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Spielzeitheft 2012/13 ERFOLG - Theater Bielefeld

Spielzeitheft 2012/13 ERFOLG - Theater Bielefeld

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in diesem Jahr stellt sich das <strong>Theater</strong> <strong>Bielefeld</strong> mit dem<br />

Spielzeitmotto »Erfolg« einem allgegenwärtigen Thema.<br />

Erfolg schillert, jeder strebt ihn an, er macht schön,<br />

glücklich und begehrenswert. Alle wollen Anerkennung,<br />

Gelingen, Glück, Sieg, den ersten Preis, das<br />

große Los, Beförderung, Gehaltserhöhung, Wachstum,<br />

Weiterentwicklung, Aufschwung. Im <strong>Theater</strong> sieht der<br />

Idealfall so aus: Die Vorstellungen sind ausverkauft, der<br />

Haushalt stimmt, alle Beteiligten haben ihre künstlerischen<br />

Ziele verwirklicht, der traditionelle Anspruch an<br />

Bildung und Unterhaltung wurde erfüllt, die dem Stück<br />

anhaftenden Vorstellungen wurden werkgetreu umgesetzt,<br />

jeder einzelne Zuschauer hat genau das Erwartete<br />

bekommen und wurde zugleich lustvoll überrascht,<br />

bereichert und zum Nachdenken über ganz neue Aspekte<br />

angeregt; die Gegenwart wurde abgebildet und<br />

zugleich kritisch durchleuchtet; die Inszenierung ist ein<br />

Publikumserfolg, erhält hymnische Kritiken, vereinbart<br />

künstlerischen, finanziellen und persönlichen Erfolg –<br />

summa summarum: alle sind glücklich, keiner meckert,<br />

jeder kann ruhig schlafen und denkt dabei beseelt über<br />

die großen Widersprüche unserer Welt nach. Schön<br />

wär’s, aber leider lassen sich all diese Erfolgskriterien<br />

schwer vereinbaren. Liebes Publikum, das <strong>Theater</strong> <strong>Bielefeld</strong><br />

versucht trotzdem, all dem gerecht zu werden,<br />

l i e b e s<br />

publikum,<br />

aber wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, kann man<br />

schlecht gleichzeitig auf allen Hochzeiten tanzen.<br />

gutes theater ist erfolgreiches<br />

theater, erfolgreiches theater<br />

ist gut.<br />

Erfolg auf ganzer Linie ist das unerfüllbare Gebot der<br />

Stunde. Die Forderung nach Erfolg ist gesellschaftlich so<br />

dominant, dass man förmlich gezwungen ist, in jedem<br />

einzelnen Lebensbereich zu glänzen. Wir sollen erfolgreich<br />

lernen und lieben, mit Erfolg Karriere machen und<br />

Kinder großziehen, uns selbst und andere erfolgreich<br />

managen, attraktiv und gebildet, reich und beliebt sein.<br />

So entsteht für jeden Einzelnen von uns ein enormer<br />

Druck, umfassenden Zielvorgaben zu entsprechen, die<br />

sich aber realistisch betrachtet nicht einlösen lassen.<br />

scheitern ist die regel,<br />

erfolg die ausnahme.<br />

Um dem zu entkommen, könnte es hilfreich sein, das<br />

Scheitern in den Erfolgsplan zu integrieren. Machen<br />

wir uns nichts vor: Angesichts der gesellschaftlichen<br />

Komplexität sind die Voraussetzungen des Erfolges<br />

unübersichtlich und die Umstände seiner Erfüllung unwägbar.<br />

Immer wieder drängt sich Scheitern unerwartet<br />

und vielfältig auf, sei es als die Verlierer im Wettkampf,<br />

als Derangierte und Prekäre, als Dritte Welt,<br />

als unternehmerische Insolvenz oder ganz einfach: als<br />

Inszenierung, die den Erwartungen nicht entspricht.<br />

die alte frage nach<br />

dem guten leben beantwortet<br />

sich heute durch erfolg.<br />

Ist die Unterscheidung zwischen Erfolg und Misserfolg<br />

überhaupt sinnvoll? Ist sie hilfreich zur Bestimmung<br />

der eigenen Lebenssituation? Die Logik<br />

des Immer-mehr-und-immer-besser hat einen Dämpfer<br />

bekommen. Brauchen wir – gerade in Zeiten wirtschaftlicher<br />

Anspannung – mehr Freiheit von der<br />

Erfolgsbestimmtheit? Die mit dem Streben nach Erfolg<br />

verbundene Kosten-Nutzen-rechnung erscheint<br />

in vielen Lebensbereichen fragwürdig. Freiheit, Gerechtigkeit,<br />

Liebe und Freundschaft lassen sich nicht<br />

kalkulieren, sie entziehen sich dem Erfolgsdenken.<br />

4 5<br />

Der zwischenmenschliche Bereich bleibt zum Glück<br />

unberechenbar.<br />

was ist gut und was ein erfolg?<br />

Erfolg wird erst durch die zu Grunde liegenden Maßstäbe<br />

präzisiert, und jeder hat die Freiheit, diese selbst<br />

zu bestimmen. Wir können untersuchen, herausfinden<br />

und entscheiden, was wir als Erfolg werten möchten.<br />

Wir können unsere eigenen Erfolgskriterien entwickeln.<br />

In dieser Spielzeit werden wir uns den Fragen nach<br />

Gründen für Erfolg und Scheitern stellen, wir werden<br />

Helden und Verlierer beobachten, Glanz und Versagen<br />

entdecken und uns gemeinsam mit Ihnen auf die<br />

hoffentlich erfolgreiche Suche nach Alternativen zum<br />

Kosten-Nutzen-Kalkül begeben.<br />

Ihr Michael Heicks<br />

Intendant

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