 19. Jahrhundert<br />

nicht nur die Reblaus, sondern auch der<br />

„echte Mehltau“ und der „falsche Mehltau“<br />

nach Europa eingeschleppt. Diese<br />

Pilzkrankheiten können den Ertrag von<br />

ganzen Weinbergen vernichten. Und<br />

gegen diese Schädlinge muss gespritzt<br />

werden. „Selbst Biowinzer könnten in<br />

Deutschland ohne Schwefel und Kupfer<br />

keine klassischen Weinsorten anbauen“,<br />

sagt Freytag. Inder Regel wird ein<br />

Winzer –jenach Witterung und Befall –<br />

rund zehn Mal pro Jahr mit Pflanzenschutz<br />

durch die Weinberge fahren. Konventionelle<br />

Winzer nutzen chemische<br />

Produkte, Biowinzer müssen mit ihrem<br />

Kupfer teilweise sogar öfter fahren. Das<br />

kostet nicht nur Geld –rund 1800 Euro<br />

pro Hektar und Jahr –das schädigt wegen<br />

der Wirkstoffe und des verbrauchten<br />

Diesels auch die Umwelt und verdichtet<br />

den Boden. „Es ist so, als ob ein Kind<br />

von der Geburt anbis zum Tode immer<br />

Medizin braucht, um zu leben“, verdeutlicht<br />

Volker Freytag.<br />

Der Geschmack ist das Problem<br />

Freilich versucht man schon lange, etwas<br />

dagegen zu unternehmen –Reben<br />

zu züchten, die gegen den falschen und<br />

echten Mehltau resistent sind. Erste Versuche<br />

gab es schon Ende des 19./ Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts. Allerdings<br />

gab –und gibt –esein großes Problem:<br />

Die amerikanischen und die neuerdings<br />

auch eingesetzten asiatischen Wildreben<br />

sind zwar oft pilzresistent können aber<br />

beim Geschmack mit den traditionellen<br />

europäischen Sorten nicht mithalten.<br />

Die Züchtungen wurden im Laufe der Zeit<br />

aber immer besser –Institute wie das in<br />

Freiburg oder das im Geilweilerhof kümmern<br />

sich darum und seit einigen Jahren<br />

auch Volker Freytag,der mit dem Schweizer<br />

Valentin Blattner ein privat finanziertes<br />

Züchtungsprogramm für Piwis –also<br />

für pilzwiderstandsfähige Sorten –ins Leben<br />

rief. Freytag und Blattner züchteten<br />

zum Beispiel den immerhin bei manchen<br />

Weinkennern bekannten Cabernet Blanc,<br />

am Geilweilerhof wurde der ebenfalls<br />

nicht unbekannte Regent gezüchtet und<br />

aus Freiburg stammt der Solaris.<br />

Während man zunächst „nur“ Reben<br />

suchte, die widerstandsfähig sind und<br />

die in der Regel nur zwei bis vier Mal<br />

pro Jahr mit Pflanzenschutz behandelt<br />

werden müssen –also zwei Drittel weniger<br />

als traditionelle Reben, wird nun<br />

das Augenmerk bei den Neuzüchtungen<br />

auch auf andere Dinge gelegt –wegen<br />

des Klimawandels. Weil klassische Sorten<br />

wie der Riesling an Säure verlieren,<br />

wird nun an Züchtungen gearbeitet, die<br />

mehr Säure bilden. Außerdem achten<br />

die Wissenschaftler darauf, Reben zu<br />

bekommen, die später reifen – denn<br />

wenn es immer früher warm wird, die<br />

Reben austreiben und dann noch mal<br />

ein Frost kommt, kann das verheerend<br />

sein für die Winzer. Allerdings dauert<br />

die Reaktion der Züchter auf den Klimawandel:<br />

20 bis 30 Jahre braucht es, bis<br />

aus einer Neuzüchtung ein zugelassener<br />

Wein entsteht.<br />

Und neben der Zeit gibt es noch immer<br />

das Problem mit dem Geschmack.<br />

„Wir müssen davon wegkommen, zu<br />

sagen, für einen Piwi schmeckt der<br />

Wein gut. Wir müssen Piwis hinbekommen,<br />

die mit traditionellen Sorten<br />

konkurrieren können und einfach gut<br />

schmecken“, sagt Ernst Büscher, Sprecher<br />

des Deutschen Weininstituts. Mit<br />

einigen Sorten, wie zum Beispiel mit<br />

dem Cabernet Blanc, ist man da auf<br />

einem guten Weg. Aber wer filigranen<br />

Spätburgunder oder mineralischen Rielsing<br />

liebt, wird sich mit Piwi-Weinen<br />

schwer tun. Die Hoffnung der Züchter<br />

besteht deshalb darin, dass sich der<br />

Geschmack wandelt. Gerade jüngere<br />

Weintrinker sind nicht immer glücklich<br />

mit Rielsing-Säure, sie mögen Neues,<br />

Anderes. Das ist die Chance für neue<br />

Sorten. (peb.)<br />

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Willkommen<br />

im Weinberg<br />

Vinotheken sind Orte der Begegnung:<br />

mit dem Wein, den<br />

Menschen, die ihn lieben, und<br />

mit einer Kultur, die sich auf<br />

den Weg in die Zukunft gemacht<br />

hat.<br />

Besuchen Sie uns doch mal,<br />

hatte der Winzer am Telefon<br />

gesagt. Natürlich liefern wir<br />

gern auch weiterhin zu Ihnen<br />

nach Hause. Aber hier bei uns auf dem Weingut ist es eben etwas<br />

anderes. Sie werden sehen…<br />

Inzwischen ist eine Leidenschaft daraus geworden. Ein Programm<br />

für entspannte Wochenenden, die Einladung, eine öde Autooder<br />

Bahnfahrt für ein, zwei Stunden oder gar auf eine Übernachtung<br />

zu unterbrechen, einen kleinen Umweg zu machen –und<br />

dann auf einer luftigen Dachterrasse zu sitzen, ein schlankes Glas<br />

in der Hand und in der Nase den Duft<br />

eines Weines, der viel zu erzählen hat.<br />

Ein Betrieb empfängt seine Gäste im<br />

Ambiente einer Moderne, die so strahlend<br />

hell und klar ist wie sein Riesling.<br />

Einer hat Schaukelstühle auf die<br />

Veranda gestellt. Einer erweitert die<br />

Weinprobe kurzerhand zu einer Grillparty,<br />

einer lädt zu einer mineralkundlichen<br />

Wanderung durch seine Gärten<br />

hoch über dem Fluss.<br />

Und einer rechnet vor, voller Stolz, wie er den ganzen Betrieb mit<br />

Strom aus den Solarzellen vom Dach seines Neubaus für<br />

Besucher versorgte. Kein Wunder eigentlich: Wer im Weinberg<br />

arbeitet, der erlebt ja jeden Tag, dass Freundschaft mit der<br />

Natur immer auf Gegenseitigkeit beruht.<br />

Das vertraute Ritual einer Verkostung mit lehrreichen Erläuterungen<br />

zu Rebsorten und Terroir und sensiblen Verweisen auf<br />

Geschmacksnuancen und Aromen hat sich zu einer Kunstform<br />

entwickelt. Winzer, Genossenschaften und Kellereien von der Ahr<br />

bis nach Baden erweitern die Gemäuer ihrer oft Jahrhunderte<br />

alten Weingüter und geben ihnen neue Funktion. Sie bauen ihre<br />

Vinotheken als luftige und elegante Foren der Begegnung und<br />

möblieren Probierstuben wie lässige Lounges. Sie laden Spitzenköche<br />

ein, die Aromen von Riesling oder Burgunder mit Kompositionen<br />

von Wild bis Wasabi herauszufordern und untermalen die<br />

Harmonie ihrer Weine mit Musik. Cello, acoustic Rock, manchmal<br />

auch orientalische Klänge. Und wirklich: es funktioniert!<br />

Immer wieder aber ist es die Architektur,<br />

die den Anspruch der Winzer auf<br />

einen Spitzenplatz im internationalen<br />

Konzert unterstreicht. Sie ist offen für<br />

die Umgebung und ihre Tradition, aber<br />

immer auch entschieden modern, weltoffen,<br />

zukunftsoffen. Gäste sind da gern<br />

gesehen. Sie werden sogar erwartet, an<br />

Orten, an denen man miteinander ins<br />

Gespräch kommt, Wein genießt und<br />

Weinkultur lebt.<br />

Fünfzig solcher Vinotheken hat das Deutsche Weininstitut nun<br />

ausgezeichnet. Sicher, man kann sich den Wein auch weiterhin<br />

frei Haus liefern lassen. Aber ein kleiner Ausflug wäre eine echte<br />

Alternative.<br />

INFO<br />

Weitere Informationen zu den<br />

abgebildeten und zu weiteren<br />

ausgezeichneten Vinotheken<br />

finden Sie online unter<br />

vinotheken.deutscheweine.de<br />

oder in einem Sonderheft von<br />

»abenteuer und reisen«,<br />

zu bestellen unter<br />

shop.deutscheweine.de

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