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der BerG ist kulisse - 041 Kulturmagazin

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WORT<br />

the adventures of German-kid<br />

Der legendäre Bukowski-übersetzer und Schriftsteller<br />

Carl Weissner mischt den Literaturbetrieb mit einem<br />

New Yorker Nachtjournal auf.<br />

Von Pablo Haller<br />

Da <strong>ist</strong> ein kid aus germany, <strong>der</strong> mit 14 Jahren nicht lokführer,<br />

son<strong>der</strong>n amerikanischer (!) schriftsteller werden wollte.<br />

Der 1967 mit einem fulbright-stipendium für zwei Jahre nach<br />

new York geht.<br />

Da <strong>ist</strong> die Entstehungsgeschichte und immer wie<strong>der</strong> ausschnitte<br />

aus seinem 1970 erschienenen (englischen) ersten roman «the<br />

Braille film».<br />

Dieser kid schreibt: «Was ich mit meiner Variante <strong>der</strong> Cut-upmethode<br />

herstelle, <strong>ist</strong> so etwas wie amerikanische Barocklyrik.<br />

auf die lange strecke ungeniessbar, aber einzelne stücke haben<br />

etwas Verführerisches.»<br />

Da <strong>ist</strong> aber vor allem das Jahr 1968.<br />

Da <strong>ist</strong> ein abgefuckter ray Bremser in einer abgefuckten Bude,<br />

<strong>der</strong> mit zittrigen fingern «aim to please, shoot to kill» in ein sofakissen<br />

stickt.<br />

Da <strong>ist</strong> ein krieg in Vietnam, das motto dazu steht an eine hauswand<br />

in <strong>der</strong> third avenue gesprayt: «so viele zu killen und so<br />

wenig Zeit.»<br />

Da <strong>ist</strong> Dr. med. Ernesto guevara de la serna, 39, <strong>der</strong> in einem bolivianischen<br />

kaff namens Vallegrande tot <strong>ist</strong>.<br />

Da <strong>ist</strong> John Coltranes ehemaliger Drummer in einem lift, mit einem<br />

händedruck, <strong>der</strong> diese dem german-kid fast bricht.<br />

Da <strong>ist</strong> allen ginsberg, <strong>der</strong> erzählt, wie er Ezra Pound in Venedig<br />

Dylan-Platten vorspielte.<br />

Und da <strong>ist</strong> ginsbergs lover orlovsky, <strong>der</strong> ständig in <strong>der</strong> Badewanne<br />

sitzt und dazu so laut trällert, dass jegliche Unterhaltung unmöglich<br />

<strong>ist</strong>.<br />

Dieser kid sieht die frühen Velvet Un<strong>der</strong>ground live und findet:<br />

«nichts gegen miss tucker am schlagzeug; aber dieser öde heini,<br />

wie heisst er, lou reed ...»<br />

Da sind Briefe von William s. Burroughs und Charles Bukowski.<br />

Da <strong>ist</strong> Bukowski, <strong>der</strong> um drei Uhr nachts aus l.a. anruft, er werde<br />

jetzt das gas aufdrehen.<br />

Da <strong>ist</strong> John giorno, <strong>der</strong> star aus andy Warhols «sleep», <strong>der</strong> für<br />

sich den Buddhismus und die Dichtung entdeckt hat.<br />

Da <strong>ist</strong> eine l<strong>ist</strong>e mit den anschlägen des monats april in den<br />

staaten. Bis zum 6. sinds zwölf.<br />

Da <strong>ist</strong> das attentat auf Warhol mit einer italienischen Beretta,<br />

Pocket-Version 7,65 mm und eine fünf-stunden-operation.<br />

Da sind ein paar spendierte Drinks im odessa mit einer appetitlichen<br />

latina namens Conny, die rumerzählt, dass sie sich umbringen<br />

will, bloss damit ihr typ sich überlegt, wie er mit ihr umgeht.<br />

Da sind die namen nixon und kennedy, da <strong>ist</strong> ein tödliches attentat<br />

und da <strong>ist</strong> aldous huxley, <strong>der</strong> zeitgleich an krebs stirbt. auf<br />

lsD.<br />

34<br />

Da <strong>ist</strong> ein Brief an Burroughs, wo es heisst: «Ende des monats<br />

muss ich zurück nach frankfurt, wo sich <strong>der</strong> hässliche Deutsche<br />

und <strong>der</strong> hässliche Yankee traditionell die klinke in die hand geben.»<br />

Dieser kid <strong>ist</strong> Carl Weissner, <strong>der</strong> später als Übersetzer und agent<br />

(u. a. Bukowski, ginsberg, Burroughs) massgeblich an <strong>der</strong> Verbreitung<br />

dieser neuen literatur im deutschen sprachraum beteiligt<br />

sein wird. Und Weissner schreibt, wie in seinem letzten roman,<br />

seinem deutschen Debüt «manhattan muffdiver» (2010),<br />

ungekünstelt, roh, genial. Ein raw-meat-Writer ersten ranges,<br />

<strong>der</strong> auch in <strong>der</strong> internationalen schwergewichtsklasse mit jedem<br />

in den ring steigen kann.<br />

Ein an<strong>der</strong>er, umgekehrt gestrandeter dieser klasse <strong>ist</strong> William<br />

Cody maher. 1950 in san francisco geboren, re<strong>ist</strong>e er ab 1978<br />

durch Europa und die staaten, bis er vor einigen Jahren in heidelberg<br />

(temporär) sesshaft wurde. seine texte, ob Prosa o<strong>der</strong><br />

lyrik, sind schemenhafte miniaturen, auf denen, wie Weissner<br />

einst dazu bemerkte, ein verführerischer schimmer von Endgültigkeit<br />

liegt. sein jüngstes Werk «spiel sachen» endet mit den Zeilen:<br />

«soll <strong>der</strong> Wind mein schicksal bestimmen<br />

Und das schicksal von meinesgleichen»<br />

Carl Weissner: Die Abenteuer von Trashman.<br />

Milena Verlag, Wien 2011. 170 Seiten.<br />

Ca. Fr. 29.90<br />

William Cody Maher: Spiel Sachen. Verlag Peter<br />

Engstler, Ostheim/Röhn, 2009. 112 Seiten. Ca. Fr. 22.–<br />

Lesung Carl Weissner und William Cody Maher:<br />

MI 2. November, 20 Uhr, Treibhaus Luzern<br />

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