2014-01
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MUY FRIO<br />
von Gerhard Klaus<br />
Tagelöhner in Tripolis warten auf Arbeit<br />
Autorenfoto<br />
Sanft setzt die Maschine zur Landung an, Malaga mit<br />
frühlingshaften Temperaturen liegt hinter uns. An<br />
diesem 4. April im Jahre 2<strong>01</strong>3 schlägt uns ein eisiger<br />
Wind beim Verlassen der Maschine in Weeze ins Gesicht.<br />
Verhuscht eilen Passagiere die Gangway hinunter, drängeln<br />
sich im engen Bus und warten auf die Abfahrt in die hoffentlich<br />
wärmere Ankunfthalle.<br />
Mittendrin steht er da, ein junger, nett aussehender<br />
Spanier, eingekeilt zwischen letzten versprengten Fußballfans<br />
von Borussia Dortmund, die ihrer Mannschaft<br />
in Malaga nicht zum Sieg verhelfen konnten, und mir.<br />
Kältebibbernd spricht er sein „muy frio“ aus und ich<br />
kann ihm auf deutsch nur zaghaft antworten, dass es auch<br />
noch kälter hätte sein können. Kein wirklicher Trost, er<br />
wird es nicht verstanden haben, er spricht kein Deutsch<br />
und ich kein Spanisch. Rumpelnd rollt der Bus die wenigen<br />
Meter bis zur Ankunfthalle, zischend öffnen sich<br />
die Türen, speien eilige Leute aus, die sich schnell zum<br />
Gepäckband drängen. Rasch poltern auch schon bald die<br />
ersten Koffer auf dem Band herbei und schon wieder<br />
steht der Spanier, diesmal in Begleitung einer etwas älteren<br />
Frau, Mutter, Schwester oder Tante oder wer weiß<br />
wer auch immer, neben mir. Er hat sich seine Koffer<br />
schon geschnappt, als mir seine Begleiterin kurz erläutert<br />
„trabajo, he is coming for work“.<br />
Also arbeiten will er hier, der junge Mann, hat vielleicht<br />
schon eine Stelle oder sucht gar noch eine.<br />
Wie auch immer, ich weiß es nicht, werde es auch niemals<br />
wissen, denn schon eilt er dem Ausgang entgegen, wirft mir<br />
schnell noch einen Blick zu, den ich gerade noch mit ausgestrecktem<br />
Arm und erhobenem Daumen beantworten kann.<br />
Eine kleine Geste soll Mut machen, Respekt zeigen.<br />
Anschließend auf der Autobahn rollen die Räder in<br />
Richtung Heimat, ruhiger Verkehr durchströmt graue,<br />
flache Landschaften. Gedanken schweifen und aus dem<br />
Dunst der Vergangenheit aufsteigend ist es auf einmal ganz<br />
nahe: mein eigenes muy frio Erlebnis.<br />
Frühmorgens an diesem 2. Januar im Jahr 1980 gehe ich<br />
begleitet von Frau und Sohn mit Koffern bepackt durch die<br />
Abflughalle am Frankfurter Flughafen. Felix ist noch keine<br />
4 Jahre alt. Orientierungslos fällt der erste Blick auf die gewaltige,<br />
ewig ratternde Anzeigentafel, zentraler Punkt der<br />
Abflughalle. Danach findet sich der Weg zum Schalter der<br />
Lybian Arab Airlines, ich gebe meine Koffer ab.<br />
Weiter geht’s zügig zur Passkontrolle, es folgen Abschiedsszenen,<br />
Küsse, Umarmungen, ich gehe den nun<br />
folgenden Weg allein. Ein paar Schritte den gläsernen<br />
Gang hinunter durchdringt mein Auge mehrere Glaswände,<br />
unscharf, grünlich weichgezeichnet stehen Frau und<br />
Kind hinter diesen Wänden. Blicke treffen sich, Trennung<br />
wird offenbar und festgeklammert an der Mutter fängt<br />
Felix plötzlich hemmungslos an zu weinen. Mir rutscht<br />
das Herz in die Hose, der Magen ist flau, das Bild brennt<br />
sich ein, Januarkälte kriecht unter die Jacke. Es bleibt ein<br />
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