Seeseiten – das Magazin für die Region Tegernsee, Nr. 72, Ausgabe Frühling 2023
Für Einheimische und Besucher: Die Seeseiten sind ein lokales High-End-Magazin für das Tegernseer Tal, einer der attraktivsten und gleichwohl anspruchsvollsten Regionen Deutschlands. Viermal im Jahr – jeweils zu Saisonbeginn im März, Juni, September und Dezember – bieten die Seeseiten den Bewohnern und zahlreichen Besuchern des Tals hochwertigen Lesestoff. Das alles in einem Layout, das so ist wie die Region: modern, attraktiv – und trotzdem keinem Trend hinterherrennend.
Für Einheimische und Besucher: Die Seeseiten sind ein lokales High-End-Magazin für das
Tegernseer Tal, einer der attraktivsten und gleichwohl anspruchsvollsten Regionen
Deutschlands. Viermal im Jahr – jeweils zu Saisonbeginn im März, Juni, September und
Dezember – bieten die Seeseiten den Bewohnern und zahlreichen Besuchern des Tals
hochwertigen Lesestoff. Das alles in einem Layout, das so ist wie die Region: modern, attraktiv – und trotzdem keinem Trend hinterherrennend.
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Dieses Mal:<br />
Hätt i, dad i, war i<br />
Illustration: panthermedia<br />
von Tatjana Kerschbaumer<br />
Wir Bayern sind höfliche Menschen. So sehr<br />
wir manchmal granteln und schimpfen, so<br />
wichtig ist es uns, im richtigen Moment äußerste<br />
Freundlichkeit walten zu lassen. Ich<br />
habe zum Beispiel einmal versucht, am Telefon besonders<br />
nett zu einem hochrangigen hanseatischen Manager zu<br />
sein, der mir mit einem Kontakt <strong>für</strong> einen Artikel weiterhelfen<br />
sollte. „Hättatn Sie sei E-Mail-Adress?“, habe ich gefragt<br />
<strong>–</strong> worauf aus Hamburg ein joviales „Na, na, kein Grund zu<br />
stottern“ zurückkam.<br />
Gestottert habe ich mitnichten <strong>–</strong> allerdings dem sprachkritischen<br />
Manager auch nicht erklärt, <strong>das</strong>s er gerade den bairischen<br />
Konjunktiv vernommen hatte. Ob es sich um den<br />
erweiterten Konjunktiv 2 oder sogar den Konjunktiv 3 handelt,<br />
daran scheiden sich <strong>die</strong> Dialektforscher. An solchen<br />
Feinheiten wollen wir Bayern uns aber auch gar nicht aufhängen:<br />
Wichtig ist vor allem, <strong>das</strong> vermeintliche Stottern<br />
zielführend und der Situation angemessen einzusetzen.<br />
Es gibt zwar noch weitere Möglichkeiten, ihn zu verwenden,<br />
besonders beliebt ist der bairische Konjunktiv aber,<br />
um unaufdringliche bis respektvolle Höflichkeit auszudrücken.<br />
Ein beliebtes Beispiel ist der Ausspruch: „I war jetz<br />
do.“ Zu Deutsch: „Ich habe gerade den Raum/<strong>die</strong> Arztpraxis/<br />
<strong>das</strong> Versicherungsbüro betreten und bin bereit <strong>für</strong> meinen<br />
Termin. Wenn ich aber noch zehn Minuten warten muss,<br />
ist <strong>das</strong> völlig in Ordnung, ich möchte mich nicht aufdrängen.“<br />
Sie sehen: Einen Job, <strong>für</strong> den <strong>das</strong> Hochdeutsche mehrere<br />
Sätze braucht, erledigt <strong>das</strong> Bairische in drei Worten. Je<br />
nach <strong>Region</strong> wird es noch höflicher, wenn <strong>das</strong> „war“ (wäre)<br />
mit dem Suffix -at oder -ad ergänzt wird: „I warad jetz do“<br />
drückt <strong>die</strong>selbe Botschaft aus, nur noch einen Tick respektvoller.<br />
Mein Hamburger Manager war also so geplättet von bayerischer<br />
Freundlichkeit, <strong>das</strong>s er eher einen Sprachfehler<br />
vermutete denn so viel Anstand. Mit „Hättn Sie sei E-Mail-<br />
Adress?“ wäre er wohl gut zurechtgekommen, <strong>das</strong> Suffix<br />
-at gab ihm den Rest. Immerhin: Die Kernbotschaft kam<br />
durch. Trotzdem würde er wohl einen Logopäden alarmieren,<br />
könnte er hören, <strong>das</strong>s im Wirtshaus durchaus Fragen<br />
wie „Kanndads ihr zamrucka?“ gestellt werden. Also eine<br />
freundliche Bitte, durch Kuschelkurs auf der Eckbank mehr<br />
Platz <strong>für</strong> Neuankömmlinge zu schaffen.<br />
Grundsätzlich gilt in Sachen bayerischer Höflichkeit: Nicht<br />
zu viel und nicht zu wenig. Für <strong>die</strong> fesche Bäckereifachverkäuferin,<br />
<strong>die</strong> man ohnehin jeden zweiten Tag sieht und<br />
mit der man über Kind, Kegel und Kreuzweh plaudert,<br />
reicht <strong>das</strong> simple „Dadsd ma an Krapfn gem?“: Man duzt,<br />
drückt mit dem Konjunktiv aber trotzdem aus, <strong>das</strong>s sie <strong>das</strong><br />
Schmalzgebäck ja rein theoretisch nicht rausrücken könnte<br />
<strong>–</strong> und man froh wäre, wenn sie es obgleich <strong>die</strong>ser Möglichkeit<br />
eintüten würde. Säße man stattdessen mit einem Professor<br />
Doktor Doktor am Kaffeetisch, würde man eher formulieren:<br />
„Dadadn Sie mir an Krapfn gem?“: Man siezt (ein<br />
eher formelles Treffen einmal vorausgesetzt) und erweitert<br />
den Konjunktiv um -ad. So kann sich der Würdenträger sicher<br />
sein, <strong>das</strong>s man mit gebührendem Respekt nach süßen<br />
Teilchen fragt. Vorausgesetzt, er ist des Bairischen mächtig.<br />
Weil ich mittlerweile weiß, <strong>das</strong>s soviel sprachliche Katzbuckelei<br />
in Restdeutschland nicht unbedingt üblich ist, spare<br />
ich sie mir üblicherweise, sobald<br />
ich mit Menschen jenseits<br />
des Weißwurstäquators<br />
zu tun habe. Schade<br />
ist <strong>das</strong> aber eigentlich<br />
schon. Ich meine:<br />
Wenn olle a weng<br />
freindlicha waradn,<br />
kanddad de Wäid doch<br />
scheena sei.<br />
Die gebürtige <strong>Tegernsee</strong>rin Tatjana Kerschbaumer ratscht am liebsten bairisch. Zwar beherrscht sie berufsbedingt<br />
auch sauberstes Schriftdeutsch, aber wann immer es geht, pflegt sie ihren Dialekt. In <strong>die</strong>ser Kolumne erklärt sie<br />
Begriffe und Wendungen, bei denen sie selbst gelegentlich erstmal nachdenken muss, was <strong>das</strong> heißen könnte.<br />
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