atw - International Journal for Nuclear Power | 6.2023
Reaktorkonzepte und neue Entwicklungen
Reaktorkonzepte und neue Entwicklungen
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<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 6 ı November<br />
SPECIAL TOPIC | A JOURNEY THROUGH ENERGY GERMAN POLICY, NUCLEAR ECONOMY TECHNOLOGY AND LAW 58<br />
für Transurane und Institut für Heiße Chemie am<br />
KFK betrieben. Erste Brennstäbe werden an den<br />
Enrico-Fermi-Reaktor in den Vereinigten Staaten<br />
und den FR-2 in Karlsruhe geliefert.<br />
Bei der Brüterentwicklung sind auch noch wissenschaftliche<br />
Grundlagen nicht ganz klar. Fragen einer<br />
inhärenten Stabilität von schnellen Reaktoren mit<br />
Natrium- oder Dampfkühlung aufgrund Doppler-<br />
Koeffizient des (Plutonium-)Brennstoffs sind Mitte<br />
1966 noch nicht überblickbar und müssen durch<br />
neutronen- und kernphysikalische Forschung vor<br />
allem im Neutronenenergiebereich zwischen 1 keV<br />
und 50 keV noch näher bestimmt werden.<br />
Am KFA Jülich findet auch noch eine gänzlich andere<br />
Richtung von Brutreaktorentwicklung statt. Dort<br />
wird zusammen mit INTERATOM an epithermischen<br />
Salzschmelze-Thoriumbrütern ge<strong>for</strong>scht, wie<br />
sie heute wieder von einigen Start-up-Unternehmen<br />
in Europa und Nordamerika vorgeschlagen und<br />
verfolgt werden. Die KFA selbst arbeitet an einem<br />
Flüssigsalzreaktor, in dem das Core flüssig ist und<br />
aus Uran- und Thoriumsalzen besteht. Bei INTER-<br />
ATOM wird im Auftrag der KFA ein konservativeres<br />
Konzept mit flüssigem Brennstoffsalz in festen<br />
Brennstabhüllen verfolgt. Die Kühlung soll jeweils<br />
mit flüssigem Metall erfolgen. Für das flüssige Core<br />
wurde das Konzept der „Bleidusche“ erdacht, bei<br />
dem flüssiges Blei zur Wärmeabfuhr durch die bzw.<br />
am Rande der Salzschmelze fällt, separiert und zum<br />
Dampferzeuger geleitet wird. Gewissermaßen ein<br />
erster Aufschlag zum Dual-Fluid-Reaktor wie er<br />
heute entwickelt wird, allerdings soll dort das der<br />
Wärmeabfuhr dienende Blei um Röhren herumgeführt<br />
werden, durch die das flüssige Salzcore<br />
gepumpt wird. Die Salzbrüterkonzepte haben günstige<br />
Verdoppelungszeiten hinsichtlich des erbrüteten<br />
Brennstoffs und ermöglichen kostengünstige<br />
Wiederaufarbeitung.<br />
Kommerzieller Durchbruch der<br />
Leichtwasserreaktoren in den<br />
Vereinigten Staaten und Zögerlichkeit<br />
in Deutschland<br />
Bei den im Jahr 1966 bereits als etabliert und<br />
bewährt geltenden Leichtwasserreaktoren gibt es<br />
in den Vereinigten Staaten einen Durchbruch bei<br />
den Bestellungen für kommerzielle Projekte, deren<br />
Leistung in Richtung 1.000 MW elektrisch geht.<br />
In Deutschland dagegen wird eine Pause beobachtet,<br />
da nach den Bestellungen für die Demonstrationskernkraftwerke<br />
Gundremmingen, Lingen<br />
und Obrigheim sowie die Prototypenanlagen HDR<br />
Großwelzheim und Kernkraftwerk Niederaichbach<br />
keine kommerziellen Orders getätigt wurden. Diese<br />
Entwicklung löst in der Branche Besorgnis aus,<br />
das Momentum zu verlieren und nach mühsamer<br />
technischer Aufholjagd möglicherweise wieder<br />
ins Hintertreffen zu geraten. Auch für ein mögliches<br />
Exportgeschäft verheißt die Situation, keine<br />
kommerziellen Folgeprojekte im eigenen Land<br />
vorweisen zu können, nichts gutes. Hinzu tritt eine<br />
unzureichende Exportfinanzierung, die deutsche<br />
Angebote für internationale Kunden unattraktiv<br />
macht, da Finanzierungen nur mit rund acht Prozent<br />
Zinsen und Rückzahlung innerhalb von 10 Jahren<br />
angeboten werden können. Entsprechend <strong>for</strong>dert<br />
die Branche, hier bessere Möglichkeiten zu schaffen<br />
und insbesondere Hermes-Bürgschaften für Kernkraftwerke<br />
zu ermöglichen.<br />
Der zunächst ausbleibende kommerzielle Erfolg<br />
der großen – ca. 600 MW – Leichtwasserreaktoren<br />
in Deutschland ist erklärungsbedürftig, da diese<br />
größeren Anlagen bereits wettbewerbsfähig sind<br />
bzw. günstiger als Ölkraftwerke und nicht subventionierte<br />
Kohlekraftwerke. Eine Kostenkalkulation<br />
von Anfang 1966 gibt 2,9 Pfennig pro Kilowattstunde<br />
an, von denen 64 Prozent auf die Anlagenkosten,<br />
11 Prozent auf die Brennstoff-Fixkosten und<br />
11 Prozent auf laufende Brennstoffkosten entfallen.<br />
Es wird deshalb über den hemmenden Einfluss der<br />
Förderung der Steinkohlenutzung diskutiert, da<br />
der jährliche Kapazitätszuwachs dadurch zu einem<br />
erheblichen Teil durch neue Steinkohlekraftwerke<br />
gedeckt und der Raum für insbesondere große Kernkraftwerke<br />
eingeschränkt wird. Als Haupthindernis<br />
gilt jedoch die zersplitterte Struktur der deutschen<br />
Stromerzeugung in der es sehr viele relativ kleine<br />
und kapitalschwache Unternehmen gibt, die weder<br />
von ihrem Stromabsatz noch von ihrer Finanzkraft<br />
her in der Lage sind, Anlagen mit solchen Blockgrößen<br />
zu errichten und auszulasten. Zugleich<br />
besteht ein sehr ausgeprägter Unwille, die Branchenstrukturen<br />
an die technische wie auch die sich<br />
in den Vereinigten Staaten abzeichnende wirtschaftliche<br />
Entwicklung anzupassen. Auch Kooperationen<br />
zwischen mehreren kleineren EVUs erweisen sich als<br />
schwierig, so dass es noch einige Zeit und Überzeugungsarbeit<br />
von politischer Seite braucht, bis den<br />
Akteuren klar wird, dass es für eine exportorientierte<br />
Wirtschaft nicht tragbar ist, auf eine große<br />
und kostengünstige Energiequelle zu verzichten,<br />
während die wirtschaftlichen Konkurrenten diese<br />
Möglichkeit immer stärker nutzen.<br />
Nicht nur die Bedeutung der Kernenergie für die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft sind aus<br />
heutiger Zeit vertraut, auch ein anderes Thema<br />
ist immer noch oder wieder aktuell. Der damalige<br />
Branchenverband Deutsches Atom<strong>for</strong>um sieht<br />
Energy Special Topic Policy, | Economy A Journey and through Law German <strong>Nuclear</strong> Technology<br />
<strong>Nuclear</strong> Kommerzieller Energy Durchbruch under Article für 6.8 die of Kernenergie the Paris Agreement und massive ı Henrique Forschungsanstrengungen Schneider ı Nicolas Wendler