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Kurzeitung_12-2023

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Gut zu wissen<br />

eine große Herausforderung auf die europäische<br />

Völkergemeinschaft zu. Es ging<br />

nicht bloß um weitere Mitglieder in der<br />

nun „Europäische Union“ genannten Gemeinschaft,<br />

sondern auch um inhaltliche<br />

Vertiefungen bis hin zur – von der CSU<br />

schon 1946 erträumten – Wirtschaftsund<br />

Währungsunion. Der heute so geschätzte<br />

„Vater des Euro“, der deutsche<br />

„Ohne grenzüberschreitende<br />

Polizei­ und Strafverfolgungsbehörden<br />

wäre nur dem vielfältigen<br />

Verbrechen gedient, das bekanntermaßen<br />

nicht nur von ,Ausländern‘ begangen<br />

wird.“<br />

Bundesfinanzminister Theo Waigel, hatte<br />

alle Hände voll zu tun, die neue Währung<br />

zu verteidigen, nachdem gegen die<br />

„Abschaffung der D­Mark“ polemisiert<br />

wurde. Dass der Sitz der neuen Europäischen<br />

Zentralbank in Frankfurt/Main herauskam,<br />

wurde damals kaum als Erfolg<br />

gesehen. Aber nicht nur im bayerisch­österreichischen<br />

Grenzraum wäre heutzutage<br />

ohne den Euro kein Fortschritt zu<br />

erzielen. Als haushalts­ und finanzpolitischer<br />

Sprecher der CSU­Landesgruppe<br />

steckte ich nach der Wiedervereinigung<br />

voll in den Turbulenzen.<br />

Europäische Herausforderungen<br />

Der Blick in geschichtliche Zusammenhänge<br />

hatte noch nie geschadet.<br />

Nicht mal die wegen der Währungsentwicklung<br />

entstandene „Alternative für<br />

Deutschland“ denkt heute noch an die<br />

Wiedereinführung kleinstaatlicher Währungen.<br />

Man stelle sich im Gegenteil<br />

vor, BRICS (also die neuen Aufsteiger<br />

Brasilien, Russland, Indien, China und<br />

Südafrika) fordere den US­Dollar und<br />

den Euro heraus und Europa hielte mit<br />

Kleinwährungen dagegen. Dasselbe<br />

gilt für das gemeinsame Rechtssystem<br />

in Europa, welches auch die Bekämpfung<br />

der Korruption zum Ziel hat. Ohne<br />

grenzüberschreitende Polizei­ und Strafverfolgungsbehörden<br />

wäre nur dem<br />

vielfältigen Verbrechen gedient, das<br />

bekanntermaßen nicht nur von „Ausländern“<br />

begangen wird. Vielsprachige<br />

Bildungsgänge und deren supranationale<br />

Anerkennung gehören heute ebenso<br />

zum Standard wie Umwelt­ und Klimaschutz.<br />

Die größte Herausforderung ist<br />

wohl die Verteidigungsfähigkeit, die einzelstaatlich<br />

längst nicht mehr gewährleistet<br />

werden kann. Winston Churchill<br />

hatte einst die Vision, die Teilungen Europas<br />

zu beenden, nachdem sie nur zu<br />

Krieg und Verderben geführt hatten. Es<br />

muss also gemeinsame Anstrengungen<br />

geben, um Kriege innerhalb Europas und<br />

gegen Aggressoren von außen zu verhindern.<br />

Wichtig ist letzteres, damit nationale<br />

Großmannssucht und imperiale Hybris<br />

Makel der letzten Jahrhunderte bleiben.<br />

Man stelle sich vor, Putins Traum<br />

von einem Groß­Russland schwappe<br />

auch auf irregeleitete europäische Potentaten<br />

über. Gebietsansprüche früherer<br />

Jahrhunderte würden zu Krieg und<br />

Tod führen. Das muss auch Leuten wie<br />

„Die Bürgerinnen und Bürger<br />

müssen nur genau hinschauen,<br />

wer seriös­zuverlässig oder populistisch­großprahlerisch<br />

auftritt.“<br />

Viktor Orban gesagt werden, die immer<br />

noch beklagen, dass „nationales Blut“ in<br />

Nachbarstaaten abgezapft werde, oder<br />

manchen neudeutschen Politikern, die<br />

unverblümt schwadronieren „Von der<br />

Maas bis an die Memel“. Europa war<br />

von Anfang an eine Friedensidee, wusste<br />

aber auch, dass es sich selbst helfen<br />

musste, wenn es den Frieden bewahren<br />

wollte. Transatlantisch und europäisch,<br />

das waren die Schlüsselwörter. Nichts<br />

war einfach, man erinnere sich nur an<br />

den Streit zwischen Transatlantikern<br />

und Gaullisten. Frankreich hatte zwar<br />

die gewünschte „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“<br />

verhindert, aber<br />

dann im Zuge der Suez­Krise 1956 und<br />

unter Charles de Gaulle die Bundesrepublik<br />

umgarnt. Es kam 1963 zum<br />

Deutsch­Französischen Jugendwerk<br />

und zu einer triumphalen Besuchsreise<br />

des französischen Staatspräsidenten<br />

auch nach München. Der Druck des Kalten<br />

Kriegs hielt jedoch die Bundesrepublik<br />

treu in der NATO. Die gemeinsame<br />

euro­atlantische Sicherheitsarchitektur<br />

überlebte auch das Ende des Ost­West­<br />

Konflikts 1990. Zumindest eine CDU/<br />

CSU­Bundesregierung war nie in der<br />

Versuchung, mehr Moskau als Washington<br />

zum Partner zu haben.<br />

Um Grundsätzliches, aber auch um neue<br />

Inhalte wird es in den kommenden Jahren<br />

gehen. Zaghafte Menschen sehen<br />

nur die Gefahren, beispielsweise die neuen<br />

Egoismen und Nationalismen in manchen<br />

Einzelstaaten der EU. Doch auch<br />

innerhalb der Bundesrepublik Deutschland<br />

gibt es viele Egoismen – oder was<br />

manche so empfinden. Die Bayern<br />

wissen ein Lied davon zu singen. Beim<br />

Länderfinanzausgleich fällt ihnen sofort<br />

das Pleite­Land Bremen ein, natürlich<br />

auch, weil es „rotgrün“ regiert wird. Mit<br />

dem Land Berlin kann Bayern seit dem<br />

dortigen Regierungswechsel nicht mehr<br />

Schlitten fahren. Aber es fordert praktisch<br />

niemand eine Abschaffung der<br />

Bundesrepublik, nicht einmal eine politische<br />

Umgestaltung. Freilich hört man<br />

immer wieder Stimmen, die nach der<br />

Wiedervereinigung auch eine Veränderung<br />

des Grundgesetzes wollten, zumindest<br />

eine Ergänzung. Der große Trend<br />

lautet aber: politische Duftmarken setzen,<br />

aber nicht das Ganze in Frage stellen.<br />

Wenn das auch für den europäischen<br />

Traum gilt, ist ein guter Weg beschritten.<br />

Die Bürgerinnen und Bürger müssen nur<br />

genau hinschauen, wer seriös­zuverlässig<br />

oder populistisch­großprahlerisch<br />

auftritt. Sich erneut real die Köpfe einzuschlagen,<br />

bleibt uns hoffentlich erspart.<br />

Das Jahr 2024 könnte – 75 Jahre<br />

nach der Gründung der Bundesrepublik<br />

Deutschland – auf europäischer Ebene<br />

ebenfalls ein gutes werden.<br />

Dezember <strong>2023</strong> / Januar 2024<br />

KURZeitung<br />

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