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Bent, wie heißt es so schön: »kleidung sagt viel über<br />

den Menschen aus.« Dann leg mal mit deinem<br />

Gegenüber los:<br />

B: Wie siehst du denn schon wieder aus, Junge! Ein<br />

Freund hat mir mal ein kleines Buch von Rudolph<br />

Mooshammer geschenkt, mit dem Titel: »Nicht nur Kleider<br />

machen Leute.« Von dem Mooshammer kann man ja denken,<br />

was man möchte, aber es stimmt: Garderobe ist total<br />

unwichtig, wenn es um den Kern des Menschen geht. Aber<br />

die Möglichkeiten sind nun mal riesig, und Kleidung wirkt<br />

auch auf den Träger, weshalb ich nicht weiß, wie Leute in<br />

Trainingsjacken das aushalten können.<br />

R: Das kann ich dir genau sagen: Kleidung ist in erster Linie<br />

eine Sprache für mich. Und eine Trainingsjacke ist für mich<br />

wie eine Tarnkappe. Weil ich immer wieder gerne Sachen<br />

trage, die mich zwischen allen anderen untertauchen lassen.<br />

Früher habe ich mich sehr, sehr exaltiert – vielleicht analog<br />

zu dir jetzt, Bent – gekleidet. Habe ganz viel Wert drauf<br />

gelegt, hundertprozentig genau in meinem Stil zu sein,<br />

um mich damit auszudrücken und darzustellen. Aber mit<br />

dem älterwerden ist es mir immer wichtiger geworden, in<br />

der Menge abzutauchen und beobachten zu können, wie<br />

die sind und was die tun, ohne dass ich ihnen als außen<br />

stehender Beobachter auffalle.<br />

B: Trotzdem ist Kleidung nur eine Gehhilfe. Und ich möchte<br />

dir widersprechen, dass ich mich extrem exaltiert kleide.<br />

Ich habe zwar die längsten Fingernägel von uns allen, aber<br />

sonst trage ich heute ein schlichtes weißes Hemd und eine<br />

klassische, karierte Hose, was meiner Meinung nach nicht<br />

besonders auffällig ist.<br />

R: <strong>Als</strong>o, wenn ich dich auf der Straße sehe, Bent, dann<br />

sehe ich auf der gesamten Länge der Straße den am besten<br />

angezogenen Typen. Und da kannst du noch mal ‘ne halbe<br />

Stunde weitergehen, da kommt kein anderer.<br />

B: Och, das ist ja lieb. Es hat ja auch etwas mit den Materialien<br />

zu tun. Ich möchte halt nicht in recycelten Plastikflaschen<br />

rumlaufen, was Polyester nun mal ist. Wobei es nicht ums<br />

Geld geht. Ich komme ja ursprünglich von Secondhand, und<br />

da habe ich mich jahrelang – und tue es auch heute noch<br />

gerne – für wenig Geld so gekleidet, wie ich das wollte. Aber<br />

es geht natürlich schon um das, was ich auf der Haut trage.<br />

Und wenn ich mich nun mal in einem Kaschmirmantel<br />

oder einem Baumwollhemd auf der Haut wohler fühle als<br />

in einer North-Face-Fleecejacke, dann entspricht das eben<br />

meinem Wohlfühlcharakter.<br />

R: Es hat verschiedene Gründe, dass das bei uns so ist. Bei<br />

mir hat es etwas damit zu tun, dass ich immer mehr gemerkt<br />

habe, dass es mir unangenehm ist, gesichtsbekannt so als<br />

gockelhafter Typ rumzulaufen.<br />

wie sah dieses exaltierte denn aus?<br />

R: Ich habe wirklich schon vor Ewigkeiten angefangen, mir<br />

über geheimste Quellen die schönen Anzüge, also Dreiteiler,<br />

zu besorgen. Jahre, bevor Bent überhaupt erschien. Und habe<br />

leidvoll beobachten müssen, wie diese gesamte Anzugmode<br />

in die öffentlichkeit überging. Und ab dem Moment, als<br />

dann wirklich jede Form von Anzug, die mir gefallen würde,<br />

auch von Beckmann und Kerner getragen wurde, konnte<br />

ich meine Modelle nicht mehr tragen.<br />

Heißt denn gut angezogen zu sein oder Stil zu haben für<br />

dich automatisch, einen anzug zu tragen?<br />

R: Nein, nicht nur. Guter Stil wird von jedem selbst definiert.<br />

Das kann man nicht pauschal für Männer oder Alters-<br />

und Berufsgruppen sagen. Das ist von dem Typ abhängig,<br />

der dahinter steht, von der Ausstrahlung und auch, was<br />

er damit sagen will. So gesehen ist Kleidung ja auch eine<br />

Waffe oder ein Werkzeug. Ich mag es auch, immer wieder<br />

Schrott zu tragen und das gut Gekleidete zu durchbrechen.<br />

B: Na klar. Ich bin ja froh darum, dass ich den Ruf habe, so<br />

gut gekleidet zu sein. Aber ich weiß auch, was Trash ist, und<br />

ich habe auch Funktionsunterwäsche aus Synthetik, wenn<br />

man mal einen Berg besteigt. Was ich aber außerdem gerne<br />

wissen würde, Rocko: Wie ist es denn mit Parfüm.<br />

R: Mit Düften gehe ich sehr intuitiv vor. Ich teste dann,<br />

ohne zu wissen, was das für ein Name oder eine Firma ist.<br />

Da beeindruckt mich nur der Geruch. Das kann natürlich<br />

auch zu Ergebnissen führen, die für andere total peinlich<br />

wären, weil ich dann vielleicht eher auf Frauenparfüms für<br />

mich stehe. Das würde ich dann aber auch kaufen.<br />

B: Ursprünglich gibt es ja auch nicht diese Unterscheidung<br />

zwischen Damen- und Herrendüften, das kam erst mit der<br />

Kosmetikindustrie.<br />

R: Bent, kannst du mir vielleicht auch sagen, warum ich bei<br />

fünf von zehn Gerüchen sehr schnell, sehr deutlich Urin-<br />

Noten wahrnehme?<br />

B: In Parfüm? Ich weiß es nicht.<br />

R: Das ist kein schlimmer, stinkender Katzenpissgeruch,<br />

den ich rieche. Und auch nicht am Menschen, sondern in<br />

dem Parfüm, so, als wären Kleinstbestandteile an Urin<br />

untergemischt.<br />

B: Du meinst, so, wie der Legende nach Pferdeblut in Lakritz<br />

ist?<br />

Ihr seid beide schon lange teil der popkulturellen Szene<br />

Hamburgs. Gab es da einen verbindenden Style-Begriff?<br />

B: Ja, es gab schon Kleidungsstücke, die zur Uniformierung<br />

gehörten: Anhänger, Friesennerz, Trainingsjacken ...<br />

R: Jetzt redest du aber über den Toco-Teil der Hamburger<br />

Schule. Die Hamburger Schule ist in verschiedene Fraktionen<br />

aufgeteilt. Ich komme aus dem anderen Teil.<br />

was trugen denn als Gegenstück Die Goldenen Zitronen?<br />

B: Na ja, Die Goldenen Zitronen haben ja auch einen Bad<br />

Taste abgeliefert, das ist bis heute nicht zu toppen. Ich habe<br />

es versucht und nicht verstanden.<br />

R: Bad Taste, das war ja die Ursprungsidee von 1985, die<br />

kam von den Toten Hosen und deren Idee, wirklich nur<br />

durch Bad Taste einen Schnitt zwischen sich und die Uniformität<br />

von Punk zu bringen. Was aber danach kam, bei<br />

den Goldenen Zitronen und dem etwas herrenmäßigeren<br />

Teil der Hamburger-Schule-Bands, das war ganz klassischer<br />

Anzugträger-Style. In dieser Punkverhaftung gab es auch<br />

wieder eine traditionelle Verhaftung zur klassischen Mode:<br />

The Clash, Malcolm McLaren und Vivienne Westwood. Da<br />

sind immer ganz klare Bezüge drin, die du weiter zurückverfolgen<br />

kannst in die 60er und die 50er. Und das taucht bei<br />

den Goldenen Zitronen und Teilen der Hamburger Schule<br />

wieder auf, verschwindet dann später wieder bei dieser von<br />

mir beschriebenen Vereinheitlichung von Mode und dieser<br />

Gewaltwelle von Style. <strong>Als</strong>o, Style ist irgendwann für mich<br />

auch zu einem Unbegriff geworden. Ich hielt Style immer<br />

schon für einen anderen Begriff als Stil.<br />

B: Man kann Style, den Begriff, ja nicht als Lebenseinstellung<br />

haben. Das ist ein wahnsinnig inflationärer Begriff<br />

und langweilig. Stil ist eigentlich eine Kategorie: Das ist<br />

dieser oder jener Stil.<br />

R: Das eine ist eine historische Kategorie, darüber braucht<br />

man auch nicht zu streiten, weil es kategorisiert ist, das andere<br />

ist dein persönlicher Stil, und der ist bei jedem komplett<br />

anders. Es gibt Leute, die sind da sehr sicher, sehr leise und<br />

sehr genau. Und andere sind laut und ungenau. Deshalb<br />

interessiert mich diese ganze Style-Debatte und wer der<br />

Ober-Styler ist gar nicht.<br />

HEUTE 071<br />

Rocko Schamoni<br />

Musiker, Autor und Entertainer.<br />

Schamoni veröffentlicht<br />

seit Ende der 80er-Jahre<br />

seine ganz eigene stilsichere<br />

Umdeutung von Schlager,<br />

bringt mit der Humorinstanz<br />

Studio Braun Gesellschaftsstrukturen<br />

durcheinander, ist<br />

Buchautor (aktuell: »Tag der<br />

geschlossenen Tür«; Piper)<br />

und Mitbetreiber des Golden<br />

Pudels Club, der aktuell mit<br />

»Operation Pudel« (Staatsakt)<br />

sein 21-jähriges Jubiläum<br />

feiert.<br />

Herr von Eden<br />

Wurde 1998 von Bent Angelo<br />

Jensen als Modelabel und<br />

-laden für klassische Anzüge<br />

gegründet. Mittlerweile hat<br />

Herr von Eden auch Parfums,<br />

Hemden, Schuhe, Krawatten<br />

und Unterwäsche im Angebot<br />

und betreibt neben dem<br />

Stammgeschäft in Hamburg<br />

noch Filialen in Köln und<br />

Berlin. Legendär sind auch<br />

die Werbekampagnen, die<br />

in Zusammenarbeit mit dem<br />

Fotografen Daniel Josefsohn<br />

entstehen – 2010 gab es dafür<br />

den LeadAward.<br />

»style ist<br />

irgendwann<br />

für mich<br />

auch zu<br />

einem<br />

unbegriff<br />

geworden.«<br />

Rocko<br />

Schamoni

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