Spielzeitheft 2012/13 ERFOLG - Theater Bielefeld
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Rinke ist anders. Rinke ist wie Rilke mit Hasen-<br />
scharte. Also komisch. Jedenfalls unernst. Oder<br />
jedenfalls ernst, aber heiter. Rinke ist ein Mauer-<br />
segler. Oder Pfützenhüpfer. Auf keinen Fall einer<br />
wie Heiner Müller. Oder wie alle anderen. Er ist,<br />
hört, hört, ein Mythenzertrümmerer. Vielmehr<br />
Durchlöcherer. Er durchlöchert sie so, dass dahin-<br />
ter die Gegenwart aufleuchtet.<br />
Rinke ist ein Spieler. Ein spielerisch Schreibender.<br />
Ein Verspielter. Er blickt freundlich auf die Welt<br />
und auf die Menschen. Und genau. Und die Welt<br />
und die Menschen gucken nicht von vornherein unfreundlich<br />
zurück. Was er beobachtet, beschreibt<br />
er mit einer fast lässigen Kunstfertigkeit. Man blickt<br />
als Zuschauer gern auf das Beschriebene. Und kapiert<br />
doch etwas, eben wegen der Genauigkeit.<br />
Gewichte werden nicht gestemmt. Kein Tropfen<br />
Schweiß fließt, jedenfalls kein literarischer.<br />
»Ich sehne mich nach einem <strong>Theater</strong>, in dem ich die<br />
ganze Unruhe und das Chaos unserer Zeit spüren<br />
kann, aber ohne dass die Realität 1:1 abgebildet<br />
wird, auch weil man sie gar nicht so einfach abbilden<br />
kann. Ein <strong>Theater</strong>, in dem die Figuren trotzdem<br />
gegen das Chaos an Geschichten erzählen<br />
und behaupten wollen. Es muss Geschichten geben,<br />
in denen es erträumte Räume, Farben, eine Sehnsucht<br />
nach Schönem und Utopischen gibt, also vieles,<br />
was heute schnell als Kitsch bezeichnet wird.<br />
Sobald Hoffnung oder Poesie auftaucht, oder innerhalb<br />
einer aussichtslosen Geschichte zwei Menschen<br />
für einen Moment zusammenfinden, gibt es<br />
immer jemanden, der so abgefuckt ist und gleich<br />
sagt: „Kitsch!“ Und warum? Weil seine Welt nur<br />
noch Zynismen zusammenhalten.«<br />
Moritz Rinke<br />
(Aus: Michael Propfe: Skizze zu einem Porträt des<br />
Autors als junger Mann. Frankfurt am Main, 2010)<br />
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