Kurzeitung_12-2023
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aus Bad Füssing<br />
„Weihnachten ist zwölf Monate lang unüberhörbar und unübersehbar“<br />
Von Bernd Kasper<br />
Weihnachten ist unübersehbar.<br />
Ab September stehen in den Geschäften<br />
weihnachtliche Süßwaren<br />
zum Kauf bereit, ab Oktober präsentiert<br />
uns die Werbung die verschiedensten<br />
Geschenkideen, im November wird an<br />
vielen Straßen und Plätzen weihnachtliche<br />
Beleuchtung und Dekoration angebracht.<br />
Im Dezember weisen zahlreiche<br />
Christkindlmärkte, Adventsingen, Weihnachtsfeiern<br />
und soziale Aktionen auf<br />
das nahende große Fest hin.<br />
So öffentlichkeitswirksam war das ursprünglich<br />
zugrundeliegende Ereignis<br />
bei weitem nicht. Das LukasEvangelium<br />
erzählt von der Geburt eines kleinen Kindes<br />
unter ärmlichen Verhältnissen. Diejenigen,<br />
die davon erfuhren, gehörten<br />
ebenfalls zur Unterschicht der Gesellschaft.<br />
Hätte es damals schon Zeitungen<br />
gegeben, wäre keine einzige Zeile<br />
„Gott ist in Jesus Christus<br />
Mensch geworden. Er begegnet<br />
uns ,auf Augenhöhe‘. Er teilt unser<br />
menschliches Leben, einschließlich<br />
der Sterblichkeit, um uns Zugang zum<br />
göttlichen Leben zu eröffnen.“<br />
darüber zu lesen gewesen. Freilich findet<br />
der Evangelist Mittel und Wege, den<br />
Leser/innen die weltbewegende Dimension<br />
des unscheinbaren Geschehens<br />
deutlich zu machen: In seiner Erzählung<br />
taucht ein Engel auf; dieser verkündet<br />
eine „große Freude, die dem ganzen<br />
Volk zuteilwerden soll“. Schließlich erscheint<br />
ein „großes himmlisches Heer“<br />
und lobt Gott. Damit deutet sich schon<br />
an: Das Kind, das da zur Welt kam, wird,<br />
wenn es groß ist, von sich (und damit<br />
von Gott) reden machen und das Leben<br />
vieler Menschen verändern.<br />
Es brauchte ein paar Jahrhunderte, bis<br />
die Geburt Jesu Anlass für ein eigenes<br />
Fest wurde, und wiederum etliche Jahrhunderte,<br />
bis das Fest die Ausmaße angenommen<br />
hat, die wir heute kennen.<br />
Für viele ist Weihnachten, so unübersehbar<br />
seit Wochen darauf hingewiesen<br />
wird, nach zwei Tagen wieder vorbei.<br />
Dann richtet sich die Aufmerksamkeit<br />
auf den Jahresschluss oder gleich auf<br />
Bernd Kasper, Pfarrer im Pfarrverband Bad Füssing:<br />
„Gott ist mit uns in seinem menschgewordenen Sohn<br />
– nicht nur am Fest, sondern jeden Tag.“<br />
den Fasching. In Bälde gibt es die ersten<br />
Osterhasen und Ostereier zu kaufen.<br />
In der Liturgie der Kirche dauert die<br />
Weihnachtszeit etwa zwei Wochen: vom<br />
Vorabend des 1. Weihnachtsfeiertags<br />
bis zum Sonntag nach Dreikönig. Die<br />
Botschaft, die dabei in den verschiedenen<br />
Aspekten zum Ausdruck kommt,<br />
ist so bedeutsam, dass sie nicht für den<br />
Rest des Jahres „ad acta“ gelegt werden<br />
kann: Gott ist in Jesus Christus Mensch<br />
geworden. Er begegnet uns „auf Augenhöhe“.<br />
Er teilt unser menschliches<br />
Leben, einschließlich der Sterblichkeit,<br />
um uns Zugang zum göttlichen Leben zu<br />
eröffnen.<br />
Ein uraltes Gebet (genannt „Der Engel<br />
des Herrn“ oder „Angelus“) betrachtet<br />
diese Thematik in drei Schritten, jeweils<br />
verbunden mit einem „Ave Maria“:<br />
» „Der Engel des Herrn brachte Maria<br />
die Botschaft, und sie empfing vom<br />
Heiligen Geist.“<br />
» „Maria sprach: Siehe, ich bin die<br />
Magd des Herrn. Mir geschehe nach<br />
deinem Wort.“<br />
» „Und das Wort ist Fleisch geworden,<br />
und hat unter uns gewohnt.“<br />
Das ganze Jahr über laden die Kirchenglocken<br />
morgens (meist um 6.00 Uhr<br />
oder um 7.00 Uhr), mittags (um <strong>12</strong>.00<br />
Uhr) und abends (meist um 18.00 Uhr)<br />
mit dem „Gebetläuten“ (auch „AngelusLäuten“<br />
genannt) dazu ein, dieses<br />
Gebet zu sprechen, sofern möglich, und<br />
sich so die Botschaft von der Menschwerdung<br />
Gottes zu vergegenwärtigen.<br />
Daher kann man sagen: Weihnachten ist<br />
nicht nur vier Monate lang unübersehbar,<br />
sondern zwölf Monate lang unüberhörbar.<br />
Mancher mag das Glockengeläut<br />
als „Ruhestörung“ ablehnen oder als<br />
„kirchliche Folklore“ abtun. Wer es jedoch<br />
als Einladung zu einer „heilsamen<br />
Unterbrechung“ wahrnimmt und, sofern<br />
möglich, ein paar Augenblicke innehält,<br />
wer sich Zeit für das genannte Gebet<br />
nimmt oder auch nur dem Klang lauscht<br />
und sich von ihm auf Gott hinweisen<br />
lässt, – der öffnet sich der frohen Botschaft,<br />
um derentwillen Weihnachten<br />
jedes Jahr gefeiert wird: Gott ist mit uns<br />
(mit einem hebräischen, aus manchen<br />
Weihnachtsliedern bekannten Wort:<br />
„Imanuel“) in seinem menschgewordenen<br />
Sohn – nicht nur am Fest, sondern<br />
jeden Tag.<br />
Bernd Kasper<br />
Pfarrer im Pfarrverband Bad Füssing<br />
Dezember <strong>2023</strong> / Januar 2024<br />
KURZeitung<br />
09