Kurzeitung_12-2023
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gut zu wissen<br />
eine große Herausforderung auf die europäische<br />
Völkergemeinschaft zu. Es ging<br />
nicht bloß um weitere Mitglieder in der<br />
nun „Europäische Union“ genannten Gemeinschaft,<br />
sondern auch um inhaltliche<br />
Vertiefungen bis hin zur – von der CSU<br />
schon 1946 erträumten – Wirtschaftsund<br />
Währungsunion. Der heute so geschätzte<br />
„Vater des Euro“, der deutsche<br />
„Ohne grenzüberschreitende<br />
Polizei und Strafverfolgungsbehörden<br />
wäre nur dem vielfältigen<br />
Verbrechen gedient, das bekanntermaßen<br />
nicht nur von ,Ausländern‘ begangen<br />
wird.“<br />
Bundesfinanzminister Theo Waigel, hatte<br />
alle Hände voll zu tun, die neue Währung<br />
zu verteidigen, nachdem gegen die<br />
„Abschaffung der DMark“ polemisiert<br />
wurde. Dass der Sitz der neuen Europäischen<br />
Zentralbank in Frankfurt/Main herauskam,<br />
wurde damals kaum als Erfolg<br />
gesehen. Aber nicht nur im bayerischösterreichischen<br />
Grenzraum wäre heutzutage<br />
ohne den Euro kein Fortschritt zu<br />
erzielen. Als haushalts und finanzpolitischer<br />
Sprecher der CSULandesgruppe<br />
steckte ich nach der Wiedervereinigung<br />
voll in den Turbulenzen.<br />
Europäische Herausforderungen<br />
Der Blick in geschichtliche Zusammenhänge<br />
hatte noch nie geschadet.<br />
Nicht mal die wegen der Währungsentwicklung<br />
entstandene „Alternative für<br />
Deutschland“ denkt heute noch an die<br />
Wiedereinführung kleinstaatlicher Währungen.<br />
Man stelle sich im Gegenteil<br />
vor, BRICS (also die neuen Aufsteiger<br />
Brasilien, Russland, Indien, China und<br />
Südafrika) fordere den USDollar und<br />
den Euro heraus und Europa hielte mit<br />
Kleinwährungen dagegen. Dasselbe<br />
gilt für das gemeinsame Rechtssystem<br />
in Europa, welches auch die Bekämpfung<br />
der Korruption zum Ziel hat. Ohne<br />
grenzüberschreitende Polizei und Strafverfolgungsbehörden<br />
wäre nur dem<br />
vielfältigen Verbrechen gedient, das<br />
bekanntermaßen nicht nur von „Ausländern“<br />
begangen wird. Vielsprachige<br />
Bildungsgänge und deren supranationale<br />
Anerkennung gehören heute ebenso<br />
zum Standard wie Umwelt und Klimaschutz.<br />
Die größte Herausforderung ist<br />
wohl die Verteidigungsfähigkeit, die einzelstaatlich<br />
längst nicht mehr gewährleistet<br />
werden kann. Winston Churchill<br />
hatte einst die Vision, die Teilungen Europas<br />
zu beenden, nachdem sie nur zu<br />
Krieg und Verderben geführt hatten. Es<br />
muss also gemeinsame Anstrengungen<br />
geben, um Kriege innerhalb Europas und<br />
gegen Aggressoren von außen zu verhindern.<br />
Wichtig ist letzteres, damit nationale<br />
Großmannssucht und imperiale Hybris<br />
Makel der letzten Jahrhunderte bleiben.<br />
Man stelle sich vor, Putins Traum<br />
von einem GroßRussland schwappe<br />
auch auf irregeleitete europäische Potentaten<br />
über. Gebietsansprüche früherer<br />
Jahrhunderte würden zu Krieg und<br />
Tod führen. Das muss auch Leuten wie<br />
„Die Bürgerinnen und Bürger<br />
müssen nur genau hinschauen,<br />
wer seriöszuverlässig oder populistischgroßprahlerisch<br />
auftritt.“<br />
Viktor Orban gesagt werden, die immer<br />
noch beklagen, dass „nationales Blut“ in<br />
Nachbarstaaten abgezapft werde, oder<br />
manchen neudeutschen Politikern, die<br />
unverblümt schwadronieren „Von der<br />
Maas bis an die Memel“. Europa war<br />
von Anfang an eine Friedensidee, wusste<br />
aber auch, dass es sich selbst helfen<br />
musste, wenn es den Frieden bewahren<br />
wollte. Transatlantisch und europäisch,<br />
das waren die Schlüsselwörter. Nichts<br />
war einfach, man erinnere sich nur an<br />
den Streit zwischen Transatlantikern<br />
und Gaullisten. Frankreich hatte zwar<br />
die gewünschte „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“<br />
verhindert, aber<br />
dann im Zuge der SuezKrise 1956 und<br />
unter Charles de Gaulle die Bundesrepublik<br />
umgarnt. Es kam 1963 zum<br />
DeutschFranzösischen Jugendwerk<br />
und zu einer triumphalen Besuchsreise<br />
des französischen Staatspräsidenten<br />
auch nach München. Der Druck des Kalten<br />
Kriegs hielt jedoch die Bundesrepublik<br />
treu in der NATO. Die gemeinsame<br />
euroatlantische Sicherheitsarchitektur<br />
überlebte auch das Ende des OstWest<br />
Konflikts 1990. Zumindest eine CDU/<br />
CSUBundesregierung war nie in der<br />
Versuchung, mehr Moskau als Washington<br />
zum Partner zu haben.<br />
Um Grundsätzliches, aber auch um neue<br />
Inhalte wird es in den kommenden Jahren<br />
gehen. Zaghafte Menschen sehen<br />
nur die Gefahren, beispielsweise die neuen<br />
Egoismen und Nationalismen in manchen<br />
Einzelstaaten der EU. Doch auch<br />
innerhalb der Bundesrepublik Deutschland<br />
gibt es viele Egoismen – oder was<br />
manche so empfinden. Die Bayern<br />
wissen ein Lied davon zu singen. Beim<br />
Länderfinanzausgleich fällt ihnen sofort<br />
das PleiteLand Bremen ein, natürlich<br />
auch, weil es „rotgrün“ regiert wird. Mit<br />
dem Land Berlin kann Bayern seit dem<br />
dortigen Regierungswechsel nicht mehr<br />
Schlitten fahren. Aber es fordert praktisch<br />
niemand eine Abschaffung der<br />
Bundesrepublik, nicht einmal eine politische<br />
Umgestaltung. Freilich hört man<br />
immer wieder Stimmen, die nach der<br />
Wiedervereinigung auch eine Veränderung<br />
des Grundgesetzes wollten, zumindest<br />
eine Ergänzung. Der große Trend<br />
lautet aber: politische Duftmarken setzen,<br />
aber nicht das Ganze in Frage stellen.<br />
Wenn das auch für den europäischen<br />
Traum gilt, ist ein guter Weg beschritten.<br />
Die Bürgerinnen und Bürger müssen nur<br />
genau hinschauen, wer seriöszuverlässig<br />
oder populistischgroßprahlerisch<br />
auftritt. Sich erneut real die Köpfe einzuschlagen,<br />
bleibt uns hoffentlich erspart.<br />
Das Jahr 2024 könnte – 75 Jahre<br />
nach der Gründung der Bundesrepublik<br />
Deutschland – auf europäischer Ebene<br />
ebenfalls ein gutes werden.<br />
Dezember <strong>2023</strong> / Januar 2024<br />
KURZeitung<br />
59