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Credit Suisse bulletin, 2005/01

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CREDIT SUISSE<br />

Bulletin_1.<strong>05</strong><br />

Metamorphosen <strong>Aufbruch</strong> 09<br />

war Maria Sibylla Merian eine Frau und zweitens hatte die Wissenschaft<br />

noch wenige Jahrzehnte zuvor die Ansicht vertreten, dass<br />

Insekten spontan in moderndem Schlamm entstehen würden.<br />

Ihr Werk öffnete Maria Sibylla Merian den Zugang zu den Sammlungen<br />

befreundeter Wissenschafter. Prächtige Falter aus den holländischen<br />

Kolonien waren dort zu sehen. Doch wie sehen die dazugehörenden<br />

Raupen aus? Ihr Forschergeist gibt keine Ruhe und im Februar<br />

1699 beginnt sie mit dem Verkauf all ihrer Habe, vier Monate später<br />

bricht sie ein weiteres Mal alle Zelte hinter sich ab und besteigt das<br />

Schiff nach Surinam.<br />

In Surinam stürzt sie sich voller Elan ins Forscherleben. Sie züchtet<br />

Raupen, sammelt Insekten, unternimmt mit ihren schwarzen Dienerinnen<br />

– Sklavinnen – ausgedehnte Reisen. Doch das Leben hier ist<br />

hart. Schlangen, Moskitos, beissende Ameisen, die Regenzeit, das<br />

tropische Klima – später schrieb sie darüber: «… auch ist im selben<br />

lande eine Seehr grosse hitze, so das man keine arbeit dhun kann, als<br />

mit grösster beschwernuss, und hatte ich das selbe beynahe mit dem<br />

dhot bezahlen müssen…»<br />

Mit dem Tod bezahlen – für Maria Sibylla Merian ist Surinam kein<br />

«Ferienreisli». Ihre Obsession hat sie hierher getrieben und nachdem sie<br />

sie mit hunderten von Bildern in Dutzenden von Zeichenbüchern, mit<br />

unzähligen in Branntwein eingelegten Insekten, Leguanen, Schlangen,<br />

Kröten und Pflanzen befriedigt hat, will sie nur noch eines: zurück.<br />

Genau zwei Jahre nach ihrer Abfahrt in Amsterdam legt ihr Schiff in<br />

Paramaribo Richtung Amsterdam ab.<br />

Zar Peter kauft ein Bild bei «Jungfer Merian»<br />

Vier Jahre nach der Rückkehr erscheint in Amsterdam ihr Insektenbuch.<br />

Auf dem Titelblatt prangt gross ihr Name – als Autorin und<br />

als Verlegerin. Die 60 Kupferstiche stellen Fauna und Flora in ihren<br />

Zusam menhängen dar, während ein Begleittext über Fortpflanzung<br />

und Ernährung der dargestellten Tiere informiert. Für Naturforscher<br />

ist das Insektenbuch Pflichtlektüre und Merian selbst wird zu einer<br />

international bekannten Persönlichkeit. Als Zar Peter der Grosse<br />

Amster dam besucht, schickt er seinen Leibarzt zur «Jungfer Merian»,<br />

um einige ihrer Aquarelle zu erwerben.<br />

1717 stirbt Maria Sibylla Merian – berühmt, respektiert und wohlhabend.<br />

Sowohl «Der Raupen wunderbare Verwandlung» wie das Insektenbuch<br />

werden bis weit ins 18. Jahrhundert immer wieder aufgelegt.<br />

Der Naturforscher Carl von Linné arbeitete mit ihren Werken bei der<br />

Aufstellung seines taxonomischen Systems. Sechs Pflanzen, neun<br />

Schmetterlinge und zwei Käfer wurden nach ihr benannt.<br />

Trotz ihrer Berühmtheit im 17. und 18. Jahrhundert bleiben zahlreiche<br />

Lebensabschnitte der Maria Sibylla Merian im Dunkeln. So wird man<br />

wohl nie genau herausfinden, was sie dazu bewegte, sich von ihrem<br />

Mann Andreas Graff zu trennen, in die Gemeinschaft der Labadisten<br />

einzutreten und sie nach fünf Jahren wieder zu verlassen. Damit entzieht<br />

sich die Insektenpionierin der Feder allfälliger Biografen genauso<br />

geschickt, wie sie sich an den üblichen Hürden vorbeischlängelte, die<br />

ihrem Geschlecht damals auferlegt wurden. <<br />

Oben: Die Vorlage fürs Raupenbuch zeigt die Lebensabschnitte<br />

der Pappelglucke und ihre Nahrung. Pikanterweise hat sich<br />

Maria Sibylla Merian dort geirrt – die Raupen des Falters ernähren<br />

sich von Laub, nicht Gras. Das Bild unten gehört zu einer<br />

Studienreihe für Kupferstiche, die leider nie ausgeführt wurden.

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