Kunstbulletin Oktober 2022
Unsere Oktober Ausgabe für 2022 mit Beiträgen zu Nora Toratu, Monica Bonvicini, F+F Schule für Kunst und Design, Klodin Erb, uvm.
Unsere Oktober Ausgabe für 2022 mit Beiträgen zu Nora Toratu, Monica Bonvicini, F+F Schule für Kunst und Design, Klodin Erb, uvm.
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Maja Rieder<br />
Basel — Was ist ein Zeichen? Wie entsteht<br />
Bedeutung? Und wie lässt sich diese wieder<br />
überschreiben? Es sind solche Fragen, die Maja<br />
Rieder (*1979, Kestenholz) in ihren Bildern<br />
beschäftigen. Konfrontiert mit der leeren weissen<br />
Fläche eines Papiers – denn auf solches<br />
malt sie bevorzugt –, beginnt sie oft mit einem<br />
simplen «x». Dieses taucht in unterschiedlicher<br />
Gestalt auf: In der aktuellen Ausstellung ‹fluke<br />
and figures› findet es sich mal als klar lesbares<br />
Zeichen in der Mitte eines Bildes, mal in Form<br />
einer Schraffur über die gesamte Bildfläche,<br />
mal als Leerstelle, mal als konturlose Fläche.<br />
Eine andere Strategie, um das Blatt zu strukturieren,<br />
liegt für Rieder darin, dass sie das<br />
Papier wie eine Leinwand über einen Rahmen<br />
oder auch eine Kiste spannt und später dann<br />
wieder ins Zweidimensionale zurückfaltet. Die<br />
an den Seiten des Rahmens heruntergelaufene<br />
Farbe – kleine unkontrollierte Ausbrüche aus<br />
der gesetzten Begrenzung – werden dann zum<br />
ausfransenden Rahmen des Bildes. Während<br />
Rieder früher oft schwarz-weiss malte, ist die<br />
Farbe mittlerweile ein wichtiges Element ihrer<br />
Bilder, in denen sich unzählige Schichten von<br />
mal aussergewöhnlich leuchtenden, teils durchscheinenden<br />
Gouachen und Tuschen überlagern.<br />
Genau diese Mehrschichtigkeit durchläuft<br />
Rieder in einigen der Arbeiten durch dominante<br />
Schraffuren und Balken im Vordergrund aber<br />
wieder – wobei der Blick auf die darunterliegenden<br />
Schichten dem Auge zwar versperrt wird,<br />
der Fantasie aber dennoch offen bleibt. MV<br />
Maja Rieder · flic flac no 13, <strong>2022</strong><br />
→ Galerie Tony Wuethrich, bis 22.10.<br />
↗ www.tony-wuethrich.com<br />
Rahima Gambo<br />
Bern — Der Titel ‹Bird Sound Orientations²›<br />
gibt ein Orientierungsmuster zur Ausstellung<br />
von Rahima Gambo (*1986) in der Kunsthalle<br />
vor: ähnlich dem intuitiven Flug von Vögeln,<br />
ihrem scheinbar schwerelosen, doch zielgerichteten<br />
«Gang» durch die Lüfte, gelenkt von<br />
einem unterschwelligen «Sound». Sounds<br />
begleiteten die nigerianische Künstlerin auch<br />
bei der Arbeit zur Ausstellung, nachzuhören als<br />
Playlist ‹Circular Breathing› auf Spotify.<br />
Mit dem intuitiven Gang, geleitet von inneren<br />
wie äusseren Eindrücken, befinden oder<br />
bewegen wir uns auch schon mitten in der<br />
Ausstellung. Von ihren ‹Walks› sind verschiedene<br />
Foto- und Videoarbeiten zu sehen und<br />
zu hören, denen ein Prinzip der intuitiven und<br />
assoziativen Collage gemein ist. Gambo führte<br />
in Bern auch einen Workshop durch, wovon<br />
ein Video mit Beobachtungen sowie Fundstücke<br />
der Teilnehmenden von ihren Walks<br />
gezeigt werden. Im wandfüllenden Video im<br />
Hauptraum, ‹Instruments of Air›, 2021, weisen<br />
in den Himmel hochgehaltene, symbolhafte Objekte<br />
den Weg durch die Landschaft. Einige der<br />
‹Utensilien› und weitere Objekte liegen davor<br />
wie eine zeichenhafte Erzählung des Beobachteten,<br />
und daneben führt die ‹Walk Sculpture›,<br />
<strong>2022</strong>, als grosse Kupferspirale in den angrenzenden<br />
Raum.<br />
Wandzeichnungen stellen die Bewegung weiter<br />
als lehrbuchhafte, körperliche Ertüchtigung<br />
dar und schaffen eine Verbindung zur Gemeinschaftsarbeit<br />
der Künstlerin mit dem Tasuniya<br />
Art Collective von Frauen einer nigerianischen<br />
Schule. Auffallend ist zunächst der omnipräsente,<br />
rot-weiss karierte Schuluniformstoff:<br />
als Kleidung, aber auch als Stoff beispielsweise<br />
von Vorhängen für eine Inszenierung mit<br />
Palmen und einer Videoarbeit mit den Schülerinnen.<br />
Im letzten Raum überspannt der Stoff<br />
eine langgezogene Bank, und bunte Stickereien<br />
des Kollektivs zieren deren Sitzfläche.<br />
Insofern lädt sie nicht zum Verweilen, sondern<br />
erneut zum Herumgehen und Betrachten ein.<br />
Zahlreiche Fotografien der Künstlerin zeigen<br />
die Schülerinnen in ihren Uniformen und – in<br />
70 <strong>Kunstbulletin</strong> 10/<strong>2022</strong>