12.07.2015 Views

Fazer download PDF - Fundação Cultural do Estado da Bahia

Fazer download PDF - Fundação Cultural do Estado da Bahia

Fazer download PDF - Fundação Cultural do Estado da Bahia

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

CARLOS RIBEIRO158seine Beziehung zu den Menschen, zu seiner Frau, seinem Sohn, seinenBrüdern und seinen Freunden, zu der Hausangestellten und dem Portier, zu denArbeitskollegen. Er war sehr erleichtert, wenn er sich überzeugen konnte, <strong>da</strong>sser sie alle gut behandelte, immer so gut, wie es ihm seine Umstände möglichmachten. Aber: Ging es wirklich allen so gut? Und: Was wohl waren denn seineMöglichkeiten?Selbst wenn er mit seinem Gewissen im Reinen war, so konnte er <strong>do</strong>ch<strong>da</strong>s sehr unangenehme Gefühl nicht vermeiden, <strong>da</strong>ss sich in der Welt <strong>do</strong>rtdraußen alles zum Schlechteren wandte. Er benutzte diese Annahme als eine ArtSelbstverteidigungswaffe. Manchmal, wenn ihn eine tief gehende Melancholieüberkam, gewöhnlich am Ende des Nachmittags, trieb es ihn auf die Straße,wo er mit unerträglicher Hellsicht die hinter Gelächter und fröhlichen Gestenverborgene Trauer der in Bussen, Autos oder dem Gehsteig an ihm vorbeiziehendenMenschen erspürte; in den an Straßenecken oder Hauseingängen verweilendenMenschen, in jenen, die sich an Fenstern, auf Avenuen, in Parks und auf denStraßen Salva<strong>do</strong>rs zeigten. Alles war inzwischen anders geworden seit den Zeiten,als er – noch Student – durch diese Stadt streifte, die er immer geliebt hatte unddie ihm <strong>da</strong>mals, ganz im Gegensatz zu heute, als leuchtend, verheißungsvoll undvoll unerschöpflicher Möglichkeiten erschienen war.Hatte er sich verändert oder war es die Stadt, die sich bis zu dem Punktkorrumpieren ließ, an dem sie sich aller Möglichkeiten beraubt sah, aller Träume,ihrer Utopie? Woher zum Teufel kam dieses Gefühl, am Rand einer unvermeidlichenKatastrophe zu stehen? Alles war <strong>do</strong>ch so normal! Und dennoch schien es ihm,als habe <strong>da</strong>s Unglück bereits begonnen, wie ein im Keller eines alten Gebäudesausgebrochenes Feuer, während die Ahnungslosen in den oberen Stockwerkentanzen, Geschäfte und Pläne machen. „Welch Graus!“ An diesen Ausruf von Kurtzim Roman Conrads musste er immer denken und gelegentlich überraschte ersich <strong>da</strong>bei, diese Worte zu stammeln. Es war ja schrecklich, was <strong>da</strong>s Leben (oderbesser, <strong>da</strong>s System) mit den Menschen machte, indem es all ihre Träume, ihreSchönheit und Jugend, alle Möglichkeiten zerstörte. Welch Verschwendung!Alberto verspürte den Wunsch, dieses Gefühl noch tiefer zu erforschen undin den kollektiven Schmerz einzutauchen, der sich hinter den gewohnten Gesten,den herzlichen Worten in allen Beziehungen verbarg. Aber ihm fehlte der Mut.Die Gewohnheit, dieses unverrückbare Repertoire von Konventionen, empfander als eine Zwangsjacke, die alle ganz unbewusst nutzten, um die Realität nichtsehen zu müssen. So als seien alle hypnotisiert, um den im Garten lauerndenDrachen, <strong>da</strong>s Skelett im Schrank nicht wahrnehmen zu können. Der Ge<strong>da</strong>nkean den fürchterlichen Hund Zerberus, der den privaten Hades eines jedenbewohnt, erfüllte ihn mit fasziniertem Entsetzen, wenn er aus einem Flugzeugnachts <strong>do</strong>rt unten all die winzigen Lichtpunkte menschlicher Behausungen sah:Mein Gott! Wie viele Gräuel wurden <strong>do</strong>ch in der Intimität der Wohnungen, imSchoß der Familien begangen!

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!