Am Scheideweg - FWF
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panoptiKum » Interview: Claus Raidl<br />
» Grundlagenforschung definiere ich als<br />
Forschung, die nur durch die neugierde der<br />
Forschenden getrieben ist, sonst nichts. «<br />
» mit der Industriellenvereinigung<br />
in Österreich. Wenn der SNF so<br />
viel Rückenwind von dieser Seite<br />
erhält, und das hat sicher gute Gründe, warum<br />
ist das in Österreich nicht so?<br />
» Raidl Die Industriellenvereinigung unterstützt<br />
Grundlagenforschung und damit<br />
auch das IST Austria sehr, nur die „klassischen“<br />
Sozialpartner sind die Bremser.<br />
Die Sozialpartner sind bei der FFG engagiert<br />
und strukturell eingebunden, und<br />
sie schauen darauf, dass für ihre Klientel<br />
das Geld kommt. Ich war in den 70er-Jahren<br />
auch im Kuratorium des Forschungsförderungsfonds<br />
für die gewerbliche Wirtschaft<br />
FFF; da habe ich mitbekommen,<br />
wie die Mittel vergeben werden. Der<br />
Bremser, dass nicht mehr für die Grundlagenforschung<br />
kommt, ist die Sozialpartnerschaft.<br />
Sie möchte natürlich das Geld<br />
dorthin geben, wo es in die Betriebe geht,<br />
unter dem Stichwort der angewandten<br />
Forschung, und nicht dorthin, wo sie<br />
nicht sofort einen Effekt spüren.<br />
» Bernhardt Ist das nicht kurzsichtig?<br />
» Raidl Furchtbar kurzsichtig.<br />
» Bernhardt Das österreichische Innovationssystem<br />
wurde einer Systemevaluierung<br />
unterzogen. Was sind Ihre Empfehlungen<br />
für ein effizienteres System?<br />
44 »<strong>FWF</strong>info72<br />
» Raidl Um es kurz zu machen: Bewährte<br />
Strukturen stärken. Dazu zähle ich alle<br />
Exekutivagenturen, wie den <strong>FWF</strong>, die<br />
FFG, aber auch Forschungsträgerorganisationen,<br />
und deutliches Streamlinen bei<br />
der Governance und den Beratungsstrukturen.<br />
Vier Ministerien sind zu viel und<br />
Beratung haben wir mehr als genug.<br />
» Bernhardt Auf einer Pressekonferenz,<br />
die Herr Beyrer und Frau Kircher-Kohl<br />
von der Industriellenvereinigung gegeben<br />
haben, meinte Herr Beyrer auf die Frage<br />
eines Journalisten, dass man den Universitäten<br />
kein zusätzliches Geld geben<br />
sollte, solange sie so ineffizient seien.<br />
» Raidl Nehmen Sie fast jeden OECD-Bericht<br />
über Österreich. Wenn ein Kapitel<br />
Bildung darin ist, wird der geringe Output<br />
an Studierenden und die lange Verweildauer<br />
im System kritisiert. Das ist ineffizient.<br />
Man kann aber dafür nicht die<br />
Universitäten verantwortlich machen. Das<br />
hat mit dem System des freien Hochschulzugangs<br />
und mit dem Gratisstudium zu<br />
tun. In meiner Funktion als Präsident des<br />
Fachhochschulrates, der Akkreditierungsbehörde<br />
für FHs, gab es zwei Dinge, die<br />
sie von den Universitäten unterscheiden:<br />
Das Erste hat mit dem US-amerikanischen<br />
System der Junior Colleges vergleichbaren<br />
Organisation des Lehrbetriebs zu<br />
tun – etwa die Anwesenheitspflicht etc.<br />
Das Zweite ist die Studienplatzfinanzierung.<br />
Wenn der Bund nur 50 Plätze finanziert,<br />
dann werden auch nur 50 Studierende<br />
aufgenommen. Wenn sich 300 anmelden,<br />
müssen sie durch die Aufnahmeprüfung.<br />
Die FHs sind als Lehrinstitutionen<br />
viel effizienter als die Unis und das<br />
hat ursächlich mit diesen beiden Punkten<br />
zu tun. Wenn Markus Beyrer die Ineffizienz<br />
der Universitäten anspricht, so hat er<br />
in der Sache Recht; nur ist dafür nicht die<br />
Universitätsleitung verantwortlich zu machen.<br />
Solange es den unregulierten Zugang<br />
und keine Studiengebühren gibt,<br />
wird das ein Problem bleiben.<br />
Ich habe es immer für geradezu pervers<br />
gehalten, dass man für den Kindergarten<br />
zahlen musste und das Studium frei ist.<br />
Es muss gerade umgekehrt sein. In den<br />
Eingangsstufen des Bildungslebens müssen<br />
alle Barrieren beseitigt sein – gleichgültig,<br />
ob finanziell oder sprachlich. Aber<br />
auf den Unis kann man durchaus Beiträge<br />
verlangen, denn wer ein Studium abschließt,<br />
wird langfristig mehr verdienen.<br />
Ich sehe nicht ein, warum ein Arbeiter in<br />
Kapfenberg für das Gratisstudium meiner<br />
Söhne zahlen soll. Denn er zahlt es letztlich<br />
über die Steuern mit. Österreich ist<br />
sehr gut in der Primärstufe aufgestellt,<br />
wir sind sehr gut in der Sekundärstufe,<br />
aber wir sind schlecht, was die Effizienz,<br />
den Output in der Tertiärstufe betrifft. Im<br />
© <strong>FWF</strong>/Marc Seumenicht