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»StRafe<br />
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v. l. n. r.: Siggi, Mirko und Sascha<br />
HEUTE 051<br />
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LeBeN Im kNaSt. eINe RePoRtage<br />
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HeRfoRd.<br />
Mirko ist 23. Er macht eine Ausbildung zum Maler und<br />
Lackierer. Sein Tag besteht aus Arbeiten, Lernen und sportlichen<br />
Aktivitäten. Am Wochenende dreht er zusammen<br />
mit Siggi und Sascha Rapvideos oder Kurzfilme. So weit,<br />
so alltäglich.<br />
Aber Mirko lebt nicht an einem Ort, den man »Zuhause«<br />
nennen könnte. Er verbringt die meiste Zeit in einer etwa<br />
10 m2 kleinen Zelle, die wenig Raum für Privatsphäre lässt.<br />
Rechts steht ein Bett, links sind ein Schreibtisch und ein<br />
Kleiderschrank postiert. Auf einem Bücherregal lehnen<br />
Lehrbücher über das Malerhandwerk. Neben dem Schreibtisch<br />
stehen ein Schachbrett und ein Fernseher. Über dem<br />
Schreibtisch hängt eine Deutschlandkarte. Über dem Bett<br />
sind drei große Poster von blau- und lilafarbenen Rosen an<br />
die Wand geheftet, auf denen Tau glitzert. In einem kleinen<br />
Extraraum befinden sich eine Toilette und ein Waschbecken.<br />
Alles ist ordentlich und sauber. Hier wird Mirko jeden Abend<br />
eingeschlossen. Durch die Tür seiner Zelle kann man nicht<br />
– wie in einer Wohnung üblich – von innen nach außen,<br />
sondern nur von außen nach innen gucken. Mirko verbüßt<br />
eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Herford. Zum<br />
Zeitpunkt seiner Tat war er 20, wenn er in Freiheit kommt,<br />
wird er 25 Jahre alt sein.<br />
Siegburg, das Kino und die Gegenwart<br />
Die Frage, wie es in einem Gefängnis zugeht, übt für jemanden<br />
in »Freiheit« eine seltsame Faszination aus. Wie ist<br />
es, ein Sträfling zu sein? Lebt man in permanenter Angst?<br />
Entwickelt man eine stoische Geisteshaltung und gewöhnt<br />
sich daran, so, wie man sich an alles gewöhnt? Wird man zum<br />
Berufskriminellen erzogen? Wie verhalten sich Menschen,<br />
die auf engem Raum gemeinsam eingesperrt sind? Um Antworten<br />
auf diese Fragen ein kleines Stück näher zu kommen,<br />
haben Fotograf Tobias Vollmer und ich uns für <strong>Intro</strong> auf<br />
den Weg nach Herford gemacht. Ausgangspunkt der Unternehmung<br />
ist bezeichnenderweise ein Film. Unvermeidlich,<br />
dass mein Bild vom Gefängnis durch das Kino geprägt ist.<br />
Dort konzentriert man sich aus dramatischen Gründen<br />
meist auf einen hermetisch abgeriegelten Ort. Es existiert<br />
eine von Kriminellen geschaffene Mikrogesellschaft, deren<br />
Hierarchie von den Gefangenen mit brutaler Gewalt und<br />
mithilfe einer Mauer des Schweigens durchgesetzt wird.<br />
Fast jeder Gefängnisfilm enthält – ob die Insassen Männer,<br />
Frauen oder Jugendliche sind – Momente der Demütigung<br />
und der Vergeltung. Kaum ein Film kommt ohne die Darstellung<br />
der Vergewaltigung eines Insassen aus.<br />
Auch in Philip Kochs Film »Picco«, siehe nebenstehendes<br />
Interview, findet eine Vergewaltigung statt. Kochs<br />
Film ist angelehnt an den »Foltermord von Siegburg« und<br />
bietet ein entsprechend trostloses Bild von der Situation<br />
deutscher Jugendsträflinge. Die Protagonisten des Films<br />
sind gemeinsam in eine karge Zelle gepfercht und bleiben<br />
sich dort selbst überlassen. Die Frustration über die Ausweg-<br />
und Perspektivlosigkeit der eigenen Situation findet<br />
ihr Ventil in Erniedrigungsritualen, die schließlich zum<br />
erzwungenen Selbstmord eines der Insassen führen. Die<br />
Jugendstrafanstalt, wie sie in »Picco« dargestellt wird, bietet