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HEAVY METAL HEAVEN<br />

Verstärker an der Waterkant<br />

Kreis Steinburg, Wacken, 1990: Es ist das Jahr, in dem der endgültige Abriss der Berliner<br />

Mauer beginnt und Nelson Mandela in die Freiheit entlassen wird. Das Jahr, in dem<br />

Deutschland im Finale der 14. Fußball-WM einen Elfmeter in den Weltmeisterpokal<br />

verwandelt und das Wacken Open Air zum ersten Mal die kleine Gemeinde in Schleswig-Holstein<br />

auf Dezibel-Toleranz testet.<br />

WACKEN WAS?<br />

Das inzwischen weltgrößte Metal-Festival, das dort jährlich Anfang August Ohr und Auge zugleich<br />

entzückt und verstört, geht also nun schon in die 23. Runde. Alice Cooper, Motörhead,<br />

Rammstein - die knapp 75.000 Tickets für die nächste Metal-Runde im August 2<strong>01</strong>3 sind schon<br />

lange ausverkauft. „See you in Wacken-Rain or Shine!“ liest man auf der offiziellen Festival-Webseite.<br />

Für die Veranstalter und die gesamte Wirtschaft des Kreis Steinburg gilt wohl<br />

eher: „Shine, Shine, Shine!“ - denn der ,Heavy Metal Heaven‘ des Nordens ist ein nicht zu<br />

unterschätzender Wirtschaftssegen.<br />

Wacken-Gründer Thomas Jensen rief das Festival 1990 mit einem Kumpel ins Leben, es spielten<br />

sechs Bands und der Eintritt lag bei soliden Zwölf D-Mark. Heute spielen 138 Bands für 140<br />

Euro Eintritt. Und die wollen tatsächlich auch viele bezahlen, betrachtet man die zehntausenden<br />

Fans, die jedes Jahr wieder aus der ganzen Welt in das kleine Dorf Wacken pilgern.<br />

MEKKA DER METALHEADS<br />

Tourismus, Handwerk, Handel - die jährliche Dröhnung an scheinbar bizarrem Miteinander<br />

von friedlicher Landidylle und kreischenden Bassverstärkern ist inzwischen ein enormer Wirtschaftsfaktor<br />

für die ganze Region geworden. Wer das mal sehen will, ohne hinzufahren: Die<br />

preisgekrönte Doku „Full Metal Village“ zeigt das ziemlich eindrucksvoll, und ein Grinsen kann<br />

man sich auch kaum verkneifen.<br />

Denn wenn die generationenübergreifende Metal-Familie mit schwarzen Kutten, Stahlhelmen<br />

und Totenkopfmasken also wieder aus aller Welt nach Wacken strömt, dann feiern die Dorfbewohner<br />

mit. Schließlich geben die Metalheads gut und gerne mehrere Millionen Euro aus.<br />

Vorab werden ungefähr 800 Tonnen Stahl in die True Metal Stage und die Black Stage verwandelt.<br />

Wer sich vor lauter Vorfreude schon einmal Warm-Headbangen will, kann dies im Metaltrain<br />

zum Open Air oder fährt einfach bei Landwirt Paul Paulsen in seinem Metal-Trecker mit<br />

- ein Original in Wacken mit einer gut gebauten Plastik-Lady als Kühler-Figur.<br />

Auch die Landessparkasse Schenefeld geht mit der Zeit und gibt seit 2008 eine gebrandete<br />

Prepaid-Kreditkarte namens „Wacken Card“ heraus. Das größte Heavy-Metal-Festival der Welt<br />

ist längst eine eigene Marke, Merchandising inklusive. Da darf natürlich auch eine eigene<br />

Biermarke, das Wacken-Premium-Pils, nicht fehlen.<br />

Seit 2007 gibt es an jedem Tag eine aktuelle Festivalzeitung und das sogenannte „Wacken<br />

Rescue Squad“ leistet große, sanitärdienstliche Versorgung. Im Jahr 2000 eröffnet die Kapelle<br />

der Freiwilligen Feuerwehr Wacken zum ersten Mal das Festival mit einem Konzert. Dafür dern die Helden des Feuers sogar kurzzeitig ihren Namen in „Wacken Fire Fighters“ - unter dem<br />

äninzwischen<br />

auch ihr zweites Album erscheint: „Metal meets Brass - In the Beergarden“ - für<br />

zünftiges Metaller-Frühschoppen á la Kölner Karneval. Wenn dieses Jahr also wieder der enorme,<br />

feuerspuckende Wacken-Rinderschädel über vibrierenden Körpern seine Flammen in den<br />

Himmel wirft, dann steht er auch für ein wahres Wirtschaftswunder für eine ganze Region.<br />

Text Jule Malz | Illustration Sonja Klements<br />

Süd 83

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