2014-01
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
STICKEN UM IHR LEBEN<br />
Birkenhof fördert Selbshilfeprojekt Siegener Studenten<br />
Hilfe zur Selbsthilfe. „SSL-Projekt“ freut sich auch<br />
über Spenden. 1 Euro sichert für 1 Tag das Leben eines<br />
Menschen. Geldzuwendungen gelangen in voller Höhe an<br />
bedürftige afghanische Familien.<br />
Foto: Zohra Soori-Nurzad<br />
Es ist schon ansteckend, der Optimismus, die Zuversicht<br />
und die Fröhlichkeit, mit der Zohra Soori-<br />
Nurzad an ihrem Verkaufsstand im Birkenhof den<br />
Besucherinnen und Besuchern begegnet. Dabei hätte sie<br />
allen Grund, verzweifelt zu sein.<br />
Wenn wir im durchblick von Flucht und Vertreibung<br />
berichten, handelt es sich zumeist um jetzt ältere Menschen,<br />
um Vertreibung als Folge des verlorenen Krieges,<br />
um Zeiten, die bald 70 Jahre zurückliegen.<br />
Zohra Soori-Nurzad hat das vor 18 Jahren, als 10-Jährige,<br />
erfahren müssen. Damals flüchtete sie mit Vater und<br />
Bruder aus den Kriegswirren in Afghanistan nach Rudersdorf.<br />
Zurück blieben Mutter, Geschwister, Opas, Omas,<br />
Tanten und Onkel, Neffen und Nichten.<br />
Zohra war traumatisiert, sie wollte zunächst ihre Heimat<br />
nur vergessen. Zu groß war der Schmerz über den Verlust der<br />
Familie, über die Demütigungen, die Unterdrückungen, denen<br />
sie schon als kleines Mädchen ausgesetzt war. In Wilnsdorf<br />
ging sie mit großer Freude zur Schule, machte Abitur und studiert<br />
Kunst und Sozialwissenschaften an der Uni Siegen.<br />
Es dauerte 15 Jahre, bis sie sich erstmals wieder „nach<br />
Hause“ wagte. Dieses „zu Hause“, immer noch ein Land, in<br />
dem Frauen unterdrückt werden, Familien in Behausungen<br />
leben müssen, aus denen sie sich aus Angst vor den Taliban<br />
kaum heraustrauen.<br />
Die Erfahrungen dieses Besuchs ließen in ihr den Wunsch<br />
reifen, etwas tun zu wollen. Sie wollte den Menschen in ihrer<br />
alten Heimat etwas zurückgeben, etwas von dem Glück das ihr<br />
hier zuteil wurde. Ein Gedanke verfestigte sich! Mit Hilfe von<br />
zwei Kommilitonen entstand das Projekt Sticken für Schule und<br />
Leben (ssl). Eine Studenteninitiative bildete sich und es entstanden<br />
brauchbare Organisationsstrukturen. Helfen wollten die<br />
jungen Studenten Frauen und Waisenkindern aus besonders bedürftigen<br />
Regionen,<br />
dort, wo Hilfe kaum<br />
möglich schien.<br />
Mit Unterstützung<br />
der westlichen<br />
Truppen rechnet<br />
kaum noch jemand<br />
in dem zerschundenen<br />
Land. Und<br />
nach Abzug der<br />
Soldaten wird die<br />
Lage gewiss nicht<br />
besser, fürchtet<br />
Frau Soori-Nurzad.<br />
Im Internet schreibt<br />
sie dazu:<br />
Afghanistan hat<br />
mehr als 30 Jahre<br />
Bürgerkrieg erleiden<br />
müssen. Die Bevölkerung<br />
ist hochtraumatisiert.<br />
Die Menschen<br />
lebeningroßerArmut<br />
und müssen hungern.<br />
Das gilt besonders<br />
für Frauen und Waisenkinder,<br />
die oft nur<br />
durch Betteln überleben<br />
können.<br />
Foto: Gottfried Klör<br />
Durch den Kauf ihrer Handarbeiten<br />
wird afghanischen Familien direkt<br />
und unbürokratisch geholfen. Angeboten<br />
werden die Produkte: Birkenhof<br />
Wilgersdorf; denns Biomarkt;<br />
Galerie ANALOG in der Siegener<br />
Alte Poststraße<br />
Afghanistan, ist ein Land mit wunderschönen Bergen und<br />
Tälern, wurde aber vom jahrelangen Krieg zerstört. Es hat eine<br />
völlig unterentwickelte Infrastruktur, wird durch Korruption<br />
ausgebeutet und ist durch mangelhafte Entwicklungspolitik gezeichnet.<br />
Ohne fremde Hilfe ist es nicht in der Lage, alleinstehende<br />
Frauen und Kinder zu ernähren oder ihnen Schulbildung<br />
und Gesundheitsfürsorge zu gewährleisten. Infolge mangelnder<br />
Frauenrechte, hoher Analphabetenrate und anderer Benachteiligungen<br />
befinden sich Frauen in Afghanistan in besonders<br />
prekären Lebenssituationen. Aus Hoffnungslosigkeit, bedingt<br />
durch große Armut, werden junge Mädchen oftmals gegen<br />
ihren Willen verheiratet, wodurch sich ihre Lage meist weiter<br />
verschlechtert, weil sie wie Arbeitssklaven ausgebeutet werden.<br />
Dennoch – oder: gerade deswegen – will diese Initiative afghanischen<br />
Frauen eine Perspektive geben, selbständig ihr Leben führen<br />
zu können, indem ihre wunderschönen Handarbeiten hier verkauft<br />
werden, und dadurch ihr Lebensunterhalt gesichert werden<br />
kann. Und sie will mehr, nämlich auch den Kindern dieser Frauen<br />
eine Schulbildung mit aufgeklärtem Unterricht ermöglichen.<br />
Derzeit bietet „SSL-Projekt“ sieben Familien eine<br />
Perspektive. Bis Ende des Jahres sollen es 20 Familien<br />
sein. Frau Soori-Nurzad und ihre Kommilitonen<br />
Tim Kronow (23), Johst Schuhmacher (22) und<br />
Zohal Soori (25) wünschen sich große Unterstützung<br />
aus der Region.Weitere Informationen, auch über Spendenmöglichkeit<br />
erhalten Sie unter % <strong>01</strong>52-51499725<br />
und im Netz unter: www.ssl-project.org Eugen Werner<br />
1/<strong>2<strong>01</strong>4</strong> durchblick 27