Heimatbote 2012_Online Version - Nadesch
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Marthatante lachte, wie es mir bei ihr immer so gut gefallen hat. Sie<br />
war wie eine Heilige für mich, seit sie vor einiger Zeit aus russischer<br />
Zwangsarbeit in der Taiga zurückgekehrt war, wo sie ihre<br />
Jugendträume verloren hatte.<br />
Nach dem Essen hieß es: „Kinder geht spielen!“ Bruder und<br />
Schwester waren sofort weg. Ich sagte: „Ich gehe in den Wald.“ „Aber<br />
nur, wenn der Mischi mitgeht, und vergiß deinen Pyjama nicht!“<br />
Seiler Mischi war mein bester Freund und wir beide blieben oft<br />
tagelang „im Wald“, der eigentlich kein Wald war, sondern eine weit<br />
vom Dorf entfernte Flur, die unserem Hansonkel gehörte. Gleich<br />
angrenzend an die Äcker und Wiesen war allerdings ein riesiger fast<br />
undurchdringlicher Wald, der tief in das Szeklergebiet hineinreichte.<br />
Unser Steffen Hansonkel war eine wichtige Persönlichkeit. Er war<br />
nicht nur Kirchenvater und später sogar Kirchenkurator gewesen,<br />
allein das ist in einer siebenbürgischen Gemeinde etwas ganz<br />
besonderes, sondern er war auch einer der wohlhabendsten Bauern<br />
und hatte es sogar fertiggebracht als allerletzter vor dem<br />
Kommunismus zu kapitulieren und seine Selbständigkeit aufzugeben.<br />
Das habe ich allerdings nicht mehr beobachten können.<br />
Die Steffens, die eigentlich Baier hießen, Familiennamen spielten in<br />
unserem Dorf kaum eine Rolle und etliche meiner Schulkameraden<br />
haben erst in der Schule erfahren, wie sie wirklich hießen, die Steffens<br />
also, waren eine der angesehensten Freundschaften, d. h.<br />
Verwandtschaften, zu der wir auch irgendwie gehörten. Hansonkel<br />
war im Dorf unser Nachbar, hielt sich aber sehr oft mit seiner<br />
gesamten Familie, er hatte zwei Töchter und drei Söhne, von denen<br />
zwei auch in russischer Verschleppung gewesen waren, in seinem<br />
bescheidenen Aussiedlerhof „im Wald“ auf. Einmal strich er mir über<br />
den Kopf und sagte: „Weißt du Karli, hoffentlich gelangt ihr bald<br />
hinauf ins Reich zu eurem Vater. Hier habt ihr keine Zukunft, und<br />
deine Mutter wird noch ganz krank und schwermütig. Kommunismus<br />
und dann auch noch mit den Walachen, das endet nur im Elend. Ich<br />
hoffe daß ich das Ende dieses Skandals noch erleben werde, aber dann<br />
wird es keinen Wald mehr geben und die Weinberge deines<br />
Großvaters wird es auch nicht mehr geben. Sie ruinieren alles. Ich<br />
kann sie nicht mehr sehen. Deshalb bin ich viel lieber hier draußen.“<br />
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