CREDIT SUISSE Bulletin_1.<strong>05</strong> 26 Chinesen denken und verhalten sich anders. China ist eine Kollektivgesellschaft. Das bedeutet, dass das Verhalten gegenüber der eigenen Gruppe durch Konsens und Harmonie, das gegenüber Fremden jedoch darwinistisch geprägt ist. Zwar ist der Wettbewerb innerhalb der Gruppe gross, gegen aussen erfolgt aber sofort ein konsequenter Schulterschluss. Die persönlichen Beziehungen (Guanxi) spielen in China eine Schlüsselrolle. Moral ist situativ mit der Güte der Beziehung verbunden. Es gibt kein übergeordnetes, abstraktes ethisches System mit sozialen Verpflichtungen. In der kollektiven Massengesellschaft Chinas sind der persönliche Raum und die Privatsphäre stark eingeschränkt; auf entsprechende Bedürfnisse der Ausländer wird kaum Rücksicht genommen. Eigenverantwortung ist weniger gefragt, die Gruppe bestimmt den Handlungsspielraum. Chinesisches Denken sieht die Wirklichkeit als Film, der Schweizer hingegen als Folge von Momentaufnahmen. Die Wirklichkeit wird intuitiv und nicht als dialektischer Prozess (These, Antithese, Synthese) wahrgenommen. Das Denken ist konkret und pragmatisch und folgt kurzen Wahrnehmungshorizonten; Planen im westlichen Sinn mit seiner risikobeschränkenden Funktion kennt man kaum. Der Chinese baut Gegensätze gleichzeitig in sein Verständnis von Wirklichkeit ein. Für ihn ist jede Situation gleichzeitig durch Yin und Yang gekennzeichnet, durch helle und dunkle Töne, durch kalt und warm, durch fröhlich und traurig. Es gibt keine absoluten, ewigen Wahrheiten. Ob eine Wahrheit morgen noch gültig ist, wird dieses Morgen zeigen. Nach einem Vortrag von Generalkonsul Hans J. Roth beitenden in China tätig. Davon befinden sich allein 156 Firmen in Shanghai, 146 in Beijing, 61 in der Provinz Guangdong, 53 in Hongkong sowie 40 in der Provinz Jiangsu. Waren ursprünglich nur Joint Ventures erlaubt, so finden sich heute bereits 2<strong>05</strong> «wholly foreignowned enterprises» (WFOE) darunter. Diese durften in einer ersten Phase nur für den Export arbeiten. Nach und nach wurde – in den meisten Branchen – auch der chinesische Binnenmarkt geöffnet. Heute richtet sich der Blick der Unternehmer wieder vermehrt nach aussen: China wird zunehmend zum Schlüssel zur ASEAN und damit zum dritten wichtigen Weltmarkt neben der EU und den USA. China kann auch für KMU interessant sein Während die Schweiz sich in den letzten sechs Jahren mit einer mageren Steigerung des Bruttoinlandprodukts (BIP) von durchschnittlich 1,3 Prozent bescheiden musste, scheint das chinesische Wirtschaftswunder keine Grenzen zu kennen. 2004 nahm das chinesische BIP erneut um 9,5 Prozent zu, obwohl die Regierung verschiedene Massnahmen ergriff, um einer konjunkturellen Überhitzung entgegenzuwirken. Kein Wunder also, übt China auf Schweizer Unternehmer (und Investoren) eine magische Anziehungskraft aus. «Der <strong>Aufbruch</strong> zur langen Reise will wohlüberlegt sein. Im Moment kann man allerdings noch von erheblichen steuerlichen Vorteilen profitieren, die nach der vollen Implementierung Chinas in die WTO wegfallen», erklärt dazu Andreas Kühnis, Leiter Corporate Banking East China der Credit Suisse. Um dieses unternehmerische Dilemma zu mindern, organisierte er Ende letzten Jahres für rund ein Dutzend Schweizer KMU-Führungskräfte eine Informationsreise nach China, dies in gemein samer Leitung mit Josef Meier, Leiter Corporate & Retail Banking, sowie Hans-Ulrich Müller, Leiter Firmenkunden Schweiz-KMU. Mitgereist ist beispielsweise Robert Elsaesser, dessen Elag AG mit 190 Mitarbeitenden auf flexible Verpackungen spezialisiert ist. «Es ging mir vor allem darum, aus erster Hand von den Erfahrungen ausländischer Investoren in China zu hören», gibt Elsaesser Auskunft. «Am meisten überrascht haben mich die Professionalität der Chinesen, der sichtbare Fortschritt im Wirtschaftsleben und der offensichtliche Wille, die freie Marktwirtschaft einzuführen.» Nun also ab durch die Mitte ins Reich der Mitte? «Als KMU ist ein solcher Investitionsentscheid einschneidend. Schnell sind kostspielige Fehler gemacht. Die Reise mit der Credit Suisse hat mir diese Risiken ansatzweise aufgezeigt. Die Denkweise, die Kultur, die Arbeitsweise und die Kommunikation in China sind anders als bei uns. Zudem gibt es für mich in Asien ein zweites aufstrebendes Land: Indien. Ich möchte eine ähnliche Informationstour dorthin unternehmen. Dann sehe ich klarer.» «Es muss nicht jedes Unternehmen nach China aufbrechen. Es gibt auch andere interessante Länder», bestätigt Generalkonsul Roth. «Wer einfach die billigen Arbeitskräfte ausnützen möchte, kann auf Grund der kulturellen Unterschiede unliebsame Überraschungen erleben. Nach China sollte nur gehen, wer für den chinesischen und asiatischen Markt produzieren möchte – und wer die Ressourcen besitzt, ein paar schwierige Startjahre zu überstehen.» Und doch: China hat noch viel Platz für weisse Katzen. < Mehr Informationen im Dossier China des emagazine: www.credit-suisse.com/emagazine. Fotos: Mario Boller-Olfer
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