12.04.2022 Aufrufe

Hartwig von Schubert: Nieder mit dem Krieg! (Leseprobe)

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

14<br />

1 Einleitung<br />

waffnete Massengewalt herrscht, sind Milliarden <strong>von</strong> Menschen Opfer staatlicher<br />

Willkür oder staatlicher Ohnmacht. 10 Die Ratlosigkeit und der Fatalismus<br />

angesichts dieser Lage 11<br />

sollten eigentlich jedermann überzeugen, dass eine<br />

gründliche theoretische Befassung <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Problem <strong>von</strong> Gewalt im Inneren wie<br />

im Äußeren auch in unseren Tagen alles andere als ein Luxus ist. Denn dieses<br />

Problem ist nicht irgendeines unter vielen politischen Problemen; die Lösung<br />

dieses Problems ist vielmehr die Voraussetzung dafür, überhaupt politisch wirksam<br />

handeln zu können. Das Problem der Gewalt ist in allen sogenannten »großen<br />

Fragen der Zeit« virulent. Deren Konjunkturen lösen einander ab, vor noch<br />

nicht langer Zeit waren dies die Blockkonfrontation samt nuklearer Aufrüstung,<br />

die Dekolonisierungskriege, das Bevölkerungswachstum, die Erschöpfung der<br />

Ressourcen, der Welthunger, die Krisen der Weltwirtschaft; längst hinzugekommen<br />

sind der Terrorismus, der Aufstieg eines autokratischen, in Phasen immer<br />

wieder totalitären China, die Digitalisierung, der Klimawandel, die Massenmigration,<br />

aktuell eine Pan<strong>dem</strong>ie, generell die Menschheitsfrage, wie »globale öffentliche<br />

Güter« zu schützen sind. Solche knappen Zeitdiagnosen drängen zum<br />

Handeln und machen es <strong>dem</strong> Denken, insbesondere <strong>dem</strong> ethischen Denken,<br />

nicht leicht. Man möchte schnell etwas tun. Ohne gründliches Nachdenken aber<br />

muss jedes Handeln unweigerlich im Strudel der Konflikte untergehen. Deshalb<br />

ist die Klärung grundlegender Einleitungsfragen einer Ethik politischer Gewalt<br />

insbesondere im Blick auf die Rolle und Funktionsfähigkeit <strong>von</strong> Staaten für die<br />

Bewältigung der genannten Konflikte unverzichtbar.<br />

Um es gleich an einem der zentralen Begriffe einer Ethik politischer Gewalt<br />

zu veranschaulichen, am Begriff der Macht. Wer soll die Macht bekommen,<br />

seine Meinung im politischen Kampf durchzusetzen? Der vorstehenden Zeitdiagnose<br />

kann man zum Beispiel leicht Alarmismus vorwerfen. Denn gewiss eskaliert<br />

nicht jede »Klimaschwankung« zur »Klimakatastrophe«, nicht jede »Epi<strong>dem</strong>ie«<br />

zur »Pan<strong>dem</strong>ie« und nicht jeder »Konflikt« zum »<strong>Krieg</strong>«. Wer also<br />

bestimmt, dass wir in einer Krise sind? Der Konflikt im Kampf um Macht, hier<br />

also um Deutungsmacht, gehört zum Wesen des Politischen. Und jeder wird sich<br />

<strong>Krieg</strong>stoten und -vertriebenen nicht aus, andere Charakteristika wie Anzahl der Beteiligten<br />

und Grad der Bewaffnung und Zerstörungen treten hinzu; vgl. a.a.O. 6ff.); vgl. das<br />

englischsprachige Pendant: https://www.crisisgroup.org/crisiswatch [04.11.2020]. Neben<br />

den <strong>Krieg</strong>en in Syrien und <strong>dem</strong> Jemen muss auch der <strong>Krieg</strong> in Libyen genannt werden.<br />

Das gesamte östliche Mittelmeerbecken ist derzeit Aufmarschgebiet <strong>von</strong> Truppen<br />

diverser Regionalmächte. Wer gezielt aktuelle Länderberichte sucht, wird fündig – allerdings<br />

auf Englisch – im oben zitierten Heidelberger Konfliktbarometer.<br />

10<br />

2018 lebten laut Demokratie-Index des Economist nur 4, 5% der Weltbevölkerung in<br />

vollständigen Demokratien, 43, 2% wenigstens in unvollständigen Demokratien; also<br />

etwas mehr als die Hälfte lebte in Hybridregimen oder Autoritären Regimen; vgl.<br />

http://pages.eiu.com/rs/753-RIQ-438/images/Democracy_Index_2018.pdf<br />

[04.11.2020].<br />

11<br />

Vgl. die Belege bei Kleine-Brockhoff (2019): Die Welt braucht den Westen, 4f. Anm.<br />

4+5.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!