ME2BE_01_2013_Sued
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Die Stoffe, die Produktion der Musterteile,<br />
die erste Show: Das alles hat doch sicher<br />
sehr viel Geld verschlungen. Wie konntet ihr<br />
das als absolute Newcomer stemmen?<br />
Das Startkapital haben wir tatsächlich selbst<br />
zusammengekratzt. Das reichte für die erste<br />
Kollektion. Danach haben uns unsere Familien<br />
und Freunde unterstützt. Und jede von<br />
uns hat parallel immer wieder andere Jobs<br />
gemacht, um den eigenen Lebensunterhalt zu<br />
sichern. Denn an Gehälter ist für lange Zeit<br />
gar nicht zu denken. Da darf man sich keine<br />
Illusionen machen. Bis die ersten Kunden<br />
wirklich deine Sachen ordern, kann sehr viel<br />
Zeit vergehen. Bei unserer ersten Show hatten<br />
wir rein gar nichts verkauft.<br />
Und wo steht ihr heute?<br />
Wir haben insgesamt 16 Kunden. Doch das ist<br />
leider immer noch viel zu wenig, um unsere<br />
Fixkosten zu decken. Das ist die Realität. Es<br />
gibt viele Labels, die selbst nach sieben oder<br />
acht Jahren kaum Geld verdienen. Als Modelabel<br />
musst du unheimlich viel Geld vorstrecken<br />
– in den Stoffeinkauf, die Produktion, all<br />
das. Bis der Kunde letztendlich zahlt und deine<br />
Investition zurückfließt, vergeht locker ein<br />
Jahr. Das muss man erst einmal überbrücken<br />
können. Gerade die letzten 13 oder 14 Monate<br />
waren wirklich hart. Jetzt sollte und muss es<br />
sich langsam rechnen…<br />
Wie kommt ihr mit dieser Ungewissheit klar<br />
– und haltet durch?<br />
Ganz ehrlich: Dieses Label war und ist einfach<br />
unser Traum. Und der Glauben daran hält<br />
uns aufrecht.<br />
Würdet Ihr jungen Designern nach all diesen<br />
Erfahrungen ermutigen, ein Label zu gründen?<br />
Unter gewissen Umständen, ja. Aber man<br />
sollte wissen, dass es bereits viel zu viele<br />
Labels gibt. Die Konkurrenz ist unglaublich<br />
groß. Gerade wenn jemand etwas unbedarft<br />
und emotional an die Sache heran geht, wird<br />
es schnell schwierig. So nach dem Motto: Ich<br />
mache jetzt mal ein paar tolle Sachen und die<br />
Leute werden es schon kaufen. Das funktioniert<br />
nicht. Grundsätzlich würde ich dazu raten,<br />
möglichst früh zu starten. Falls es nicht<br />
klappen sollte, kann man dann beruflich immer<br />
noch andere Wege gehen.<br />
Würdest du rückblickend sagen: Da und dort<br />
haben wir Fehler gemacht?<br />
Klar. Wir hatten uns am Anfang schon ganz<br />
schön übernommen und ein wenig zu groß<br />
gedacht und geplant: Unsere Kollektionen<br />
hatten zu viele Teile, wir waren auf zu vielen<br />
Messen und haben dadurch viel zu viel Geld<br />
verbrannt. Doch auch das sind wichtige Lektionen,<br />
aus denen man lernt.<br />
Welche Eigenschaften braucht man denn,<br />
um als Modedesigner erfolgreich zu sein –<br />
und durchzuhalten?<br />
Kreativität, ganz klar. Aber auch ein Ziel,<br />
einen gewissen Fokus, wohin die Reise eigentlich<br />
gehen soll. Ganz wichtig ist eine klare<br />
Struktur. Ausdauer. Ausgeprägte soziale<br />
Kompetenzen: Du hast tagtäglich mit so vielen<br />
Menschen auf unterschiedlichen Ebenen<br />
zu tun, da muss die Kommunikation stimmen.<br />
Und dann brauchst du natürlich ein sehr dickes<br />
Fell, um dein Ding durchzuziehen. Denn<br />
als Label stehst du konstant in der Kritik und<br />
wirst immer wieder bewertet.<br />
Ihr zeigt eure Kollektion unter anderem auf<br />
der Berliner Fashion Week. Wie wichtig sind<br />
solche Messen für ein Label?<br />
Sehr wichtig. Dazu lädst du bereits vorhanden<br />
Kunden ein, gewinnst mit Glück ein paar<br />
Neue und ziehst das Interesse der Medien auf<br />
sich. Allgemein ist gute Pressearbeit in dieser<br />
Branche essentiell. Die Leute müssen dich<br />
kennen, damit sie dich kaufen.<br />
Trotz aller Widrigkeiten: Ein eigenes Modelabel<br />
zu haben ist für viele Jugendliche der<br />
absolute Traumjob. Wie finden sie den Einstieg<br />
in die Branche?<br />
Es gibt ganz tolle private und staatliche Schulen<br />
für Modedesign, zum Beispiel hat die „Esmod“<br />
in München einen sehr guten Ruf. Dazu<br />
sollte man möglichst viele Praktika in den<br />
unterschiedlichsten Bereichen der Branche<br />
machen – Finanzen, Produktion, Fertigung. Je<br />
umfassender man sich auch mit den „unglamourösen“<br />
Seiten des Geschäfts auseinandersetzt,<br />
desto besser…<br />
Was wünscht ihr euch für „Holy Ghost“? Was<br />
sind eure Ziele?<br />
Ach, die sind gar nicht so hochtrabend. Wir<br />
peilen sicher nicht Paris oder New York an.<br />
Aber wir wünschen uns, zu wachsen und mit<br />
unseren Sachen Geld zu verdienen. Wir wollen<br />
uns vor allem in Deutschland etablieren,<br />
dann noch einige Kunden in Skandinavien<br />
dazu gewinnen, vielleicht noch in Frankreich<br />
und England.<br />
Welche Momente sind es, die euch für den<br />
Stress und die Unsicherheit der letzten Jahre<br />
entlohnen?<br />
Ach, der Job hat viele Seiten, die großartig<br />
sind. Die Modeschauen sind für mich 15 Minuten<br />
puren Glücks. Wenn die Kollektion nach<br />
Monaten der Vorbereitung fertig wird – das ist<br />
ein tolles Gefühl. Auch die Fotoshootings machen<br />
unendlich viel Spaß. Aber wirklich happy<br />
bin ich, wenn die Kunden zufrieden sind<br />
– und wieder kommen. Das beweist uns dann,<br />
dass wir auf dem richtigen Weg sind…<br />
TEXT Katharina McKechnie<br />
FOTO Nadya-Vanessa Gruber<br />
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