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Am Scheideweg - FWF

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Fokus » Interview: Wilhelm Krull<br />

» Was in erster Linie den hohen Einsatz von steuermitteln<br />

für Grundlagenforschungsförderung rechtfertigt, ist die<br />

Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, also der<br />

kreativsten Talente für morgen und übermorgen. «<br />

» Deutschland ist übrigens damit<br />

nicht alleine. Auch Frankreich und<br />

viele andere Länder gehen in die<br />

gleiche Richtung. In den USA werden –<br />

trotz Krise – enorme Mittel in die Forschung<br />

und vor allem in die Grundlagenforschung<br />

investiert, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des jeweiligen Systems zu<br />

erhöhen. In Deutschland betrifft das sowohl<br />

den Bildungs- und Ausbildungsbereich<br />

der Hochschulen, für den die Bundesregierung<br />

jetzt noch zusätzliche<br />

2 Mrd. € bereitstellen will, wie auch den<br />

Pakt für Forschung und Innovation, der<br />

allen Forschungsträgerorganisationen<br />

ebenso wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

– also der Schwesterorganisation<br />

des <strong>FWF</strong> – ermöglichen soll, mit erheblichen<br />

zusätzlichen Mitteln die junge<br />

Generation – sei es in Form von Projekten<br />

oder Stipendien – zu unterstützen und dafür<br />

zu sorgen, dass wir möglichst optimal<br />

ausgebildete und entsprechend kreative<br />

Forscherinnen und Forscher haben.<br />

» Bernhardt In Österreich gibt es dazu<br />

viel ähnlich lautendes gesprochenes Wort.<br />

Gegenwärtig handelt es sich aber dabei<br />

um Lippenbekenntnisse. Warum ist es in<br />

Deutschland anders gelaufen?<br />

» krull Das sind natürlich immer Fragen<br />

der Aushandlungsprozesse zwischen den<br />

politischen Parteien. Ich denke, dass wir<br />

hier, auch in Österreich, die Chance haben,<br />

noch ein zweites Mal darüber nachzudenken,<br />

vor allem wenn die Länder um<br />

Österreich herum anders handeln und natürlich<br />

klar ist, dass auch für das österreichische<br />

Wissenschafts- und Wirtschaftssystem<br />

die Investition in die besten Köpfe<br />

immer wichtiger wird. Das heißt natürlich<br />

vor allem in die junge Generation selbst<br />

zu investieren, und nicht durch „Zu-<br />

18 » <strong>FWF</strong>info72<br />

käufe“, wie das einige kleine Länder auch<br />

versuchen. Man sollte da vielleicht auf die<br />

Lernfähigkeit des Systems setzen.<br />

» Bernhardt Österreich möchte vom „Innovation<br />

Follower“ zum „Innovation Leader“<br />

werden. „Frontrunner-Strategie“ ist<br />

dafür die Metapher. Was wären Ihre prinzipiellen<br />

Anknüpfungspunkte, um das tatsächlich<br />

zu schaffen? Was ist für Sie das<br />

Schlüsselelement?<br />

» krull Natürlich zielt jede Förderung von<br />

Grundlagenforschung darauf ab, neue Erkenntnisse<br />

zu generieren. Aber was in<br />

ers ter Linie den hohen Einsatz von Steuermitteln<br />

für Grundlagenforschungsförderung<br />

rechtfertigt, ist die Ausbildung des<br />

wissenschaftlichen Nachwuchses, also<br />

der kreativsten Talente für morgen und<br />

übermorgen. Nur dadurch kann man am<br />

Ende auch den Effekt solcher Investitionen<br />

tatsächlich messen. Ich denke, dass<br />

hier für Österreich mit dem schon konzipierten<br />

und dem Grunde nach startfähigen<br />

Wettbewerb um Forschungscluster,<br />

mit dem Schaffen von Verbünden, aber<br />

ebenso auch natürlich mit der Einzelförderung<br />

Hochbegabter gute Chancen bestehen,<br />

international absolut konkurrenzfähige<br />

„Pols of Excellence“ zu schaffen,<br />

die im globalen Wettbewerb bestehen<br />

können und international wahrgenommen<br />

werden. Dafür braucht es eine faire, wettbewerbliche<br />

Strukturen der Mittelvergabe.<br />

» Bernhardt In Österreich gab es vor<br />

kurzem die Aussage von Wirtschaftskammer-Präsident<br />

Leitl, Österreich brauche<br />

keine Grundlagenforschung. Angewandte<br />

Forschung bis hin zur Fertigungsüberleitung<br />

sei aus öffentlichen Mitteln zu fördern.<br />

Ihr Kommentar zu diesem Vorstoß?<br />

» krull Es ist auch in Deutschland und<br />

vielen anderen Ländern in Krisenzeiten<br />

üblich, dass die Wirtschaft, die ansonsten<br />

dem Staat Zurückhaltung auferlegen<br />

möchte, fordert, öffentliche Gelder seien<br />

zugunsten industrieller Forschung und<br />

Entwicklung umzuleiten. Ein ähnlicher<br />

Vorstoß findet derzeit auch durch große<br />

Lobbyingverbände der Wirtschaft in Brüssel<br />

statt. Ich halte das für eine sehr kurzsichtige<br />

Strategie, denn am Ende wird<br />

auch die österreichsche Wirtschaft in ihrer<br />

Konkurrenzfähigkeit davon abhängig<br />

sein, dass die kommende Generation der<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den<br />

vordersten Förder- und Forschungslinien<br />

ausgebildet wurde, und nicht etwa methodisch<br />

und technisch hinterherlaufen<br />

muss. Also, der Punkt ist der: Die Wirtschaft<br />

profitiert am Ende selbst davon,<br />

dass sie an dieser Stelle die Gelder besser<br />

den Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

überlässt.<br />

» Bernhardt Also keine Provinzposse,<br />

sondern durchaus ein europäisches Phänomen?<br />

» krull Wie gesagt, in Krisenzeiten eine<br />

typische Reaktion. In Österreich kommt<br />

noch erschwerend hinzu, dass man die<br />

Hochschulen gerne wieder stärker an die<br />

„Kandare“ nehmen möchte. Das ist die<br />

völlig falsche Strategie, weil gerade das<br />

Zusammenwirken von Wissenschaft und<br />

Wirtschaft auf einem hohen Maße an Freiwilligkeit,<br />

Motivation und wechselseitigem<br />

Vertrauen beruht. Und wenn die eine<br />

Seite dann hingeht und sagt: „Aber die<br />

Gelder, die für diese Bereiche vorgesehen<br />

sind, sollten lieber uns direkt gegeben Seumenicht<br />

werden“, wird de facto ein möglicher Pakt<br />

für Innovation zwischen Wissenschaft und<br />

<strong>FWF</strong>/Marc<br />

Wirtschaft untergraben. ©

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