SERVICE [ BAURECHT UND GESUNDHEIT] BESSERE VORSORGE Beim Bauordnungsrecht hat sich viel getan, auch beim gesünderen Bauen. Baufamilien sollten die Augen offen halten und Standards vereinbaren. Foto: Getty/AndreyPopov 56
Spätestens seit Herbst 2018 sind in allen Bundesländern veränderte Landesbauordnungen in Kraft. Deren wichtigste Neuerung ist die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen, kurz MVV TB. Darin sind die konkreten Anforderungen an Gebäude und dort verwendete Baustoffe festgelegt, zum Beispiel zur Sicherheit und die Umweltverträglichkeit von Gebäuden. Diese Bestimmungen gab es schon früher, etwa in den sogenannten Bauregellisten. Neu ist unter anderem der Anhang 8 „Anforderungen an bauliche Anlagen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes (ABG)“. Hier sind jetzt erstmals gesundheitliche Mindestanforderungen festgelegt, mit denen der Gesetzgeber die Nutzer von Gebäuden vor Schadstoffen aus Bauprodukten schützen will. Seitenweise finden sich hier Angaben zu schwer auszusprechenden Schadstoffen und deren maximale Konzentrationen, die in einem Baustoff und damit in einem Haus erlaubt sind. Damit findet erstmals ein gesundheitlicher Mindestschutz Eingang in das Bauordnungsrecht. Aus Empfehlung wird Pflicht Das Konzept der Schadstoffhöchstwerte gibt es schon lange. Als Schema des Ausschusses für die gesundheitliche Bewertung von Baustoffen (AgBB) war es bisher lediglich eine Empfehlung. Nun ist es Pflicht und muss von Architekten und Bauunternehmen beachtet werden. Allerdings sind die genannten Grenzwerte als Mindestschutz zu verstehen, der direkte Gefahren für die Gesundheit abwehren soll. Da wir uns sehr lange, etwa 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen aufhalten, sollten gerade für die eigenen vier Wände höhere Standards gelten. Neu sind auch Kontroll- und Dokumentationspflichten für Architekten und Bauunternehmen. Sie müssen prüfen, ob die verwendeten Baustoffe den gesetzlichen Vorschriften und den Anforderungen der Bauherren genügen. Diese Anforderungen sollte man am besten vertraglich festlegen. Das können zum Beispiel bestimmte Grenzwerte einer Raumluftmessung nach Fertigstellung sein. Manche Fertighausanbieter oder Bauunternehmen sowie Architekten bieten diese Sicherheit bereits von sich aus an. CE-Zeichen hilft nicht weiter Grund für die Änderungen des deutschen Bauordnungsrechtes ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2014. In diesem wird Deutschland verboten, eigene Regeln für die Zulassung von Baustoffen zu haben, für die es europäische Normen gibt. Das bekannte Ü-Zeichen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) gibt es für diese Produktgruppen also nicht mehr. Der Nachteil für Verbraucher, Planer und Handwerker: In vielen europäischen Normen ist nur der kleinste gemeinsame Nenner definiert. Vorgaben, etwa zu Schadstoffen, gibt es dort im Moment noch keine. Statt der staatlichen Behörde muss jetzt jeder selbst schauen, ob alles seine Richtigkeit hat. Das Problem: Das CE-Kennzeichen für die Übereinstimmung mit europäischen Regeln, ist kein Brauchbarkeitnachweis, wie es im Juristendeutsch heißt. Um ein Bauprodukt in Europa mit dem CE-Zeichen in Verkehr bringen und handeln zu können, muss nur eines der wesentlichen Merkmale aus einer EU-Norm erklärt sein. Für alle anderen Anforderungen kann der Hersteller auch einfach keine Angaben machen. „NPD - No performance determined“ heißt das dann. Das Umweltbundesamt spricht deshalb von einer „Schutzlücke“ für die Gesundheit von Bauherren und Gebäudenutzern und ist dabei, diese zu schließen. Zum Beispiel indem Normen nachgebessert werden und für manche Produktgruppen Schadstoffmessungen vorgeschrieben werden. Das ist mühsam, geht aber langsam voran. Erste europäische Normen sind auf dem Papier und die Prüfung auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) erweitert worden. Allerdings gibt es bei der EU einen Normenstau, sodass die Regelungen bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht wurden und erst später in Kraft treten. Betroffen von der Deklarationspflicht für VOC sollen zunächst Boden- und Wandbeläge, Estriche, Sportböden, bestimmte Dämmstoffe, behandeltes Massivholz und Holzwerkstoffe sein. VERZEICHNIS UND LOGOS Eine Vielzahl geprüfter Bau- und Reinigungsprodukte, davon zahlreiche kostenlos recherchierbar, findet sich im Bauverzeichnis Gesündere Gebäude www. bauverzeichnis.gesündere-gebäude.de. Logos von Labeln: www.natureplus. org, www.eco-institut.de, www. blauer-engel.de, www.eurofins.de Gesundheitspass Gesündere Gebäude: www.sentinel-haus.eu Gute Prüfzeichen helfen! Was also tun? Vor allem Architekten und Bauunternehmen, aber auch Handwerker sitzen zwischen den Stühlen. Bei rund 500 Produkten, die in einem Einfamilienhaus verbaut sind, sind Kontrolle und Dokumentation viel Arbeit. Gleichzeitig haften sie für die korrekte Baustoffauswahl. Die Lösung sind vertrauenswürdige, unabhängige Prüfungen durch Label wie natureplus, eco-Institut, teilweise dem Blauen Engel, Eurofins Indoor Comfort Gold, Pure Life und manch andere mehr. Deren Grenzwerte gehen deutlich über die neuen gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus und bieten einen guten Gesundheitsschutz. Für komplette Gebäude reicht das aber nicht, denn da kommt es auf das Gesamtpaket aus geprüft gesünderen Baustoffen und einer sorgfältigen Verarbeitung an. Ein umfassendes Konzept für geprüft gesündere Gebäude hat das Sentinel Haus Institut entwickelt, das zum Beispiel manche Fertighausanbieter umsetzen. Dort kann man die gesundheitliche Qualität seines Hauses und deren Kontrolle durch eine Raumluftmessung vertraglich vereinbaren und einen Gesundheitspass bekommen. Aufmerksame Bauherren erfragen, welche Form der gesundheitlichen Qualitätssicherung ein Hausanbieter hat, und vereinbaren entsprechende Standards im Vertrag. Trotz oder gerade wegen der neuen Rechtslage: Wer Wert auf seine Gesundheit und die seiner Familie legt, muss sich also nach wie vor kümmern. n büh 57