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Hartwig von Schubert: Nieder mit dem Krieg! (Leseprobe)

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

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1.1 Anlass und Zweck, Ergebnis und Anlage der Studie 15<br />

so oder so eine Meinung bilden. Man behaupte also erstens nicht, über jegliche<br />

Macht erhaben zu sein, und schaue zweitens auf die eigenen Machtkämpfe, bevor<br />

sie eskalieren. Die Meinungsfreiheit führt in den Meinungskampf. Niemand<br />

sollte sich wundern, dass menschlicher Freiheits- und Entfaltungsdrang immer<br />

in Konflikte führt, auf Widerstand, zuweilen sogar auf massive Feindschaft<br />

stößt. Denn erstens schränkt die Freiheit jedes Menschen die Freiheit aller anderen<br />

ein, sie fordert einen wechselseitigen Verzicht; und den zu erbringen,<br />

kostet Überwindung. Mal gewinnen die einen, mal die anderen. Und darüber<br />

hinaus gibt es die prinzipiellen Feinde und Verächter der Freiheit anderer, sie<br />

beanspruchen maximale Freiheit für sich und das alleinige Recht zu bestimmen,<br />

was gilt und was recht ist. Und <strong>mit</strong> der Usurpation dieses Rechtes beanspruchen<br />

sie nicht nur die Gewalt über dieses oder jenes, sondern die Macht und Entscheidungsgewalt<br />

über den Ausnahmezustand, ergo die Gewalt über die Gewalt über<br />

alles, sie lassen die Politik hinter sich und erklären den Bürgern den totalen<br />

<strong>Krieg</strong>. Diese Regierungsform trägt den Namen Despotismus. Dort ist die Gesellschaft<br />

Eigentum des Staates, in der Republik ist es umgekehrt. Freiheit ist folglich<br />

ohne Kampf gegen den Despotismus nicht zu haben.<br />

Daraus folgt aber nicht, Despotie könne nur gegen Despotie ausgetauscht<br />

werden. Wer so dächte, müsste den <strong>Krieg</strong> für das Mittel der Rechtsfindung halten.<br />

Um diesem verhängnisvollsten aller politischen Irrtümer entschlossen entgegenzutreten,<br />

einigen sich die Kämpfer für die prinzipiell gleiche Freiheit aller<br />

darauf, das Recht aller auf Rechte sowohl anzuerkennen als auch ihm zur Herrschaft<br />

zu verhelfen. Denn auch sie, oder besser: wir streben nach Macht. Wir –<br />

und dieses Wir ist hier appellativ-programmatisch, nicht ideologisch selbstermächtigend<br />

oder selbstlobend oder vereinnahmend gemeint – beschließen eine<br />

gerechte Verfassung, die das Recht aller auf Rechte für unantastbar erklärt und<br />

auf ewig stellt und da<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Kampf ein für alle Mal entzieht. Unsere Regierungsform<br />

trägt den Namen Republikanismus. Und im Machtstreben der Republik<br />

stehen Interessen und Prinzipien einander nicht entgegen, sondern das republikanische<br />

Prinzip der Gewaltenteilung gibt auch sehr gegensätzlichen Interessen<br />

Raum, ver<strong>mit</strong>telt sie und setzt ihnen gemeinsame Grenzen. Nichts liegt<br />

mehr im Interesse der Republik als republikanische Prinzipientreue.<br />

Die Advokaten der Despotie können nun gegen den Republikanismus eine<br />

Doppelstrategie verfolgen. Sie können den Gründungsakt einer freiheitlich <strong>dem</strong>okratischen<br />

Grundordnung ebenfalls als arroganten und usurpatorischen Gewaltakt<br />

einer selbsternannten Elite diffamieren, insbesondere in<strong>dem</strong> sie auf die<br />

darin angelegte Gewaltmonopolisierung verweisen und darauf spekulieren, dass<br />

manifeste Gewalt den Republikanismus delegitimiere. Der Republikanismus<br />

kann sich zwar bei der Aufrichtung einer republikanischen Verfassung noch<br />

nicht auf dieselbe gründen, niemand kann einen Rechtsweg beschreiten, wenn<br />

dieser noch gar nicht gebahnt ist. Der Gründungsakt ist aber auf das Innenverhältnis<br />

der Republik beschränkt; die Legiti<strong>mit</strong>ät republikanischer Konstitutionen,<br />

auch die einer Republik der Republiken, ruht auf friedlichem Einvernehmen, Gewalt<br />

als Mittel zur Gründung der Rechtsgemeinschaft ist abgeschafft. Da diese aber

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