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062 HEUTE<br />
während nebenan in den Ausstellungsräumen<br />
der britische Fotograf Paul Graham mit seiner<br />
Retrospektive die Fotoästhetik der Nachkriegsära<br />
zwischen Sozialdokumentation und Kunst<br />
inszeniert, ist Zeit in der Bibliothek der Hamburger<br />
Deichtorhallen ein sehr relativer Begriff. So erzählt<br />
der 60-jährige Gitarrist Michael Rother im Gespräch mit<br />
David Best und Steve Lewis von Fujiya & Miyagi wie selbstverständlich,<br />
dass er zwischen 1976 und 1998 kein einziges<br />
Konzert gegeben habe. Dennoch: Rother ist als ehemaliges<br />
Mitglied von Kraftwerk, Neu! und Harmonia ein perfekter<br />
Leumund für die heterogene Krautrock-Stilistik. Nach fast<br />
40 Jahren sind die einstigen Provokateure an die heutige<br />
Musikavantgarde angedockt. Dass ihr Sound seit einigen<br />
Jahren angesagter ist denn je und von etlichen Bands adaptiert<br />
wird, beweist nicht nur die Compilation »Brand Neu!«,<br />
auf der so unterschiedliche Krautrock-Sympathisanten<br />
wie Oasis, Ciccone Youth, Primal Scream, Foals oder LCD<br />
Soundsystem vor Rothers Band den Hut ziehen. Ebenfalls<br />
vertreten: Fujiya & Miyagi aus Brighton. Seit 2000 dominieren<br />
bei dem Quartett der typische Can-Beat und minimale<br />
harmonische Wendungen – aktuell anzuhören auf ihrem<br />
vierten Album »Ventriloquizzing«. Der sympathische Nebeneffekt<br />
im Sechs-Augen-Gespräch: Vor lauter Verehrung<br />
gegenüber Rother vergessen Best und Lewis völlig ihre<br />
Promotion-Pflichten, sind viel zu sehr am Insiderwissen des<br />
Protagonisten interessiert, zumal dieser auch noch von seiner<br />
gerade beendeten spannenden »Hallogallo 2010«-Tour, auf<br />
der er mit Steve Shelley (Sonic Youth) und Aaron Mullan (Tall<br />
Firs) Songs von Neu! und Harmonia spielte, berichten kann.<br />
Drei Musiker, zwei davon Fans, eine intensive Stunde<br />
Dialog-Pingpong.<br />
SL: Michael, wie lief die Tour?<br />
MR: Ich bin so müde. 33 Konzerte in einem Jahr, quer durch<br />
alle Jahreszeiten. Buenos Aires, New York, Malmö und zuletzt<br />
am Wochenende in Istanbul. Wenn ich die Wahl hätte,<br />
würde ich immer den warmen Regionen den Vorzug geben.<br />
DB: Wir geben ja über 100 Konzerte im Jahr – nur so kann<br />
man heutzutage als Musiker noch Geld verdienen.<br />
MR: Ich hatte wirklich tolle Musiker um mich herum. Steve<br />
Shelley ist ein unglaublicher Schlagzeuger, so kraftvoll,<br />
präzise, die Leute im Publikum drehen durch. Alles hat<br />
seine Berechtigung in seinem Spiel. Wie bei Jaki Liebezeit<br />
[Can-Drummer] ist jeder einzelne Schlag wichtig. Auf Tour<br />
bestätigte sich wieder einmal, dass der Sound im Ausland<br />
mehr geschätzt wird als bei uns. In Deutschland hatten wir<br />
das am wenigsten enthusiastische und älteste Publikum,<br />
genau wie bei Neu! und Harmonia. Und: Es kommen zu<br />
viele Männer. In anderen Ländern sind die Zuschauer jünger,<br />
und es gibt eine bessere Geschlechtermischung.<br />
SL: Ist doch immer schön, wenn Frauen zu den Shows kom-<br />
Hallogallo<br />
Zehnminütiges Auftaktstück<br />
vom Neu!-Debüt und einer<br />
der populärsten Songs des<br />
Duos – deswegen auch die<br />
Idee, das aktuelle Projekt /<br />
die aktuelle Tour danach zu<br />
benennen. Steht idealtypisch<br />
für den Trademark-Sound<br />
des Duos mit den bekannten<br />
Krautrock-Elementen und<br />
der Motorik im Stile eines<br />
durchgehenden pulsierenden<br />
Rhythmus’. Letzteren bezeichnete<br />
Klaus Dinger 2002<br />
im The-Wire-Interview als<br />
»Apache-Beat«.<br />
MiChael rother triFFt FuJiya & Miyagi<br />
GeNeRatIoNeNtReffeN<br />
DeR kRautRoCkeR<br />
Michael Rother hat Krautrock mit Neu! in den 1970ern zu höchstem internationalen Renommee verholfen.<br />
Fujiya & Miyagi transportieren dessen Motorik-Beat leichtfüßig in die Gegenwart. Henrik Drüner belauschte<br />
das Aufeinandertreffen zwischen den Generationen in Hamburg. Fotos: Katja Ruge