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2014-01

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Ausfahrt des Flughafens, von nun an werden uns arabische<br />

Schriftzeichen den Weg leiten. Trockene Felder, graugrüne<br />

Wiesen ziehen vorbei, einige Kamele in grauer Feldfarbe,<br />

scheinbar frei umherlaufend, beleben das Bild. Immer wieder<br />

dazwischen Haine mit fruchttragenden Orangen- und Zitronenbäumen.<br />

Häuser kommen näher, gelbe Blütenbällchen<br />

an Mimosensträuchern bringen Farbe in die Landschaft.<br />

Muezzinklänge von hohen Minaretten rufen zum Fünf-<br />

Uhr- Nachmittagsgebet. Der Fahrer fährt die Einfahrt zu<br />

Wer auf die Reise geht...<br />

einem an der Küste gelegenen Hotel hoch, hält dort an, geht<br />

in meiner Begleitung zur Rezeption, holt den Plan aus der<br />

Tasche und fragt nach dem Weg. Ich bekomme einen leichten<br />

Schrecken, hatte ich doch<br />

gedacht, der Kerl weiß, wo es<br />

langgeht. Nein, er weiß es nicht,<br />

und es vergeht noch eine bange<br />

Zeit des Fragens und Umherirrens,<br />

bis wir endlich kurz nach<br />

Einbruch der Dunkelheit dem<br />

Ziel näherkommen.<br />

Wir erreichen eine Vorortgegend<br />

mit bungalowartigen Häusern, die auf engen Grundstücken<br />

versteckt hinter hohen Mauern liegen. Links und rechts<br />

werden die schmalen Straßen von tiefenAbwassergräben begrenzt,<br />

Betonsteige führen hoch zu den Hauseinfahrten mit<br />

den schmiedeeisernen Gittertüren. Die einbrechende Dunkelheit<br />

wird immer wieder durch entgegenkommende Autolichter<br />

aufgerissen, schwaches Licht dringt aus vergitterten<br />

Hausfenstern über die Einfriedungen. In langsamer Fahrt<br />

schleichen wir durch schachbrettartig angelegte Gassen, sehen<br />

plötzlich ein Haus mit einem großen Wohnmobil davor<br />

geparkt. Hier halten wir an, gehen zur Haustür und machen<br />

uns durch Klingeln und Klopfen bemerkbar.<br />

Horst tritt nach geraumer Weile zur Haustür hinaus und<br />

weiß nicht, was er sagen soll, ein herzliches Willkommen<br />

sieht anders aus. Auf Besuch ist er nicht eingestellt, ich<br />

komme überraschend, unerwartet, ich komme als jemand,<br />

der irgendwie nur unnötige Arbeit macht. Eine kurze Frage<br />

nach Hahn und Kolb bringt Gewissheit, immerhin bin<br />

ich doch nach langen Zweifeln und Suchen an der richtigen<br />

Adresse gelandet, habe Glück, dass Horst zu Hause<br />

ist. Noch mehr Glück habe ich, als Horst die Rechnung im<br />

Namen der Firma mit dem Taxifahrer abwickelt. Das geht<br />

nicht ganz ohne Zetern und Feilschen, aber das war mir ja<br />

schon von vorneherein klar.<br />

Horst und ich sind etwa gleichaltrig, Anfang der Dreißiger,<br />

er kommt von der hohen Schwäbischen Alb, ich aus<br />

dem Siegerland, und uns beiden liegt es in den Genen, sich<br />

erst einmal schweigend, zurückhaltend und introvertiert zu<br />

belauern. Das macht unsere gemeinsame Situation im Augenblick<br />

nicht unbedingt leichter. Momentan ist Horst allein<br />

vor Ort. Tätig als Statthalter für die verschiedenen Projekte,<br />

welche Hahn und Kolb derzeit in Lybien abwickeln.<br />

Nach Beendigung der Weihnachtsferien werden nach und<br />

nach noch weitere Mitarbeiter aus Deutschland kommen.<br />

Ich darf ins Haus eintreten!<br />

Winter ist es auch in Nordafrika, obwohl, es ist bei weitem<br />

nicht so kalt wie bei uns in Deutschland. Dennoch, Kälte<br />

hat sich eingenistet in kahlen Räumen ohne Heizung, kühle<br />

Lüfte ziehen durch undichte Fenster. Kalter Steinfußboden<br />

und karge Möblierung versprechen keine Gemütlichkeit.<br />

Kein Teppich, kein Vorhang, dämpft den Schall, der von<br />

den Wänden widerhallt. Trübes Licht funzelt von nackten<br />

Glühlampen an der Decke. Vorbei an bilderlosen Wänden<br />

führt mich Horst durch Wohnzimmer und Küche in ein Zimmer,<br />

welches nun mein Schlafzimmer werden soll. Hier ein<br />

schaukelndes Metallbett an der Wand mit dem vergittertem<br />

Fenster, dort ein Kleiderschrank mit schäbig schiefen Sperrholztüren.<br />

Ein kleiner Tisch mit Stuhl steht direkt neben<br />

dem großen Schimmelfleck an der lindgrün gestrichenen<br />

Wand. Überhaupt ist die<br />

grüne Farbe des Propheten<br />

allgegenwärtig in<br />

diesem Haus.<br />

Müde, hungrig und<br />

frierend schaue ich mir<br />

das Ensemble an, ich<br />

... weiß nie ...<br />

bin angekommen! Ich<br />

bin angekommen und<br />

möchte mich sofort auf der Ferse umdrehen und die<br />

nächste Maschine in Richtung Heimat nehmen.<br />

Doch da in der Ecke, da steht er, hier entdecke ich meinen<br />

ersten Freund. Klein,<br />

weiß, schmal und<br />

oberschenkelhoch<br />

steht er dort auf drei<br />

Foto: Fotolia.de<br />

wackligen Rollen,<br />

wo eigentlich vier<br />

hätten sein sollen.<br />

Oben ist der Schaltkasten<br />

mit der langen<br />

weißen Schnur<br />

und an deren Ende<br />

baumelt ein Stecker<br />

italienischer Bauart.<br />

Schnell schiebe ich<br />

mir das Gerät zum<br />

Bett, suche die nächste<br />

Steckdose und<br />

lasse mich von der<br />

Wärme des Heizradiators<br />

verwöhnen.<br />

Ich bin angekommen,<br />

und alles Weitere<br />

wird sich finden. ●<br />

... was ihn bei der Ankunft erwartet.<br />

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Autorenfoto<br />

Foto: hartmut Reeh

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