Sozialarbeit und/oder virtuelle Welten? - E-Beratungsjournal
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deutschsprachigen Chat-Kontakt unterstellen die Beteiligten normalerweise unter<br />
anderem, dass das jeweilige Gegenüber nicht im Rollstuhl sitzt, nicht blind ist, nicht<br />
schielt, nicht stottert, nicht von Akne, Neur<strong>oder</strong>mitis, <strong>oder</strong> Adipositas betroffen ist, keine<br />
dunkle Hautfarbe hat <strong>und</strong> nicht außerhalb von Deutschland geboren wurde“ (Döring<br />
2003: 381). Somit ist es möglich, dass die Betroffenen ohne etwas Besonderes zu tun, ihre<br />
Identität in den Augen der anderen wechseln. Solange solche Bekanntschaften reine<br />
Internet-Bekanntschaften bleiben, funktioniert dies sehr gut (vgl. Döring 2003: 381).<br />
Für Betroffene ist es somit auf der einen Seite eine gute Möglichkeit soziale Anerkennung<br />
ohne Stigmatisierungen zu erleben, auf der anderen Seite kann dies dann belastend auf sie<br />
wirken, wenn aus der Internetbekanntschaft eine reale Bekanntschaft wird.<br />
3.3.6 Wechsel von der „Normalität“ zum „Supermensch“<br />
Fast jeder, der sich im Internet schon einmal mit Unbekannten unterhalten hat, kennt die<br />
Frage, wie wohl sein „Gegenüber“ aussieht. Es ist recht weit verbreitet, dass schon beim<br />
Erstkontakt per Foto <strong>oder</strong> verbaler Selbstbeschreibung abgeklärt wird, wie das äußere<br />
Erscheinungsbild des jeweils Anderen ist. Sehr häufig wird dabei das Ziel verfolgt, sich<br />
attraktiver zu beschreiben, als man in Wirklichkeit ist. Besonders wenn vermutet wird,<br />
dass sich auf der anderen Seite ein/eine potenzielleR PartnerIn befindet, wird versucht, so<br />
attraktiv wie möglich zu wirken, um seine Kontaktchancen <strong>und</strong> auch das Selbstwertgefühl<br />
zu verbessern.<br />
Diese Idealisierung gemäß gängigen Schönheitsidealen ist weit verbreitet <strong>und</strong> auch unter<br />
UserInnen bekannt. Durch das Wissen, dass im Netz viel simuliert ist, wird die Neugier auf<br />
das „wirkliche“ Aussehen zum einen verstärkt <strong>und</strong> zum anderen kollidiert es oft mit der<br />
eigenen Vorstellung des Gegenübers. Döring (2003: 383) schreibt dazu: „Das <strong>virtuelle</strong><br />
Design des Körpers ist also im Spannungsfeld eigener Idealvorstellungen <strong>und</strong><br />
Kontrollwünsche, antizipierter Erwartungen des Gegenübers <strong>und</strong> widerständiger<br />
Realitäten angesiedelt“. Dabei stellt sich aber die Frage, ob durch die Möglichkeit des<br />
Identitätswechsels zum „Supermensch“ nicht eine Entfremdung vom Körper <strong>und</strong> ein<br />
Perfektionszwang vorangetrieben werden (vgl. Döring 2003: 383f).<br />
Zusammenfassend bieten alle diese Möglichkeiten, mit der Identität zu jonglieren, auf der<br />
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