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090 MORGEN<br />
I kILLeD<br />
my motHeR<br />
Kanada hat einen neuen queeren Filmstar:<br />
das blutjunge Allroundtalent xavier Dolan.<br />
wer kann dem 17-jährigen Hubert<br />
Minel übel nehmen, dass er das<br />
verkitschte Interieur seiner Mutter<br />
Chantale Lemming (Anne Dorval)<br />
verabscheut? Wer kann nicht nachvollziehen,<br />
dass er sich vor ihrem verschmierten<br />
Frühstücksmund ekelt? Niemand außer ihm<br />
selbst. Womit die Quadratur des Kreises definiert<br />
ist, die Regisseur xavier Dolan – in seinem<br />
Debüt auch als Hauptdarsteller zu sehen – mit<br />
der Inszenierung des zuweilen monströsen Alltags<br />
dieser Zwangsliebesbeziehung zwischen<br />
Sohn und Mutter beschreibt. Vergegenwärtigt<br />
man sich, dass xavier Dolan hier in Personalunion<br />
beinahe alle Facetten des Autorenfilms<br />
bedient – und das im Alter von 20 Jahren –,<br />
wird einem schon nach der ersten Sequenz etwas<br />
schummerig beim Zuschauen: Alles hat er<br />
gut gemacht! Das gesamte Schauspielensemble<br />
überzeugt in Rollen, in denen man schnell<br />
zum Klischee seiner selbst werden kann. Das<br />
deckt sich mit Dolans Neigung und Anspruch,<br />
sagt er doch von sich, dass er die Arbeit mit<br />
den DarstellerInnen und das Beobachten ihrer<br />
Techniken und Idiosynkrasien mag und stets<br />
weiterlernen möchte. Die Kamera von Stephanie<br />
Weber-Biron und der Schnitt von Hélène Girard<br />
verdichten die tosenden inneren Stürme der<br />
ProtagonistInnen in tänzelnden Zeitlupensequenzen,<br />
gerade so, als sei Wong Kar-Wai in<br />
Kanada zu Hause. Dazu passt Dolans Bemerkung,<br />
diese Zeitlupensequenzen und die von<br />
ihm eingesetzte Musik seien in der Tat Tribute<br />
an den Regisseur von »In The Mood For Love«<br />
und an die Filmkompositionen Shigeru Umebayashis<br />
(zuletzt zu hören in »A Single Man«).<br />
Die bis zur Unentscheidbarkeit ausbalancierte<br />
Zweierbeziehung zwischen Hubert Minel und<br />
Chantale Lemming wirkt so nah am Leben,<br />
als sähen wir einer Dokumentation zu – und<br />
ebenso frisch wird Queerness inszeniert. Dolan<br />
drehte seinen zweiten Film, »Heartbeats«,<br />
bereits ab. Konsequenterweise folgen wir darin<br />
einer weiteren Hubert-Minel-Figur ins Leben<br />
abseits von Müttern – sinnvoll wäre ein Double-<br />
Feature mit »I Killed My Mother« im Kino. Und<br />
Dolan brennt. Für 2012 ist schon sein drittes<br />
Filmprojekt angekündigt: »Laurence Anyways«.<br />
Biru Binder<br />
— »I kILLeD My MOtHeR« (CDN 2009; R: xAVIER<br />
DOLAN; D: xAVIER DOLAN, ANNE DORVAL, SUZANNE<br />
CLéMENT; 18.01)<br />
Neu Im<br />
kINo<br />
guLLIVeRS ReISeN<br />
Jack Black als halbe Portion in der<br />
Puppenstube einer kleinen Riesin<br />
und als Juror bei »Platten vor Gericht«<br />
(Seite 74) in einem Monat!<br />
Wo er an der einen Stelle zu Recht<br />
darauf hinweist, dass seine Urteile<br />
– immerhin durch die eigenen<br />
Rockstar-Erfahrungen mit der<br />
Band Tenacious D gestählt – über<br />
Karrieren entscheiden können,<br />
brilliert er an der anderen Stelle wie<br />
so oft schon auf der Leinwand (etwa<br />
in der Hornby-Verfilmung »High<br />
Fidelity« oder dem Linklater-<br />
Mainstream-Hit »School Of Rock«)<br />
allein durch seine geniale Präsenz.<br />
Wenn Gulliver-Autor Jonathan<br />
Swift im 18. Jahrhundert etwas von<br />
laufenden Bildern geahnt hätte, er<br />
hätte statt seines durchaus sozialkritisch<br />
gemeinten Werks gleich<br />
dieses Good/Clean/Fun-Drehbuch<br />
geliefert. »Da kommt was Großes<br />
auf uns zu«, so der deutsche Untertitel,<br />
meint natürlich auch den in<br />
Sachen Liliput & Co. so passenden<br />
3D-Effekt ...<br />
Paula Fuchs<br />
— »GuLLIVeRS ReISen« (USA 2010; R: ROB<br />
LETTERMAN; D: JACK BLACK, EMILY<br />
BLUNT, JASON SEGEL; 10.02.)