Ausgabe 190
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>190</strong> / 19. 12. 2019<br />
Österreich, Europa und die Welt<br />
6<br />
liens Staatspräsident Sergio Mattarella. „Erst -<br />
mals umfaßte vor 100 Jahren das italienische<br />
Königreich auch Gebiete mit nichtitalienischer<br />
Bevölkerung. Die damals gegebenen<br />
Versprechen zum Schutz der deutschen<br />
Sprache und Kultur stießen in der Umsetzung<br />
auf wachsende Hindernisse und blieben<br />
großteils unerfüllt“, erinnerte Mattarella.<br />
Der Staatspräsident spannte den historischen<br />
Bogen von der schwierigen Zwischenkriegszeit<br />
über das Aufkommen des faschistischen<br />
Regimes und die damit verbundenen<br />
„untolerierbaren Angriffe auf die individuellen<br />
und kollektiven Minderheitenrechte“<br />
bis hin zu der von zwei Diktaturen auferlegten<br />
Option, bei der die Bevölkerung vor<br />
die Wahl gestellt wurde, entweder Deutsche<br />
im Reich oder Italiener in Italien zu werden.<br />
Mattarella erinnerte an das Gruber-Degasperi-Abkommen,<br />
das nach dem Schrecken des<br />
Zweiten Weltkriegs Ausdruck eines neuen<br />
Italiens war. Er bezeichnete die Umsetzung<br />
der Autonomie als einen „komplexen, steinigen<br />
Weg, der dunkle Zeiten durchquert hat“,<br />
dabei denke er an die Zeit der Anschläge.<br />
„Überwogen hätten jedoch“, so Mattarella<br />
weiter, „die Zeiten intensiver Zusammenarbeit.“<br />
Als Schlüsselereignis nannte der italienische<br />
Staatspräsident die vierte außerordent -<br />
liche Landesversammlung der Südtiroler<br />
Volkspartei am 22. November vor 50 Jahren,<br />
mit der dabei schwer errungenen Entscheidung<br />
für das Südtirol-Paket.<br />
Am Bozner Ansitz Stillendorf wur de des Südtiroler Lehrers Franz Innerhofer vor dessen<br />
Gedenktafel gedacht.<br />
Fotos: HBF / Peter Lechner<br />
Die beiden Staatsoberhäupter legten an der Mauer des Bozner Durch gangslagers während<br />
der Nazi-Zeit einen Kranz nieder.<br />
Vielfalt ist Reichtum Europas<br />
In diesem Sinne zeigte sich Mattarella<br />
überzeugt, daß nur der Weg der Zusammenarbeit<br />
erfolgreich und friedenstiftend sein<br />
könne. Die guten Beziehungen zwischen Italien<br />
und Österreich und auch seine persönlichen<br />
zum derzeitigen österreichischen<br />
Bun despräsidenten seien eine wichtige Voraussetzung,<br />
um in diese Richtung weiterzugehen.<br />
Die Zusammenarbeit stehe auch im<br />
Einklang mit dem Projekt Europa, das beide<br />
Länder mit Überzeugung mittragen.<br />
„In unserer großen europäischen Gemein -<br />
schaft stellt jedes Volk eine Minderheit dar,<br />
die zum großen Ganzen beiträgt, Vielfalt zu<br />
vereinen. Im Lauf der Jahrhunderte haben<br />
sich Identitäten, Traditionen und Lebensweisen<br />
etabliert, die es zu respektieren und schüt -<br />
zen gilt. Ihre Vielfalt ist der große Reichtum<br />
Europas“, unterstrich der Staatspräsident. Er<br />
zeigte sich fest davon überzeugt, daß Südtirol<br />
dazu beigetragen habe und dazu beitragen<br />
werde. „Dieses Land, die Südtiroler<br />
deutscher, italienischer und ladinischer Muttersprache,<br />
repräsentieren das, was sich Landeshauptmann<br />
Kompatscher gewünscht hat:<br />
ein kleines Europa im Herzen Europas“, mit<br />
diesen Worten beendete der Staatspräsident<br />
seine Ansprache.<br />
Geschichtsträchtiges Gedenken<br />
Nach dem Festakt reisten Mattarella und<br />
Van der Bellen nach Bozen weiter. Dort kam<br />
es zu zwei kurzen geschichtsträchtigen Ge -<br />
denken: Am Bozner Ansitz Stillendorf wur -<br />
de des Südtiroler Lehrers Franz Innerhofer<br />
vor dessen Gedenktafel gedacht. Dieser war<br />
am „Blutsonntag“, dem 21. April 1921, beim<br />
Versuch, einen Schüler zu beschützen, von<br />
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faschistischen Schlägern erschossen worden.<br />
Noch nie hatte ein italienischer Staatspräsident<br />
zuvor einem Südtiroler Opfer des Fa -<br />
schismus die Ehre erwiesen.<br />
Und schließlich legten die beiden Staatsoberhäupter<br />
an der Mauer des Bozner Durch -<br />
gangslagers während der Nazi-Zeit einen<br />
Kranz nieder. Zum ersten Mal setzten die<br />
beiden Präsidenten von Italien und Österreich<br />
gemeinsam ein solches Zeichen. n<br />
https://www.bundespraesident.at/<br />
http://www.provinz.bz.it/<br />
https://de.wikipedia.org/wiki/Autonomie_S%C3%BCdtirols<br />
Quellen: apa/prk, lpa/ea