12.04.2022 Aufrufe

Hartwig von Schubert: Nieder mit dem Krieg! (Leseprobe)

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

Jahrzehnte des Krieges in Afrika, auf dem Balkan, am Golf und im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Krieg in Mexiko, Krieg in Afghanistan. Die USA haben sich weltweit zurückgezogen, das Vakuum füllen andere. Europa sollte sich dieser Realität stellen, um nicht immer wieder von ihr überrascht zu werden; dies aber nicht auf dem Weg zurück in die Machtspiele des 19. Jahrhunderts, sondern auf den Wegen des Völkerrechts und durch die Errichtung von und die Mitwirkung an Systemen gemeinsamer Sicherheit. Liegt aber nicht gerade das Völkerrecht am Boden? Wer glaubt noch an die UN-Charta? Christen glauben nicht an die Charta, sondern an Gott und die Macht der Nächstenliebe. Zu diesem Glauben aber gehört das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrecht und zur zivilisierenden Kraft des Völkerrechts. Die Gründe für dieses Bekenntnis werden in Hartwig von Schuberts zukunftsorientierter »Ethik politischer Gewalt« ausführlich erläutert.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

28<br />

1 Einleitung<br />

Staat. Er soll für viele große Fragen die Lösung liefern, ist aber nur allzu oft das<br />

alles erdrückende Problem. Die politische Ethik ermutigt alle Menschen, sich<br />

um ihrer gemeinsamen bürgerlichen Freiheit willen an der Konstitution und<br />

Exekution rechtlich geordneter Macht und sowohl monopolisierter als auch geteilter<br />

Gewalt und ihrer Entfaltung in politisch kräftigen Staaten und Systemen<br />

kollektiver Sicherheit ebenso solidarisch wie kritisch zu beteiligen. In erster Linie<br />

handeln Menschen in Organisationen und Verbänden politisch im Sinne der<br />

kollektiven Verfolgung gemeinsamer Interessen in den Sphären der Zivilgesellschaft<br />

und des Marktes. Erst Politik, insofern sie alle angeht und öffentlich vor<br />

aller Augen auszuhandeln ist, weil sie die Sphäre jedes Individuums berührt<br />

und schon deshalb das Problem der Gewalt auf den Plan ruft, bedarf der staatlichen<br />

Befassung und Regelung. Das eigentliche Subjekt der Politik ist jedoch<br />

nicht der Staat, sondern die Bürgerschaft. Die durch Recht assoziierten Bürger<br />

sind die Spender der Legiti<strong>mit</strong>ät ihrer Staaten und Staatsgewalten ebenso wie<br />

der Legiti<strong>mit</strong>ät ihrer Staatensysteme zur Wahrung des Friedens.<br />

6. Zur Gewalt: Institutionstheoretisch ist <strong>von</strong> Gewalt, Gewalten und Mächten<br />

immer dann die Rede, wenn Personen ihre individuellen Potentiale politisch<br />

bündeln, d.h. für alle verbindlich zu organisieren versuchen. Handlungstheoretisch<br />

ist <strong>von</strong> Gewalt, Gewaltmaßnahmen und Gewaltkonflikten immer dann die<br />

Rede, wenn mindestens eine Person willentlich auf mindestens eine weitere Person<br />

in der Regel gegen deren Willen und unter Eingriff in deren Rechte <strong>mit</strong> starken<br />

Kräften einwirkt. Nur in bestimmten Ausnahmen (z.B. Kampfsport) wird<br />

Gewalt auch <strong>mit</strong> Zustimmung aller Beteiligten und unter Wahrung ihrer Rechte<br />

ausgeübt. Im Begriff politischer Gewalt verbindet sich beides: Politische Gewalt<br />

im emphatischen Sinne <strong>von</strong> Politik ist die Ausübung öffentlicher Gewalt durch<br />

legitime Gewalten, also Staatsgewalt, die vom Volk ausgeht (vgl. GG Art 20.2).<br />

Alle andere »politische« Gewalt ist privatisierte Gewalt unter Vortäuschung des<br />

Politischen und deshalb nicht leicht zu erkennen. Einer rein willkürlichen, eigennützigen<br />

und insofern kriminellen Gewalt kann ein verständiger Bürger ohnehin<br />

niemals zustimmen. Gewaltmaßnahmen in ihrer maximal schmerzhaften<br />

Wirkung sind die ultima ratio utrinque. Da<strong>mit</strong> es zum äußersten nicht kommt,<br />

zum <strong>Krieg</strong> nämlich als der Abwesenheit jeglicher Normen, muss willkürliche<br />

Gewalt <strong>dem</strong> Recht und seiner Gewalt unterworfen werden. Das auf den Prinzipien<br />

der Freiheit und Gleichheit ruhende und politisch erkämpfte Recht erlaubt<br />

keine Privilegien, sondern gewährt Willkürfreiheit stets allen in gleicher Weise.<br />

Jede Gewährung <strong>von</strong> Privilegien auf Grund des Geschlechtes oder anderer leiblicher<br />

Merkmale, der Abstammung, einer vermeintlichen Rassenzugehörigkeit,<br />

der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens oder einer religiösen oder<br />

politischen Anschauung ist vielmehr ein Akt willkürlicher, ergo illegitimer Gewalt.<br />

Eben darum schafft das Recht <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Rechtsstaat eine lückenlose, unhintergehbare,<br />

unausweichliche, letzte Verbindlichkeit sozialer Befehle, Regeln<br />

und Ordnungen, die sogar noch gegen den drohenden <strong>Krieg</strong> normierend handlungsfähig<br />

bleibt. Eine solche Verbindlichkeit wird durch einen politisch kräftigen<br />

Staat garantiert, der die Menschenwürde als Prinzip des Rechts anerkennt,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!