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Fazer download PDF - Fundação Cultural do Estado da Bahia

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Er schlug die Beine übereinander und entfaltete seine Zeitung, <strong>da</strong>s Diário deNotícias, Ausgabe vom Dienstag, 3. Dezember 1935.Fernan<strong>do</strong> Pessoa verstorben(Portugals großer Dichter)Fernan<strong>do</strong> Pessoa, der außerordentliche Dichter von „Botschaft“, einerSammlung von Gedichten voller nationalistischer Begeisterung, unter denschönsten, die je geschrieben wurden, ist gestern beerdigt worden. Der Todüberraschte ihn Samstagabend in einem christlichen Bett des KrankenhausesSt. Luis. Die Beisetzung wurde von der Agentur Barata ausgerichtet.Der weitschweifige Zeitungsartikel füllte zwei lange Spalten und unterschiedsich sehr von den anderen, üblicherweise in diesem Blatt veröffentlichtenNachrufen. So wurde der Lebenslauf des Verstorbenen detailliert beschrieben,sein Werk ausführlich besprochen, mit begeisterten Lobpreisungen des totenPoeten, eine namentliche Aufzählung aller bei der Beisetzung anwesendenAutoritäten stand neben der wörtlichen Wiedergabe der aus dem Stegreifgehaltenen Grabrede Luiz de Montalvors, 34 Jahre hindurch Begleiter desliterarischen Lebens des Verstorbenen.„Das ganze Gesindel von Freunden und Bekannten war auf dem Friedhof nichtvollständig“ meckerte der Polizist in sich hinein, nachdem er sich aufgesetzt, <strong>da</strong>sauf dem Nachttisch liegende Notizbuch ergriffen und die Namensliste der Zeitungmit seinen eigenen Aufzeichnungen verglichen hatte.Er erhob sich vom Lager, zündete die erloschene Zigarre von Neuem an undsetzte sich an den kleinen, unter dem Fenster stehenden Schreibtisch. Mit einemTintenstift unterstrich er in seinem Notizbuch die Namen all jener Freunde undBekannten des Toten, die bei dem Begräbnis durch ihre Abwesenheit auffälliggeworden waren.Die Liste war keineswegs kurz: Álvaro de Campos, Ricar<strong>do</strong> Reis, Bernar<strong>do</strong> Soares,António Mora, Raphael Bal<strong>da</strong>ya, Frederico Reis, abgesehen von den Dutzendenanderer, die weniger häufig <strong>da</strong>s Objekt der Überwachung in der Rua Coelho <strong>da</strong>Rocha in Campo de Ourique besucht hatten.„Nicht mal Dona Ofélia Queirós hat sich <strong>da</strong>zu herabgelassen, zum Begräbnisihres Ex-Geliebten zu erscheinen. Die Liebe kann nicht so überwältigend gewesensein“, freute sich der Geheimagent der P.I.C., während er am Bleistift knabberte.„Wo hat sich diese ganze Bande verkrochen, die nicht zur Beerdigung kam?“fragte er sich und warf einen Blick auf die Taschenuhr, die mit ihrer Kette an einemNagel an der Wand hing.Noch fehlten ja viele Stunden bis zu dem großen Moment. Er beschloss, nochein Schläfchen zu machen. Er klopfte <strong>da</strong>s Kissen zurecht, streckte sich aufs Lagerund räkelte sich im vollen Vertrauen auf den Erfolg seiner so oft schon auf spätervertagten Aktion, die er nun endlich würde durchführen können.RUY TAPIOCA235

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