Roethlein B. Das Innerste der Dinge.. Einfuehrung in - tiera.ru
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<strong>Das</strong> Ziel, e<strong>in</strong>e Bombe zu bauen, die die gewaltigen Energiemengen,<br />
die im Atomkern stecken, schlagartig freisetzt,<br />
war wissenschaftlich betrachtet noch weit ehrgeiziger als die<br />
Vorstellung, die Kernenergie friedlich zu nutzen. Denn für<br />
letzteres genügt es, wenn e<strong>in</strong>e Kettenreaktion <strong>in</strong> Gang gebracht<br />
wird, die sich stetig selbst erhält, das heißt, bei je<strong>der</strong><br />
Kernspaltung muß im Durchschnitt e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> freigesetzten<br />
Neutronen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e erneute Spaltung herbeizuführen.<br />
Für e<strong>in</strong>e Bombe war es jedoch nötig, e<strong>in</strong>e ganze Law<strong>in</strong>e<br />
von Spaltungen <strong>in</strong> Gang zu setzen, damit die Energie auf<br />
e<strong>in</strong>en Schlag gigantische Ausmaße annimmt. Ke<strong>in</strong>er wußte<br />
zunächst, ob dies re<strong>in</strong> physikalisch überhaupt möglich se<strong>in</strong><br />
würde. Als die Theoretiker jedoch grünes Licht gaben, begannen<br />
Versuche, die zum Teil so gefährlich waren, daß sie e<strong>in</strong>igen <strong>der</strong><br />
Experimentatoren das Leben kosteten.<br />
Um die erwähnte Law<strong>in</strong>e von Spaltungsreaktionen zu erzeugen,<br />
ist es nötig, daß pro Spaltung mehr als e<strong>in</strong> Neutron <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Lage ist, e<strong>in</strong>e weitere Spaltung herbeizuführen. Es sollten<br />
sogar möglichst viele se<strong>in</strong>, um die Law<strong>in</strong>e schnell ansteigen zu<br />
lassen: Wären es jeweils zwei neue Spaltungen, stiege die Anzahl<br />
bei jedem Schritt um den Faktor zwei an: l, 2, 4, 8, 16<br />
und so fort. Bei e<strong>in</strong>em höheren Faktor wäre <strong>der</strong> Anstieg natürlich<br />
dramatischer.<br />
In den nächsten Jahren drehte sich <strong>in</strong> Los Alamos alles da<strong>ru</strong>m,<br />
diese Law<strong>in</strong>e von Spaltungen möglich zu machen. Nachdem<br />
Niels Bohr bewiesen hatte, daß Uran 235 das Isotop sei, das<br />
sich durch thermische Neutronen am besten spalten ließe,<br />
begann man, Verfahren zu erproben, mit denen man dieses seltene<br />
Isotop, von dem sich nur sieben unter tausend Atomen Natur-<br />
Uran bef<strong>in</strong>den, anzureichern. Dies war wohl <strong>der</strong> teuerste Teil<br />
des Unternehmens. Man stampfte Anfang <strong>der</strong> vierziger Jahre <strong>in</strong><br />
Oak Ridge im US-Staat Tennessee e<strong>in</strong>e militärische Stadt aus<br />
dem Boden, die mit 79 000 E<strong>in</strong>wohnern zur fünftgrößten Stadt<br />
des Bundesstaates wurde. Dort begann<br />
1943 mit gigantischem Aufwand e<strong>in</strong>e Anlage nach dem Pr<strong>in</strong>zip<br />
des so genannten Calutrons zu arbeiten, e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung<br />
des Massenspektrographen. Ke<strong>in</strong> Aufwand war zu<br />
groß. So reichte beispielsweise das <strong>in</strong> den USA verfügbare<br />
Kupfer für die Drahtw<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> den Tausenden von hochpräzisen<br />
Calutrons nicht aus. Man musste auf Silber<br />
ausweichen. <strong>Das</strong> Schatzamt lieh dafür Silber im Wert von<br />
dreihun<strong>der</strong>t Millionen Dollar aus. Erst nach dem Krieg erhielt<br />
es das Silber wie<strong>der</strong> zurück.<br />
Gleichzeitig beschritt man aber noch e<strong>in</strong>en zweiten, parallelen<br />
Weg. Im Juli 1940 hatte sich <strong>der</strong> deutsche Physiker Carl<br />
Friedrich von Weizsäcker mit <strong>der</strong> Frage befaßt, was wohl mit<br />
Uran 238, dem häufigsten Uranisotop, geschehen würde,<br />
wenn man es starkem Neutronenfluss aussetzen würde. Er vermutete,<br />
daß manche <strong>der</strong> Uranatome e<strong>in</strong> Neutron aufnehmen<br />
würden, ohne dabei zu zerplatzen, und sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Transuran<br />
mit <strong>der</strong> Ordnungszahl 93 o<strong>der</strong> gar 94 verwandeln könnten.<br />
Dies war genau die Reaktion, die Fermi <strong>in</strong> den dreißiger Jahren<br />
vergeblich gesucht hatte. Inzwischen waren jedoch die<br />
Analysemethoden fe<strong>in</strong>er, und so gelang es im Januar 1941 im<br />
kalifornischen Berkeley dem Team um Theodore Glenn Seaborg<br />
zum ersten Mal, durch Beschluss von Uran mit Neutronen<br />
Spuren des Elements mit <strong>der</strong> Ordnungszahl 94 herzustellen.<br />
Man nannte es Plutonium. So ger<strong>in</strong>g die hergestellte Menge<br />
auch war, sie reichte aus, um zu beweisen, dass das neue Element<br />
alle vorhergesagten Eigenschaften besaß, es war also auch <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Lage, als Spaltstoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bombe e<strong>in</strong>gesetzt zu werden.<br />
Nun begannen neben <strong>der</strong> Isotopenanreiche<strong>ru</strong>ng im Uran<br />
also weitere Bemühungen, Plutonium herzustellen. <strong>Das</strong>s die<br />
Ausbeute durch Bestrahlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beschleuniger viel zu<br />
ger<strong>in</strong>g se<strong>in</strong> würde, war von Anfang an klar, aber man erhoffte<br />
sich, durch hohe Neutronenflüsse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reaktor Plutonium<br />
aus Uran regelrecht »erbrüten« zu können.