12.04.2022 Aufrufe

Hartwig von Schubert: Nieder mit dem Krieg! (Leseprobe)

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

56<br />

1 Einleitung<br />

Druck symbolischer Kommunikation sogar gezielt vernichtet werden: damnatio<br />

historiae. Eine Geschichte als ein kontingenter Geschehenszusammenhang ist<br />

dann gelöscht, wenn alle ihre Träger erfolgreich ausgelöscht worden sind. Die<br />

europäische Moderne hat auch dafür ein monströses Projekt geliefert: die Shoa.<br />

Tatsächlicher Kontingenz in der symbolischen Kommunikation Rechnung zu<br />

tragen, heißt nichts anderes, als hier und jetzt diese konkrete und keine andere<br />

Geschichte zu erzählen und dies im harten Konflikt <strong>mit</strong> denen, die das alles ganz<br />

anders sehen und ihre Geschichten dagegenhalten.<br />

Wir treten im Kampf um imaginäre Bedeutungsgebungen also tatsächlich<br />

erneut in die Sphäre <strong>von</strong> Religion, Religionskritik, Religionswissenschaft und<br />

Religionspolitik, ja sogar Religionskrieg ein. Das ist gefährlich. Eine weitere epochenübergreifende<br />

soziologische These neben den eingangs genannten <strong>von</strong><br />

Norbert Elias besteht darin, dass sich gesellschaftlich institutionalisierte Praktiken<br />

in schweren Krisen immer wieder durch Interaktion unter Anwesenden,<br />

also durch Verständigung, regenerieren. 66 Institutionen sind Sätze <strong>von</strong> Regeln<br />

und Ressourcen, auf die sich Menschen in ihrem Denken und Handeln gemeinsam<br />

beziehen. Wenn diese im Prozess der Zivilisation erschüttert werden, werden<br />

die Ressourcen gesichtet und die Regeln auf die Tagesordnung gesetzt. Die<br />

Individuen treten zusammen, und wer selbst nicht anwesend sein kann, wird<br />

durch Andere repräsentiert. Und je tiefer eine Krise reicht, desto weiter müssen<br />

die Betroffenen wieder <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Anfang anfangen und eine »Stunde null« einläuten,<br />

um sich persönlich zu engagieren und noch einmal zumindest gedanklich<br />

<strong>von</strong> vorne zu beginnen. Das zweite Kapitel dieser Studie skizziert deshalb eine<br />

übersichtliche Galerie <strong>von</strong> »Geschichten der Menschheit« und dies unter <strong>dem</strong><br />

Eindruck erheblicher Krisenphänomene als Herausforderungen für die politische<br />

Ethik. Und das dritte Kapitel geht auf »kanonische Quellen« zurück und<br />

erprobt die nun im Folgenden noch zu skizzierenden Grundsätze ihrer Auslegung.<br />

Um dabei gleich einen Bezug zur Ethik herzustellen, empfiehlt es sich,<br />

möglichst konkret beim Individuum und seiner persönlichen Orientierung zu<br />

beginnen.<br />

3. Religion als Weltverantwortung durch Weltauslegung:<br />

»Wenn du in das Land kommst, das dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird,<br />

und es einnimmst und darin wohnst, so sollst du nehmen die Erstlinge aller Feldfrüchte,<br />

die du <strong>von</strong> deinem Lande einbringst, das der HERR, dein Gott, dir gibt, und<br />

sollst sie in einen Korb legen und hingehen an die Stätte, die der HERR, dein Gott,<br />

erwählen wird, dass sein Name daselbst wohne, und sollst zu <strong>dem</strong> Priester kommen,<br />

der zu der Zeit sein wird, und zu ihm sagen: Ich bekenne heute <strong>dem</strong> HERRN, deinem<br />

Gott, dass ich gekommen bin in das Land, das der HERR, wie er unsern Vätern geschworen<br />

hat, uns geben wollte. Und der Priester soll den Korb aus deiner Hand<br />

nehmen und ihn vor <strong>dem</strong> Altar des HERRN, deines Gottes, niedersetzen. Dann sollst<br />

66<br />

Vgl. Wagner, a.a.O., 276f.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!