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Danke an die Bibliothek im Haus der Fotografi e, Deichtorhallen Hamburg<br />
064 HEUTE<br />
Er ist so laut! Ich baute eine Art Hundehütte, damit man<br />
überhaupt noch die Musik hören konnte. Zum ersten Mal<br />
konnte ich Orchesterklänge und einen Sequenzer verwenden.<br />
Ich verbrachte Wochen damit, die Programmiersprache<br />
zu lernen, vertiefte mich in die Anleitung. Mittlerweile hat<br />
dieses Experimentieren mit Geräten an Bedeutung verloren.<br />
Wenn John Frusciante zu Gast ist, möchte er aber immer<br />
sofort damit arbeiten.<br />
SL: Habt ihr als Hallogallo denn auch ein Album zusammen<br />
eingespielt?<br />
MR: Wir haben viel mitgeschnitten, Ideen aufgenommen.<br />
Aber ich brauche Zeit dafür. Was auf der Tour auffi el: Es<br />
wurden sehr viele Bootlegs zu den Konzerten mitgebracht.<br />
In den Neunzigern, als Klaus [Dinger, Neu!-Schlagzeuger;<br />
verstarb 2008] und ich stritten, hatten diese Gangster so viel<br />
Erfolg damit, irgendwelche scheinbaren Neu!-Aufnahmen<br />
auf CD zu verkaufen.<br />
SL: Heute ist es mit illegalen Downloads ein ähnlicher Fall.<br />
Gerade heute Morgen haben wir gesehen, dass unser Album<br />
bereits runtergeladen werden konnte – und dabei kommt es<br />
erst in einigen Wochen raus. Echt frustrierend!<br />
Was ja nicht jeder weiß: Herbert Grönemeyer ist es zu verdanken,<br />
dass die Neu!-Alben wieder alle verfügbar sind auf<br />
seinem Label Grönland.<br />
MR: Das Interessante ist: Im Ausland muss man erst mal<br />
erklären, wer Herbert ist. Hier kennen von zehn Leuten<br />
sicher neun seinen Namen, und sieben haben Platten von<br />
ihm zu Hause. Er war so ein Glücksfall für uns! Ich weiß<br />
nicht, ob ihr seinen Hintergrund kennt: Seine Frau starb,<br />
sein Bruder starb, und er war komplett blockiert, konnte<br />
keine Musik machen. Aber er ist so ein energetischer Typ,<br />
der einfach ein Ventil braucht. Das wurde das Label.<br />
SL: Hat er dazu geführt, dass du dich mit Klaus<br />
Dinger wieder vertragen hast?<br />
MR: Das ist nicht so einfach. Wir sprachen<br />
mit ihm über die Problematik, setzten ihn ins<br />
Bild. Klaus entschuldigte sich für gewisse Sachen.<br />
Ich meine, Klaus starb vor zwei Jahren, da<br />
möchte ich nicht so gern ... Die Entschuldigung<br />
war zumindest nicht hundertprozentig ernst zu<br />
nehmen. Meiner Meinung nach war es eine taktische<br />
Entscheidung. Ihr habt Klaus nie getroff en? Okay, er<br />
war ein Getriebener, leicht paranoid. Er hatte ständig<br />
die Befürchtung, von Leuten ausgetrickst zu werden.<br />
Er misstraute jedem – nur ich gehörte aus irgendeinem<br />
Grund nicht zu den Gangstern. Herbert schaff te es mit<br />
seiner sympathischen Art und dem hartnäckigen Wunsch,<br />
Neu! herauszubringen, uns zu überzeugen. Wir hatten<br />
komplette Kontrolle, anderthalb Jahre lang, konnten alles<br />
entscheiden. Ich erinnere mich daran, wie Klaus den Typen<br />
im Metropolis Studio in London, also einen Experten, immer<br />
wieder anschrie. Das war sein Stil. Wir krochen über die<br />
Ziellinie. Erst später erfuhr ich, dass Klaus eine Woche vor<br />
Release bei Herbert angerufen und ihn gefragt hatte: »Wirst<br />
du die Veröff entlichung stoppen, oder willst du, dass ich zu<br />
meinem Anwalt gehe?« Die Verantwortlichen von Grönland<br />
sagten daraufh in: »Okay, dann geh.« Wieder getroff en habe<br />
ich Klaus bei Promotionterminen. Er wollte eine Welttournee,<br />
war gigantomanisch. Ich bremste die Euphorie. Aber<br />
normales Sozialverhalten war nicht mehr möglich bei Klaus.<br />
Im Stil von: »Ja, ich hab das gestern versprochen, aber das<br />
interessiert mich heute nicht mehr.« In den 80er-Jahren<br />
waren Drogen auch seine ständigen Begleiter. Er schrieb<br />
auf seiner Website, dass er stolz darauf war, mehr als 1000<br />
LSD-Trips genommen zu haben. Er war ein tougher Mensch,<br />
aber die Situation verschlechterte sich.<br />
DB: Es war also nur die Musik, die euch verband?<br />
MR: Sein Hauptproblem: Er wartete nicht darauf, dass er<br />
angegriff en wurde, sondern suchte den ersten Schlag. Man<br />
muss auch ehrlich sagen, dass er ein super Schlagzeuger war.<br />
»Klaus<br />
Dinger<br />
schrieb<br />
auf seiner<br />
Website,<br />
dass er<br />
stolz darauf<br />
war, mehr<br />
als 1000<br />
LSD-Trips<br />
genommen<br />
zu haben.«<br />
Michael Rother<br />
Aktuelle Krautrock-<br />
Wiederveröff entlichungen<br />
auf Bureau B<br />
(Indigo):<br />
Cluster »Cluster 71«<br />
Roedelius »Selbstportrait II«<br />
Faust »Something Dirty«<br />
Roedelius »Geschenk des<br />
Augenblicks / Gift Of The<br />
Moment«<br />
Roedelius »Selbstportrait«<br />
Voller Energie. Dadurch auch magisch, beispielsweise beim<br />
Song »Hero« [auf »Neu! 75«]. Er brauchte dafür nur einen<br />
Take. Conny [Konrad »Conny« Plank, legendärer Produzent,<br />
vor allem bei Kraftwerk, Neu! und Cluster; verstarb 1987]<br />
und ich hörten ihm bei den Aufnahmen zu, schauten uns<br />
an und wussten: Nichts konnte besser gespielt werden.<br />
SL: »Neu! 75« war ohnehin mein Lieblingsalbum, mit diesen<br />
zwei verschiedenen Seiten ...<br />
MR: Auch ein Resultat der Auseinandersetzungen. Klaus<br />
wollte zwei ständige Schlagzeuger, mehrere Gitarren, er<br />
wollte an den Bühnenrand, was als Drummer sonst nicht<br />
möglich gewesen wäre. Ich war an einem zweiten Drummer<br />
nicht interessiert. <strong>Als</strong>o fanden wir einen Kompromiss:<br />
Wir fi ngen nach seiner Version an, eine Woche lang.<br />
<strong>Als</strong> wir wechseln wollten, wusste er von nichts mehr.<br />
Wir stoppten die Aufnahmen für einen kompletten<br />
Tag, saßen schweigend nebeneinander im Studio. Am<br />
Ende sah er ein, dass ich nicht beigeben würde. Auch<br />
bei Harmonia gab es diese Auseinandersetzungen<br />
– der Bandname war wirklich ein Witz. Da lachten<br />
wir drüber.<br />
— IntRO eMPFIeHLt DAS AKT. ALBUM: FuJIya & MIyaGI<br />
»VentRILOQuIZZInG« (FULL TIME HOBBY / ROUGH<br />
TRADE / Vö 28.01.)