bull_05_01_Aufbruch
Credit Suisse bulletin, 2005/01
Credit Suisse bulletin, 2005/01
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CREDIT SUISSE<br />
Bulletin_1.<strong>05</strong><br />
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Walter Lanz, Arbeitsagoge: «Arbeit hat in unserer Gesellschaft einen zu hohen Status.<br />
Das ist vor allem für diejenigen tragisch, die keine mehr haben.»<br />
«Nur wer bereit zu <strong>Aufbruch</strong> ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.» Hermann Hesse<br />
den Faden verloren haben, und dass der Behelfsjob sie nicht befriedigt.<br />
Sie merken, dass sie weitersuchen müssen.» Ein anderes Phänomen<br />
ist laut dem Psychologen die so genannte vorgelagerte Midlifecrisis.<br />
«Manche haben mit 35 schon all das erreicht, was ihre Eltern erst<br />
mit 50 hatten.» Da stellt sich dann die Frage, wie man die nächsten<br />
30 Jahre Berufsleben sinnvoll verbringen kann.<br />
Die Schweizerische Berufsberatungsstatistik für 2003 verzeichnet<br />
rund 126 000 beratene Personen. Das ist eine Zunahme von einem<br />
Prozent gegenüber 2002. 61 Prozent der Beratungen kreisten um die<br />
Berufs- und Studienwahl, 30 Prozent widmeten sich der Laufbahnund<br />
Karriereplanung oder einer Neuorientierung. Als freischaffender<br />
Berufsberater zählt Peter Dändliker vor allem junge Leute bis 25 sowie<br />
Personen zwischen 40 und 55 Jahren zu seiner Klientel. Oft hilft er<br />
seinen Klienten beim <strong>Aufbruch</strong> zu neuen beruflichen Ufern; doch<br />
manchmal müsse er den Ratsuchenden aber auch klar machen, dass<br />
sie am richtigen Ort seien. Es gehe nicht immer um einen Wechsel.<br />
Meist müssten sich die Betroffenen erst einmal über ihr Privatleben<br />
klar werden, bevor eine Neuorientierung im Beruf thematisiert und<br />
umgesetzt werden könne. «Die Leute müssen bereit sein, sich mit der<br />
eigenen Person auseinander zu setzen.» Eine Berufs- oder Laufbahnberatung<br />
sei immer anspruchsvoll, gibt Dändliker zu bedenken.<br />
Karriere macht man heute nicht mehr linear, der Anteil der so genannten<br />
Portfoliokarrieren ist im Steigen begriffen. Sennett ortet hier<br />
eine fehlende langfristige Bindung zur Arbeit selbst. Der Soziologe<br />
zieht als Beispiel Bill Gates heran, der propagiert, man solle sich in<br />
einem Netz von Möglichkeiten bewegen, statt sich in einem fest umrissenen<br />
Job selbst zu lähmen.<br />
Die fehlende langfristige Bindung zur Arbeit interpretiert Walter<br />
Lanz nicht ganz so düster wie Sennett. In seiner heutigen Berufspraxis<br />
als Arbeitsagoge konfrontiert der ehemalige Wirtschaftsanwalt seine<br />
Studenten oft mit der Frage, was ihnen Arbeit bedeute, unabhängig<br />
vom finanziellen Einkommen. Von Selbstverwirklichung sei die Rede,<br />
von Lebenssinn, Lebensfreude, Anerkennung. Eine unglaublich lange<br />
Liste: «Da denke ich mir manchmal, ‹um Himmels willen, was passiert<br />
mit euch, wenn ihr mal keine Arbeit mehr habt?›» Er sei auch gar nicht<br />
unglücklich darüber, dass sich ein Wandel abzeichne. «Arbeit hat in