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Fazer download PDF - Fundação Cultural do Estado da Bahia

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MAYRANT GALLO212Der Tod des Poeten(Erzählung aus „Brancos Reflexos ao longe”. Livro.com, 2011)Ich ging die Aveni<strong>da</strong> Sete hinunter, aber statt in die Rua Carlos Gomeseinzubiegen, ging ich weiter in Richtung des Castro Alves-Platzes. Manchmalgehorchen wir ja ganz automatisch so einer unhörbaren Stimme. In meinemFall war es die Stimme der Sucht. Ich habe ja versucht, mit dem Rauchenaufzuhören. Aber hin und wieder habe ich so im Verborgenen <strong>da</strong>nn <strong>do</strong>chwieder nachgegeben, meist in irgendeinem geschlossenen Raum, so<strong>da</strong>ss meinRückfall sofort bemerkt wurde und die Schimpfe unmittelbar folgte. Wer micham meisten bewachte, war Lidia, meine Freundin. Aber seit ich im Krankenhausgelandet bin, sind auch meine Ex-Frau und meine Tochter um mich besorgt undvoller Tadel.Deshalb habe ich angefangen, auf der Straße zu rauchen, mit Vorliebe auf demWeg zur Arbeit, und nur eine einzige Zigarette. Weil mir der Zigarettenverkäufervor dem Kino Glauber Rocha – heute eine öffentliche Bedürfnisanstalt – insBlickfeld geriet, bog ich auf den Castro Alves-Platz ein, obwohl ich ja eigentlichzur Carlos Gomes wollte. Als ich mich beim Anzünden der Zigarette umwandte,sah ich den Dichter von seinem Podest steigen und die Straße entlang gehen.Das war früh am Nachmittag des Rosenmontags, in jener Stunde, in der dieMusikanten des Trio Elétrico schlafen und die Jecken und <strong>da</strong>s Karnevalsvolksich erholen, während die Sonne den Schauplatz desinfiziert. Ich überquerte dieStraße und ergriff seinen Arm.Er wandte sich mir zu, mit einem Ausdruck von Schuldbewusstsein. Ichhabe mich noch nie sehr für die Dichtkunst erwärmen können, die mir immerals schwere Krankheit manierierter, verweiblichter Leute erschien, aber ich warmir der Bedeutung dieses Dichters durchaus bewusst und wusste auch, wie vielVerehrung ihm sogar heute noch entgegen gebracht wird. Ich kannte sogar Leute,die seinetwegen verrückt geworden waren, sowohl Frauen wie auch Männer.– Was denkst du wohl, <strong>da</strong>ss du <strong>da</strong> machst, fragte ich.Er presste die Lippen aufeinander, die Pupillen geweitet, mit wirrem Haar:– Was wohl! Fliehen natürlich!Ich <strong>da</strong>chte, es wäre wohl eine Katastrophe, wenn der Poet verschwände. Soüberlegte ich nicht lange und legte ihm Handschellen an. Kurz <strong>da</strong>rauf kamen wirzu dem provisorisch errichteten Polizeiposten auf dem Platz Dois de Julho, woich nicht zögerte, ihn hinter Gitter zu setzen. Die Zelle war noch leer, denn dieStrolche von Gestern waren schon transferiert worden und die von heute hattendie Kollegen noch nicht erwischt. Die anderen Polizisten wollten wissen, was erangestellt hatte.

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