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Die Stoffe, die Produktion der Musterteile,<br />

die erste Show: Das alles hat doch sicher<br />

sehr viel Geld verschlungen. Wie konntet ihr<br />

das als absolute Newcomer stemmen?<br />

Das Startkapital haben wir tatsächlich selbst<br />

zusammengekratzt. Das reichte für die erste<br />

Kollektion. Danach haben uns unsere Familien<br />

und Freunde unterstützt. Und jede von<br />

uns hat parallel immer wieder andere Jobs<br />

gemacht, um den eigenen Lebensunterhalt zu<br />

sichern. Denn an Gehälter ist für lange Zeit<br />

gar nicht zu denken. Da darf man sich keine<br />

Illusionen machen. Bis die ersten Kunden<br />

wirklich deine Sachen ordern, kann sehr viel<br />

Zeit vergehen. Bei unserer ersten Show hatten<br />

wir rein gar nichts verkauft.<br />

Und wo steht ihr heute?<br />

Wir haben insgesamt 16 Kunden. Doch das ist<br />

leider immer noch viel zu wenig, um unsere<br />

Fixkosten zu decken. Das ist die Realität. Es<br />

gibt viele Labels, die selbst nach sieben oder<br />

acht Jahren kaum Geld verdienen. Als Modelabel<br />

musst du unheimlich viel Geld vorstrecken<br />

– in den Stoffeinkauf, die Produktion, all<br />

das. Bis der Kunde letztendlich zahlt und deine<br />

Investition zurückfließt, vergeht locker ein<br />

Jahr. Das muss man erst einmal überbrücken<br />

können. Gerade die letzten 13 oder 14 Monate<br />

waren wirklich hart. Jetzt sollte und muss es<br />

sich langsam rechnen…<br />

Wie kommt ihr mit dieser Ungewissheit klar<br />

– und haltet durch?<br />

Ganz ehrlich: Dieses Label war und ist einfach<br />

unser Traum. Und der Glauben daran hält<br />

uns aufrecht.<br />

Würdet Ihr jungen Designern nach all diesen<br />

Erfahrungen ermutigen, ein Label zu gründen?<br />

Unter gewissen Umständen, ja. Aber man<br />

sollte wissen, dass es bereits viel zu viele<br />

Labels gibt. Die Konkurrenz ist unglaublich<br />

groß. Gerade wenn jemand etwas unbedarft<br />

und emotional an die Sache heran geht, wird<br />

es schnell schwierig. So nach dem Motto: Ich<br />

mache jetzt mal ein paar tolle Sachen und die<br />

Leute werden es schon kaufen. Das funktioniert<br />

nicht. Grundsätzlich würde ich dazu raten,<br />

möglichst früh zu starten. Falls es nicht<br />

klappen sollte, kann man dann beruflich immer<br />

noch andere Wege gehen.<br />

Würdest du rückblickend sagen: Da und dort<br />

haben wir Fehler gemacht?<br />

Klar. Wir hatten uns am Anfang schon ganz<br />

schön übernommen und ein wenig zu groß<br />

gedacht und geplant: Unsere Kollektionen<br />

hatten zu viele Teile, wir waren auf zu vielen<br />

Messen und haben dadurch viel zu viel Geld<br />

verbrannt. Doch auch das sind wichtige Lektionen,<br />

aus denen man lernt.<br />

Welche Eigenschaften braucht man denn,<br />

um als Modedesigner erfolgreich zu sein –<br />

und durchzuhalten?<br />

Kreativität, ganz klar. Aber auch ein Ziel,<br />

einen gewissen Fokus, wohin die Reise eigentlich<br />

gehen soll. Ganz wichtig ist eine klare<br />

Struktur. Ausdauer. Ausgeprägte soziale<br />

Kompetenzen: Du hast tagtäglich mit so vielen<br />

Menschen auf unterschiedlichen Ebenen<br />

zu tun, da muss die Kommunikation stimmen.<br />

Und dann brauchst du natürlich ein sehr dickes<br />

Fell, um dein Ding durchzuziehen. Denn<br />

als Label stehst du konstant in der Kritik und<br />

wirst immer wieder bewertet.<br />

Ihr zeigt eure Kollektion unter anderem auf<br />

der Berliner Fashion Week. Wie wichtig sind<br />

solche Messen für ein Label?<br />

Sehr wichtig. Dazu lädst du bereits vorhanden<br />

Kunden ein, gewinnst mit Glück ein paar<br />

Neue und ziehst das Interesse der Medien auf<br />

sich. Allgemein ist gute Pressearbeit in dieser<br />

Branche essentiell. Die Leute müssen dich<br />

kennen, damit sie dich kaufen.<br />

Trotz aller Widrigkeiten: Ein eigenes Modelabel<br />

zu haben ist für viele Jugendliche der<br />

absolute Traumjob. Wie finden sie den Einstieg<br />

in die Branche?<br />

Es gibt ganz tolle private und staatliche Schulen<br />

für Modedesign, zum Beispiel hat die „Esmod“<br />

in München einen sehr guten Ruf. Dazu<br />

sollte man möglichst viele Praktika in den<br />

unterschiedlichsten Bereichen der Branche<br />

machen – Finanzen, Produktion, Fertigung. Je<br />

umfassender man sich auch mit den „unglamourösen“<br />

Seiten des Geschäfts auseinandersetzt,<br />

desto besser…<br />

Was wünscht ihr euch für „Holy Ghost“? Was<br />

sind eure Ziele?<br />

Ach, die sind gar nicht so hochtrabend. Wir<br />

peilen sicher nicht Paris oder New York an.<br />

Aber wir wünschen uns, zu wachsen und mit<br />

unseren Sachen Geld zu verdienen. Wir wollen<br />

uns vor allem in Deutschland etablieren,<br />

dann noch einige Kunden in Skandinavien<br />

dazu gewinnen, vielleicht noch in Frankreich<br />

und England.<br />

Welche Momente sind es, die euch für den<br />

Stress und die Unsicherheit der letzten Jahre<br />

entlohnen?<br />

Ach, der Job hat viele Seiten, die großartig<br />

sind. Die Modeschauen sind für mich 15 Minuten<br />

puren Glücks. Wenn die Kollektion nach<br />

Monaten der Vorbereitung fertig wird – das ist<br />

ein tolles Gefühl. Auch die Fotoshootings machen<br />

unendlich viel Spaß. Aber wirklich happy<br />

bin ich, wenn die Kunden zufrieden sind<br />

– und wieder kommen. Das beweist uns dann,<br />

dass wir auf dem richtigen Weg sind…<br />

TEXT Katharina McKechnie<br />

FOTO Nadya-Vanessa Gruber<br />

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