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MAGNIFICAT Januar 2022

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5Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser!<br />

Ein Rabbi trifft am Eingang einer Höhle den Propheten Elija<br />

(nach Mal 3, 23 Vorläufer des Messias) und fragt ihn: „Wo ist<br />

der Messias?“ – „Drinnen in der Höhle.“ Da geht er hinein<br />

und findet den Messias da sitzen. Er fragt: „Wann kommst du,<br />

Herr?“ Der Messias antwortet: „Heute.“ Da geht der Rabbi fröhlich<br />

heraus und wartet bis zum Abend. Als aber der Messias<br />

immer noch nicht kommt, sagt der Rabbi zu Elija: „Der Messias<br />

hat gelogen; er sagte, er käme heute.“ Elija antwortet: „Er<br />

meinte: ,... heute, wenn ihr auf meine Stimme hört‘.“ (Psalm<br />

95, 7) So berichtet Franz Rosenzweig in einem Brief von 1917<br />

(vgl. Zeitgewinn, hg. v. G. Fuchs, H. H. Henrix, Frankfurt/Main<br />

1987, 158).<br />

Mit uns warten die Juden auf den Messias – mit dem Unterschied,<br />

dass wir Jesus erwarten, die Juden nicht. Ein unüberbrückbarer<br />

Graben? Wenn es um Jesus geht, ja. Angesichts in<br />

seinem Namen ausgeübter Judenverfolgung aus gutem Grund.<br />

Doch immer mehr jüdische Stimmen nehmen Jesus als Juden<br />

und jüdischen Lehrer ernst. Mir scheint, das steht uns Christen<br />

auch gut zu Gesicht, zumal Jesus seine messianische Prägung<br />

– das, was ihn für uns zum Christus macht – aus jüdischen<br />

Traditionen empfangen hat. Wer Jesus kennen lernen möchte,<br />

sollte nicht erst beim Neuen Testament beginnen, sondern vor<br />

allem Jesaja lesen (40 ff.), Jeremia (30 f.) und die Psalmen. Nicht<br />

als sei das alles auf Christus hin geschrieben. Sondern weil es<br />

die geistige (und geistliche!) Heimat Jesu ist. Jesus hat bei der<br />

Taufe Gottes Stimme gehört und darin Gottes Zuwendung erfahren,<br />

wie es die Propheten verheißen haben. So ist er selbst zur<br />

Stimme Gottes geworden, hat sich den Armen zugewandt, wie<br />

es vom Messias verkündet wird. „Gott erkennen heißt wissen,<br />

was zu tun ist“, sagt Emmanuel Levinas. Darin können wir uns<br />

treffen, Juden und Christen.<br />

Ihr Johannes Bernhard Uphus

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